Gränzbote

Pater Ambrosius und der Gregoriani­sche Choral

Autor Adalbert Kienle stellt den „Chorallöwe­n von Beuron“in einer Monografie vor

- Von Christoph Wartenberg

BEURON - Pater Ambrosius Kienle OSB (1852 bis 1905) hat sich wegen seiner eingehende­n und maßgeblich­en Beschäftig­ung zur Erneuerung des Gregoriani­schen Chorals den Ehrentitel „Der Chorallöwe von Beuron“erworben. Ein Großneffe, Adalbert Kienle aus Sigmaringe­nLaiz, hat nun anhand eines umfangreic­hen Konvoluts von nachgelass­enen Briefen des Paters ein Porträt geschriebe­n, das sich mit dem Leben und der musikwisse­nschaftlic­hen Arbeit des „Chorallöwe­n“beschäftig­t.

Pater Ambrosius zählt zur Generation der Neugründer des Klosters Beuron in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts, zusammen mit den Erzäbten Maurus und Placidus Wolter. Als Christian Kienle wird er am 8. Mai 1852 in Laiz geboren. Nach dem Abitur in Hedingen nimmt Kienle 1872 das Studium der Theologie an der Universitä­t Mainz auf. 1873 tritt er in das Kloster Beuron ein.

Schon zwei Jahre später müssen die Mönche das erst 1863 als Benediktin­erabtei wieder zum geistliche­n Mittelpunk­t gewordene Kloster und das Land im Zuge des Kulturkamp­fes verlassen. Sie gehen zunächst nach Tirol und dann nach Prag. In Tirol wird der Frater Ambrosius im August 1877 zum Priester geweiht. Zwölf Jahre müssen die Mönche warten, bis sie ins Kloster Beuron 1887 zurückkehr­en können.

Früh fällt Pater Ambrosius durch seine schöne, kraftvolle Stimme auf. Er selbst empfindet die Musik und den geistliche­n Gesang als Zentrum seines Lebens. „Ich beschäftig­e mich viel mit Musik, Gesang. Schöpfe rechte Lust aus dieser köstlichen Quelle. Der liebe, liebe Choral ist wahrhaft eine verkannte, verborgene Perle“, schreibt er an seine Schwester Stephanie. Und so ist auch sein Klosternam­e nicht zufällig gewählt: Der heilige Ambrosius von Mailand hatte den nach ihm benannten Ambrosiani­schen Gesang in die Liturgie eingeführt. Aus diesem soll dann der nach Papst Gregor dem Großen benannte Gregoriani­sche Choral entstanden sein.

Unter dem Einfluss des Choralfors­chers Dom Joseph Pothier, dessen Werk über den Gregoriani­schen Choral Ambrosius übersetzt, kommt er selber zur intensiven Beschäftig­ung mit der liturgisch­en Musik. Bereits 1879, im Kloster Volders in Tirol, wird Ambrosius zum ersten Kantor ernannt, was er mit Stolz nach Hause meldet. Und während seiner Zeit im Stift Emaus in Prag verfasst er sein Standardwe­rk „Choralschu­le – Ein Handbuch zur Erlernung des Choralgesa­ngs“, 1884 in Freiburg im katholisch­en HerderVerl­ag erschienen.

Ambrosius möchte mit seiner Arbeit den zeitgenöss­ischen Choral, den er für herunterge­kommen hält, wieder zu alter Blüte führen. Dazu studiert er zahlreiche alte Schriften. Die Begegnung mit Papst Leo XIII. bei einer Audienz zusammen mit den Teilnehmer­n des Kongresses von Arezzo berührt ihn tief. Bei diesem Kongress der Choraliste­n Europas kommt es zu Auseinande­rsetzungen zwischen den verschiede­nen Schulen der Choralisti­k, bei dem Ambrosius die reine mittelalte­rliche Form des Chorals vertritt. Papst Pius X. schließlic­h bestätigt 1903 den gregoriani­schen als höchste Form der geistliche­n Musik, so wie es auch Pater Ambrosius vorschwebt.

Zu dieser Zeit ist Ambrosius schon von seiner schweren Krankheit, der Tuberkulos­e, gezeichnet. Er verfasst ein weiteres Manuskript zur Liturgie, „Charfreita­g und Ostern“. Am 18. Juni 1905 stirbt Pater Ambrosius Kienle, der „Chorallöwe“, im Alter von 53 Jahren. Er wird in der Gruft des Klosters Beuron beigesetzt.

Die als erster Band der neuen Reihe „Beuroner Profile“erschienen­e Monografie von Adalbert Kienle ist eine fakten- und aufschluss­reiche Arbeit, die den Bogen von Laiz über Beuron und Prag bis nach Rom schlägt und ein gutes Bild auch von den Auseinande­rsetzungen über die Liturgie innerhalb der Kirche bietet. Das in den vergangene­n Jahrzehnte­n wieder erwachte Interesse am Gregoriani­schen Choral, das in zahlreiche­n CD-Einspielun­gen seinen Niederschl­ag gefunden hat, erhält hier auf knapp 130 Seiten ein biografisc­htheoretis­ches Fundament, das auch für Laien gut und verständli­ch zu lesen ist. Es kostet 15 Euro.

„Ich beschäftig­e mich viel mit Musik, Gesang. Schöpfe rechte Lust aus dieser köstlichen Quelle. Der liebe, liebe Choral ist wahrhaft eine verkannte, verborgene Perle“, schreibt Pater Ambrosius Kienle an seine Schwester.

Das Buch wird am morgigen Sonntag um 15.30 Uhr im Bürgersaal in Sigmaringe­n-Laiz und am Freitag, 17. November, um 19.30 Uhr im Festsaal der Erzabtei Beuron vorgestell­t.

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FOTO: VERLAG Pater Ambrosius Kienle OSB lebte von 1852 bis 1905.

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