Ein Rundgang über die Medica
Düsseldorfer Messe zieht gefühlt weniger Besucher an als noch in den vergangenen Jahren
DÜSSELDORF/TUTTLINGEN - Wer als Aussteller oder Besucher zur Medica, der Leitmesse der Medizintechnik, auf der Messe in Düsseldorf möchte, der benötigt zuallererst eins: Geduld. Die morgendliche Anfahrt gestaltet sich schwierig, die Zufahrtsstraßen sind ebenso überfüllt wie die herannahenden Straßenbahnen. Angesichts dessen ist es schon erstaunlich, dass in den Hallen bei vielen Unternehmen aus dem Landkreis Tuttlingen zu hören ist, dass der Zuschauerzuspruch in diesem Jahr nicht so gut sei.
Daniela Hermann, Geschäftsführerin von Hermann Medizintechnik in Fridingen, hatte dazu mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Sie musste für Montag ihren Flug umbuchen. Wegen der Insolvenz von Air Berlin stieg sie auf Swiss um – und zu allem Überfluss hatte der Flieger noch drei Stunden Verspätung. So wurde aus einer Ankunft am Mittag eine kurz vor Toresschluss des ersten Tages.
Dem Gespräch mit Daniela Hermann gesellt sich am Dienstag Yvonne Glienke hinzu. Die Geschäftsführerin der Tuttlinger Cluster-Initiative Medical Mountains ist auf Rundtour über die Messe, um die Mitgliedsunternehmen auf der Medica zu besuchen. Auf die Frage nach den Neuigkeiten zückt sie freudestrahlend ihr Handy und zeigt die neue App von Medical Mountains, die am Montag der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Die eingekaufte Software biete nun auch den Unternehmen die Möglichkeit, kostengünstig eine App zu erstellen.
Mehr als 30 Milliarden Euro, und damit ein Plus von vier bis fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so viel wird die deutsche Medizintechnik-Branche nach Angaben des Industrieverbands Spectaris in diesem Jahr voraussichtlich im In- und Ausland umsetzen – ein neuer Rekord. Wie sehr die Unternehmen dabei auf das Ausland setzen, ist auch an den Besuchern der Medica zu erkennen. Eine Vielzahl von ihnen kommt unverkennbar aus Asien. Im vergangenen Jahr waren 54 Prozent der Besucher aus dem nichteuropäischen Ausland (35 Prozent aller 128 000 Besucher).
Hebu Medical zieht um
Allerdings ist beim Rundgang nicht zu erkennen, ob es sich bei ihnen um Händler und Kunden handelt oder um Aussteller, die selbst auf einer Runde durch die Messehallen sind. Letzteres wird an nicht wenigen Ständen vermutet, etwa von Deniz Parlak von Fiegert Endotech in Tuttlingen. Und das sei für das Geschäft nicht wirklich förderlich.
Dass die Medica nicht mehr unbedingt der Nabel der MedizintechnikWelt ist, zeigt in diesem Jahr etwa das Fehlen von KLS Martin aus Tuttlingen. Der Implantate-Spezialist ist nur noch alle zwei Jahre in Düsseldorf vertreten. Ähnliches hat nun auch Gimmi aus Tuttlingen vor. Im nächsten Jahr, so berichtet Geschäftsführer Thilo Henzler, bekommt KLS Martin den Gimmi-Platz in Halle 10. 2019 nimmt Gimmi dann wieder den Standort ein. Tuttlingens größter Arbeitgeber, Aesculap, hat sich schon vor Jahren von der Medica verabschiedet.
Die freiwerdenden Flächen können sich andere Unternehmen einverleiben. So ist nun auch Hebu Medical aus Tuttlingen in Halle 10, der inoffiziellen Premium-Halle der Produzenten, zu finden. Noch bis zum vergangenen Jahr musste Geschäftsführer Thomas Butsch den Stand in Halle 13 aufbauen lassen. In Halle 10 hätte durchaus auch Simeon Medical einziehen können. Am bisherigen Standort in Halle 13 präsentieren die Tuttlinger Leuchten und Kameras ohne Kabel. Die Energie kommt mithilfe von Akkus, gesteuert werden die Geräte über Infrarot oder Funk. Laut Geschäftsführer Markus Keussen eine Neuheit. Und er hat auch eine weitere Botschaft dabei: Die schwere Zeit mit Kurzarbeit im Jahr 2015 sei Geschichte, das Unternehmen befinde sich längst wieder in ruhigem Fahrwasser.
In Halle 10 ist der Tuttlinger Endoskope-Hersteller Karl Storz zu finden: Egal, zu welchem Zeitpunkt man an dem Stand vorbeikommt, er ist von vielen Besuchern geradezu bevölkert, die Mitarbeiter ins Gespräch vertieft. Karl Storz präsentiert sich auch als Botschafter der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg: Auf einem Monitor darf sich der Hochschulcampus Tuttlingen der Hochschule Furtwangen mit der Business School Tuttlingen präsentieren.
Dass die Zusammensetzung der Aussteller in den Hallen nicht immer passt, muss Henke-Sass, Wolf aus Tuttlingen, ebenfalls in Halle 10, erleben. Direkt um die Ecke des Endoskope- und Spritzenherstellers wirbt ein Unternehmen aus Asien für ein Erektions-Analyse-System, ein farbliches Sperma-Qualiätsanalyse-System und Penisverlängerungen. Drapiert ist der Stand mit einer Vielzahl von Gummi-Penissen. Der Stand sorgt bei den Besuchern immer wieder für verwunderte Blicke und Schmunzeln.
„My Iris Art“sorgt für Schlange
Dass die Zukunft der Medizintechnik in der Digitalisierung liegt, ist gut in Halle 4 zu sehen. Dort dreht sich nahezu alles um die Sportmedizin. Wurde früher das Laufband nur zum Sport machen verwendet, so dient es nun mithilfe von Dioden und Kameras zur kompletten Analyse der Bewegung. So kann auch etwa die postoperative Therapie passgenau aufs Individuum abgestimmt werden.
Aber es muss sich nicht immer alles um Hightech drehen. Während in Halle 13 viele Händler auf die klassischen chirurgischen Instrumente setzen, sind es in Halle 4 und 5 auch Tapeband, Rollatoren, Liegen, Gymnastikbälle oder Sportgele, die gezeigt werden. Auch Produzenten von Einweg-Gummihandschuhen sind dabei.
Bei all dem Angebot ist eine Kunstaktion aber der absolute Renner bei den Besuchern der diesjährigen Medica und sorgt für eine lange Schlange, fast schon wie am Morgen bei der Anfahrt: Bei „My Iris Art“können sie sich ihre Iris scannen, diese computergesteuert in Kunst verwandeln lassen und als Ausdruck mitnehmen. Dabei wird die Iris um das 200-fache vergrößert. Art“war einer der Besucher-Magneten der Messe. auch