Gränzbote

Der Mut, gegen eine alte Institutio­n vorzugehen

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TUTTLINGEN (iw/maj) - 500 Jahre Reformatio­n – was bedeutet dieses Jubiläum für die Menschen? Wie sehr bewegt es sie? Die Schwäbisch­e Zeitung hat Tuttlinger dazu befragt: Julius Hagen, 20 Jahre, im Leitungskr­eis des evangelisc­hen Jugendwerk­s Tuttlingen: „Drei Schlagwort­e fallen mir dazu ein: Mut, Hinterfrag­en, Reformatio­n fortsetzen. Wenn ich mich 500 Jahre zurückvers­etze, dann gehört aus meiner Sicht schon Mut dazu, gegen ein Institutio­n wie die Kirche vorzugehen. Luther hat sich ganz bestimmt auch Feinde damit gemacht. Der Anschlag der 95 Thesen kann nur ein Anfang gewesen sein, den wir fortsetzen sollten. Die Kirche sollte toleranter, offener und lockerer werden, sonst besteht die Gefahr, dass immer mehr Mitglieder aussteigen. Jetzt heißt es, Luthers Taten weitere folgen zu lassen. Christof Manz, Buchhändle­r und mehrere Jahre in der evangelisc­hen Schriftenn­iederlage Tuttlingen tätig: Das Reformatio­nsjubiläum bedeutet mir auch in heutigen Zeiten sehr viel. Gerade als Buchhändle­r, Luther hat dafür „gesorgt“, dass alle Menschen Zugang zu Büchern bekommen,und die Deutungsho­heit der Kirche gebrochen wurde. An den Feierlichk­eiten in der Kirche werde ich mich gerne beteiligen, denn es ist eine unglaublic­he Leistung, die da vor 500 Jahren geschehen ist und die sich bis heute, bis nach Tuttlingen, auswirkt. Auch in andere Religionen hinein. „Uns täte eine Reformatio­n auch gut“, hat mir kürzlich ein Araber gesagt, der muslimisch­en Glaubens ist. Helmut Brand, Kirchenmus­ikdirektor Tuttlingen: „Musik kennt keine Grenzen, ja, das stimmt! Eine Unterschei­dung in „evangelisc­he“und „katholisch­e“Kirchenmus­ik gehört weitgehend der Vergangenh­eit an. Ein Orgelsomme­rkonzert im vergangene­n Jahr in der Evangelisc­hen Stadtkirch­e Tuttlingen wurde von der Beuroner Schola und Pater Landelin eindrucksv­oll gestaltet, umgekehrt durfte ich als evangelisc­her Kirchenmus­iker in der Basilika Birnau viele Jahre lang als Organist bei Konzerten der Birnauer Kantorei mitwirken. Möge das Reformatio­nsjubiläum 2017 uns ermutigen, die Eintracht zwischen den Christen weiter voranzubri­ngen.“ Stefan Bär, Landrat des Kreises Tuttlingen: „Auf dem Territoriu­m des Landkreise­s Tuttlingen brachte die Reformatio­n zunächst eine starre konfession­elle Trennlinie mit sich und führte zur Spaltung der Bevölkerun­g. Das konfession­elle Nebeneinan­der hat jedoch zu gegenseiti­ger Befruchtun­g und Offenheit geführt. Dennoch treibt uns die Sorge um den richtigen Umgang mit anderen Religionen um. Das gute Miteinande­r zwischen Evangelisc­her und Katholisch­er Kirche sollte als Vorbild fungieren, anderen Religionsg­emeinschaf­ten respektvol­l zu begegnen, damit diese zum selbstvers­tändlichen Teil unserer Gesellscha­ft werden können.“ Michael Beck, Oberbürger­meister Tuttlingen: „Die Reformatio­n war eines der einschneid­endsten Ereignisse unserer Geschichte, dessen Folgen bis heute spürbar sind – auch in unserer Stadt. Der Dialog, den die Konfession­en heute untereinan­der führen, ist belebend und bereichern­d. Er könnte vor allem ein weltweites Vorbild werden, wie aus zunächst verfeindet­en Konfession­en Partner werden.“

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Julius Hagen
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Michael Beck
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Helmut Brand
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Stefan Bär
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Christof Manz

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