Pater Ambrosius und der Gregorianische Choral
Autor Adalbert Kienle stellt den „Chorallöwen von Beuron“in einer Monografie vor
BEURON - Pater Ambrosius Kienle OSB (1852 bis 1905) hat sich wegen seiner eingehenden und maßgeblichen Beschäftigung zur Erneuerung des Gregorianischen Chorals den Ehrentitel „Der Chorallöwe von Beuron“erworben. Ein Großneffe, Adalbert Kienle aus SigmaringenLaiz, hat nun anhand eines umfangreichen Konvoluts von nachgelassenen Briefen des Paters ein Porträt geschrieben, das sich mit dem Leben und der musikwissenschaftlichen Arbeit des „Chorallöwen“beschäftigt.
Pater Ambrosius zählt zur Generation der Neugründer des Klosters Beuron in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zusammen mit den Erzäbten Maurus und Placidus Wolter. Als Christian Kienle wird er am 8. Mai 1852 in Laiz geboren. Nach dem Abitur in Hedingen nimmt Kienle 1872 das Studium der Theologie an der Universität Mainz auf. 1873 tritt er in das Kloster Beuron ein.
Schon zwei Jahre später müssen die Mönche das erst 1863 als Benediktinerabtei wieder zum geistlichen Mittelpunkt gewordene Kloster und das Land im Zuge des Kulturkampfes verlassen. Sie gehen zunächst nach Tirol und dann nach Prag. In Tirol wird der Frater Ambrosius im August 1877 zum Priester geweiht. Zwölf Jahre müssen die Mönche warten, bis sie ins Kloster Beuron 1887 zurückkehren können.
Früh fällt Pater Ambrosius durch seine schöne, kraftvolle Stimme auf. Er selbst empfindet die Musik und den geistlichen Gesang als Zentrum seines Lebens. „Ich beschäftige mich viel mit Musik, Gesang. Schöpfe rechte Lust aus dieser köstlichen Quelle. Der liebe, liebe Choral ist wahrhaft eine verkannte, verborgene Perle“, schreibt er an seine Schwester Stephanie. Und so ist auch sein Klostername nicht zufällig gewählt: Der heilige Ambrosius von Mailand hatte den nach ihm benannten Ambrosianischen Gesang in die Liturgie eingeführt. Aus diesem soll dann der nach Papst Gregor dem Großen benannte Gregorianische Choral entstanden sein.
Unter dem Einfluss des Choralforschers Dom Joseph Pothier, dessen Werk über den Gregorianischen Choral Ambrosius übersetzt, kommt er selber zur intensiven Beschäftigung mit der liturgischen Musik. Bereits 1879, im Kloster Volders in Tirol, wird Ambrosius zum ersten Kantor ernannt, was er mit Stolz nach Hause meldet. Und während seiner Zeit im Stift Emaus in Prag verfasst er sein Standardwerk „Choralschule – Ein Handbuch zur Erlernung des Choralgesangs“, 1884 in Freiburg im katholischen HerderVerlag erschienen.
Ambrosius möchte mit seiner Arbeit den zeitgenössischen Choral, den er für heruntergekommen hält, wieder zu alter Blüte führen. Dazu studiert er zahlreiche alte Schriften. Die Begegnung mit Papst Leo XIII. bei einer Audienz zusammen mit den Teilnehmern des Kongresses von Arezzo berührt ihn tief. Bei diesem Kongress der Choralisten Europas kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Schulen der Choralistik, bei dem Ambrosius die reine mittelalterliche Form des Chorals vertritt. Papst Pius X. schließlich bestätigt 1903 den gregorianischen als höchste Form der geistlichen Musik, so wie es auch Pater Ambrosius vorschwebt.
Zu dieser Zeit ist Ambrosius schon von seiner schweren Krankheit, der Tuberkulose, gezeichnet. Er verfasst ein weiteres Manuskript zur Liturgie, „Charfreitag und Ostern“. Am 18. Juni 1905 stirbt Pater Ambrosius Kienle, der „Chorallöwe“, im Alter von 53 Jahren. Er wird in der Gruft des Klosters Beuron beigesetzt.
Die als erster Band der neuen Reihe „Beuroner Profile“erschienene Monografie von Adalbert Kienle ist eine fakten- und aufschlussreiche Arbeit, die den Bogen von Laiz über Beuron und Prag bis nach Rom schlägt und ein gutes Bild auch von den Auseinandersetzungen über die Liturgie innerhalb der Kirche bietet. Das in den vergangenen Jahrzehnten wieder erwachte Interesse am Gregorianischen Choral, das in zahlreichen CD-Einspielungen seinen Niederschlag gefunden hat, erhält hier auf knapp 130 Seiten ein biografischtheoretisches Fundament, das auch für Laien gut und verständlich zu lesen ist. Es kostet 15 Euro.
„Ich beschäftige mich viel mit Musik, Gesang. Schöpfe rechte Lust aus dieser köstlichen Quelle. Der liebe, liebe Choral ist wahrhaft eine verkannte, verborgene Perle“, schreibt Pater Ambrosius Kienle an seine Schwester.
Das Buch wird am morgigen Sonntag um 15.30 Uhr im Bürgersaal in Sigmaringen-Laiz und am Freitag, 17. November, um 19.30 Uhr im Festsaal der Erzabtei Beuron vorgestellt.