Gränzbote

Kreis will zurück zu altem Stärke-Projekt

Im Jugendhilf­e-Ausschuss wird Neuregelun­g kritisiert – Kurse sollen für alle kostenlos sein

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Das Landesprog­ramm Stärke hat seine Schwächen. Das hat die Verwaltung des Landkreise­s Tuttlingen in der Sitzung des Ausschusse­s für Familie, Jugend und Kinder betont. Seit der Neuregelun­g in den Jahren 2010 und 2014 haben nicht mehr alle, sondern nur noch „bedürftige“Familien kostenlose­n Zugang zu den Kursen, die die elterliche Erziehungs­kompetenz stärken soll.

„Wir wollen zurück zur alten Regelung. Die hatte sich bewährt“, sagt Sozialdeze­rnent Bernd Mager, der deswegen mit dem Sozialmini­sterium in Stuttgart in Verbindung steht. Der Hintergrun­d ist, dass das Land das Stärke-Programm evaluiert und kritisiert hatte, dass der Landkreis Tuttlingen mehr als 12 000 Euro der bereitgest­ellten Mittel nicht abgerufen hatte. Dies, erklärt die Verwaltung des Kreises, liege vor allem an dem veränderte­n Zugang zu dem Bildungsan­gebot.

Neuregelun­g erzeugt Hemmschwel­le bei „Bedürftige­n“

„Die Kurse werden nicht mehr angenommen“, sagt Mager. Zwar können „bedürftige“Eltern vor dem Beginn des Kurses einen Antrag stellen und erhalten die Gebühren später zurück. Die Praxis habe aber gezeigt, dass es eine „Hemmschwel­le“gebe, so Landrat Stefan Bär. Die Neuregelun­g führe dazu, heißt es in der Ausschussv­orlage, dass gerade die Zielgruppe, für die ein Erziehungs­kurs am gewinnbrin­gendsten wäre, nicht mehr in ausreichen­dem Maß erreicht wird. Und wer nicht bedürftig sei, fühle sich womöglich auch nicht berufen, solch einen Kurs zu besuchen, meinte Bernhard Schnee (CDU). „Das ist vom Land schlecht gemacht und eine unbefriedi­gende Situation“, sagte er. Schließlic­h habe man nach dem Beginn des Programms „große Hoffnungen in das Projekt gesetzt“.

Über 500 Familien hätten das kostenlose Stärke-Angebot in den ersten Jahren freiwillig angenommen, berichtete Mager. Nun droht das Vorhaben, die Eltern auf die Erziehung vorzuberei­ten oder zu unterstütz­en, vollends in die Knie zu gehen. „Viele Bildungstr­äger haben sich verabschie­det“, sagt der Sozialdeze­rnent. Zum einen, weil die Bedürftigk­eit abgefragt werden muss. Zum anderen, weil die Bürokratie stark zugenommen habe. „Die Elternbild­ungsträger im Landkreis Tuttlingen waren letztlich nur bereit, entspreche­nde Kurse anzubieten, wenn diese weiterhin kostenfrei für alle Eltern sind“, heißt es in der Vorlage der Kreisverwa­ltung.

Der Landkreis versucht die Kurse aufrecht zu erhalten, in dem er eigene Mittel bereitstel­lt. Im Kreisgebur­tenpass liegt ein Bildungsgu­tschein über 20 Euro bei, der bei den Elternbild­ungsträger­n unbürokrat­isch eingereich­t werden kann. Allerdings bezahlt der Landkreis das Geld und kann nicht auf Fördermitt­el aus dem Stärke-Projekt zurückgrei­fen. Seit Januar 2016 wurden 4100 Euro mit dem Kreis abgerechne­t.

In diesem Punkt erhofft sich die Kreisverwa­ltung ebenso eine Veränderun­g wie bei der Förderung „Offener Treffs“. Für diese Angebote, die vor allem für Kinder im ersten Lebensjahr geschaffen sind, können nur 14 Prozent der Zuwendungs­summe aus den Stärke-Mitteln genommen werden. Diese Deckelung führe dazu, dass jeder weitere „Offene Treff“die Fördergeld­er für nachfolgen­de Anbieter reduziere. Bisher gibt es im Landkreis Tuttlingen drei „Offene Treffs“von Kinderschu­tzbund Tuttlingen, Mutpol und des Regine-Johlberg-Kindergart­ens in Trossingen, die auch gut angenommen würden. Das Angebot müsste aus Sicht der Landkreis-Verwaltung auch erweitert werden. Das Land wecke durch die Deckelung Begehrlich­keiten, die die Landkreise finanziere­n müssten, kritisiert die Tuttlinger Verwaltung.

Man sei nicht übertriebe­n euphorisch, dass sich etwas ändere. „Aber steter Tropfen höhlt den Stein“, sagte Bär und erhielt die Unterstütz­ung des Ausschusse­s.

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FOTO: RAINER HOLZ/DPA In den Kursen des Stärke-Projekts sollte die Erziehungs­kompetenz der Eltern gestärkt werden. Das Angebot ist aber nicht mehr für alle Paare kostenlos zugänglich. Diese Neuregelun­g des Landes wird vom Landkreis Tuttlingen kritisiert.

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