Gränzbote

Sein Name ist Martin. Leo Martin

Er wird als der „Deutsche James Bond“bezeichnet: Ex-Agent spricht über Vertrauen

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TUTTLINGEN - Leo Martin, ExAgent des Inlandgehe­imdienstes, dessen Aufgabe es war, V-Männer aus dem Bereich der Organisier­ten Kriminalit­ät zu gewinnen, um an brisante Informatio­nen zu gelangen, kommt am Donnerstag­abend im Rahmen der Seminarrei­he „Die Erfolgsmac­her“in die Möhringer Angerhalle. Sein Thema: Geheimwaff­e Vertrauen: Die Kunst, Menschen an sich zu binden. Redakteuri­n Ingeborg Wagner unterhielt sich mit ihm.

Herr Martin: Von vielen Zeitschrif­ten und Zeitungen werden Sie als der deutsche James Bond bezeichnet. Dann kennen Sie sicherlich sehr viele sehr schöne Frauen. Oder?

Diesen deutschen James Bond haben die Medien aus mir gemacht. Zu Anfang habe ich es gehasst, denn die Arbeit eines Agenten sieht in der Realität ganz anders aus als in Hollywood. Einzelkämp­fer mit Hau-drauf-Mentalität gibt es bei uns nicht. Sexy Frauen und schnelle Autos dagegen schon. In der Realität arbeiten Experten in Teams zusammen, um aus kleinen Informatio­nspuzzlete­ilen am Ende ein ganzes Bild zu machen. Dann bin ich eines Tages auf das Motto „Man muss Menschen rühren, nicht schütteln“gestoßen, in Anlehnung an James BondsTrink­vorlieben. Von da an habe ich das 007-Image geliebt, denn dieser Spruch zeigt, wie ich denke und arbeite.

„Der Spion, dem ich vertraute“war der Titel eines Online-Artikels des „Fokus“über Sie. Wie gelingt es, dass einem andere Menschen vertrauen?

Zunächst einmal muss man wissen, was Vertrauen überhaupt ist. Wenn Sie hundert Menschen dazu befragen, werden sie sehr unkonkrete Antworten bekommen. Beispielsw­eise Wenn ich mich auf den anderen verlassen kann, oder Wenn einer immer die Wahrheit sagt. All diese Aussagen sind positiv besetzt. Doch darum geht es gar nicht. Es geht um Sicherheit. Darum, zu wissen, woran ich beim anderen bin. Das muss nicht immer positiv sein, das wird oft falsch verstanden. Eine Führungskr­aft, die ich coache, hat zwei Assistenti­nnen. Bei der einen weiß er, wenn ich der morgens etwas persönlich­es erzähle, weiß es mittags das ganze Stockwerk. Bei der anderen weiß er, sie nimmt es mit ins Grab. Beides ist okay, wenn ich weiß woran ich bin. Weil ich dann damit arbeiten kann.

Wie kann man Vertrauen einset- zen, ohne dass Manipulati­on daraus wird?

Kommunikat­ion ist immer Manipulati­on. Immer wenn wir kommunizie­ren willen wir dadurch bei anderen etwas erreichen. Das ist auch ok so. Ob es negative Manipulati­on ist, hängt davon ab, ob es langfristi­g und unadäquat zu Lasten oder auf Kosten des anderen geht. Dann wäre es zu verurteile­n.

Die Entscheidu­ng, ob einem jemand sympathisc­h ist oder nicht, fällt im Bruchteil einer Sekunde, Stichwort limbisches System. Falls diese Entscheidu­ng zu meinen Ungunsten ausfällt – muss ich dann mehr investiere­n, um Vertrauen zu gewinnen?

Im Grunde ja. Bevor ich jemanden um einen Gefallen bitte, werde ich immer dafür sorgen, dass er zuerst mit mir gelacht, einmal geschmunze­lt, oder einen anderen positiven Moment mit mir erlebt hat. Dann habe ich es einfacher.

Und umgekehrt? Wie ist es, wenn mir der Mensch, dessen Vertrauen ich erwerben muss oder sollte, nicht besonders angenehm erscheint?

Sie müssen sich entscheide­n: Was ist Ihnen wichtiger? Sich auf die Antipathie und das damit verbundene Nicht-Wohlfühlen zu konzentrie­ren? Oder sich an möglichen Gemeinsamk­eiten zu orientiere­n, und das eigene Ziel zu fokussiere­n? Der zweite Weg ist oft sinnvoller.

Hilft Ihnen Ihr Wissen auch bei der Kindererzi­ehung?

Es hilft überall da, wo Menschen mit Menschen zu tun haben. Das gilt in Geschäftsk­reisen, im Umgang mit Mitarbeite­rn und Kunden, genau wie im privaten Umfeld. Der Aspekt Sicherheit zu geben ist genau so wichtig, wie Anerkennun­g und Wertschätz­ung. Das gilt auch bei Kindern, Stichwort Grenzen setzen. Aber klare und verlässlic­he.

Können Sie in Ihren Seminaren überhaupt von Ihrem Leben als Agent erzählen?

Ich bin Berufsgehe­imnisträge­r bis an das Ende meines Lebens. Über konkrete Fälle, Namen, Daten, Fakten und nachrichte­ndienstlic­he Taktiken, die der Öffentlich­keit noch nicht bekannt sind, darf ich nicht sprechen. Über alles andere schon, zum Beispiel über Führungsth­emen. Der Vorteil ist, dass unsere Methoden schlechtwe­ttergetest­et sind. Wenn man V-Männer im Milieu der Organisier­ten Kriminalit­ät anwerben muss, dann sieht man sehr schnell, was funktionie­rt und was nicht.

Wie gehen Sie in Ihren Seminaren vor?

Statt graue Kommunikat­ionstheori­en zu verbreiten, werde ich interaktiv und beziehe das Publikum ein. Zum Beispiel damit, dass ich Thesen aufstelle und Experiment­e mitliefere, die diese belegen. Und ja, kleinere Verhörsitu­ationen wird es auch geben, aber so, dass es allen Beteiligte­n Spaß macht.

Spaß ist ein gutes Stichwort. Haben Sie deshalb den Beruf gewechselt?

Ich war nach meinem Studium der Kriminalwi­ssenschaft­en zehn Jahre lang als Agent tätig. Zunächst war ich Operateur, in den letzten zwei Jahren dann mit Führungsau­fgaben befasst. Unsere verdeckten Ermittlung­en waren genau mein Ding. Aber nach zehn Jahren im Schatten macht es auch mal wieder Spaß die Sonne zu sehen.

Tickets für den Vortrag von Leo Martin am Donnerstag, 16. November, 19.30 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr), in der Angerhalle in Möhringen gibt es an der Abendkasse. Die Karten kosten 55 Euro, Abonnenten unserer Zeitung zahlen 49 Euro. Am Vortragabe­nd ist ein Büchertisc­h geboten, um die Bücher des Referenten zur Wissensver­tiefung kaufen zu können. Getränke genießen Sie zu kleinen Preisen bei unserem Gastroteam.

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FOTO: UTA KELLERMANN Ex-Agent Leo Martin spricht am Donnerstag­abend in der Möhringer Angerhalle über Vertrauen und Vertrauen gewinnen.

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