Europa brauche nur seine „Kernelemente“
Bernd Lucke von den Liberal-Konservativen Reformern spricht im Kesselhaus
TROSSINGEN (fawa) - Für ein abgespecktes Europa des gemeinsamen Marktes hat Bernd Lucke MdEP von der Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) am Dienstagabend im Kesselhaus in Trossingen beim sechsten „Witthoher Gespräch" der Wirtschaftsjunioren SchwarzwaldBaar-Heuberg plädiert.
Der Euro-skeptische Hamburger Wirtschaftsprofessor gehörte, nachdem er 33 Jahre lang CDU-Mitglied war, 2013 zu den Mitbegründern der Alternative für Deutschland AfD, trat aber 2015 aus der Partei aus, unter anderem, weil er mit zunehmenden ausländerfeindlichen Ansichten sowie einer prorussischen Außenpolitik nicht einverstanden war. Er gründete daraufhin die Allianz für Fortschritt und Aufbruch – heute „Liberal-Konservative Reformer“.
Auf die „spekulative" Frage, „wohin Europäische Union?", die Teil der vorgegebenen Themenformulierung war, wollte er nicht eingehen, sondern konzentrierte sich auf die „normative" Frage: „Wie viel Europa brauchen wir?" Das Thema beherrscht er aus dem Effeff und ohne Redemanuskript: Er blickte zunächst auf vier Länder in Europa, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind: Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz. Diese hätten gemeinsam, dass sie zum einen wirtschaftlich sehr erfolgreich und zum anderen Mitglieder der Europäische Freihandelsassoziation EFTA sind und damit Teil des EU-Binnenmarkts. „Eigentlich würde uns vielleicht der gemeinsame Markt reichen", folgerte Lucke. „Brauchen wir mehr?"
Seine Antwort: Ja. Denn Voraussetzung dieses gemeinsamen Binnenmarkts sei ein vereinheitlichtes Regelwerk, etwa im Sachen Umweltoder Arbeitsschutz. Voraussetzung dafür sei wiederum eine gemeinsame europäische Gesetzgebung und mithin ein Europäisches Parlament. Dieses wiederum brauche ein gemeinsames Organ wie die Europäische Kommission, die entsprechende Gesetzesinitiativen einbringt.
„Die Kernelemente der EU", so Lucke, Binnenmarkt, Europäisches Parlament und Europäische Kommission, „die brauchen wir einfach." Anders sehe es dagegen beim Europäischen Gerichtshof aus: Dessen Aufgaben könnten seiner Ansicht nach genauso gut von nationalen Gerichten übernommen werden. Und wenig überraschend würde man laut Lucke auch keine gemeinsame Währung brauchen; ja der Euro sei sogar eine „Währung, die Europa gefährdet“, da sie die Schere zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Staaten wieder auseinander gehen lasse.
Dennoch, so Lucke, habe er seine Partei LKR davon überzeugen können, dass ein rechtswidriger Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone falsch und gefährlich wäre.
Brexit war „idiotisch“
Den Brexit und den Zeitpunkt seiner Abstimmung in Großbritannien auf dem Höhepunkt einer populistischen Stimmungswelle im Gefolge der Flüchtlingskrise bezeichnete Lucke als „idiotisch“. Dies sei besonders schade für Deutschland, sei Großbritannien doch dessen „natürlicher Verbündeter“in Sachen Pragmatik, Flexibilität und marktwirtschaftlicher Orientierung.
Eine praktikable Antwort auf die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Immigrations- und Flüchtlingspolitik habe er nicht: Die Länder an der Südgrenze der Europäischen Union dürfe man angesichts wachsenden Flüchtlingsdrucks nicht alleine lassen. Eine vernünftige Lösung wäre eigentlich eine Zwangsverteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten, doch scheitere dies am Widerstand der osteuropäischen Staaten.
Die Fragen der Wirtschaftsjunioren und ihrer Gäste im nicht ganz voll besetzten Kesselhaus gingen vor allem in Richtung Währungspolitik. Ein Verbot von Bargeld (was Voraussetzung für negative Zinsen wäre) zum Beispiel sieht Lucke nicht kommen.