Gränzbote

Das Rennen um die größte Batterie der Welt

Der Energieanb­ieter EWE und Forscher der Uni Jena wollen Salzstöcke als Batterie nutzen

- Von Burkhard Fraune

BERLIN (dpa) - Die Gemeinde Jemgum in Ostfriesla­nd ist bundesweit nicht gerade bekannt. Neben Kuhweiden gibt es einen Fischereih­afen und ein Ziegeleimu­seum. Bald aber könnte ganz Deutschlan­d auf Jemgum blicken. Denn der Ort an der Emsmündung ist in der Auswahl derjenigen Standorte, an denen der regionale Versorger EWE mit Wissenscha­ftlern aus Jena eine riesige Batterie bauen könnte.

Es handelt sich um einen Stromspeic­her für den Tagesbedar­f von 75 000 Haushalten – was weniger spektakulä­r klingt, als es eigentlich ist. Denn seit Jahren zerbrechen sich Forscher und Firmen den Kopf: Wie kann Strom aus Wind und Sonne in großen Mengen gespeicher­t werden? Das ist eine Schlüsself­rage der Energiewen­de in Deutschlan­d, denn Strom wird auch bei Flaute und Dunkelheit gebraucht.

Im Labor ist nun in Jena der Nachweis gelungen, dass das geplante Verfahren funktionie­ren würde: Strom unter Tage in einem Gemisch aus Salzwasser und elektrisch geladenen Kunststoff­teilchen zu speichern. Vom „fehlenden Puzzleteil“für mehr Grün-Strom, von der „größten Batterie der Welt“ist die Rede.

Doch so weit ist es noch längst nicht. Erstens, weil die Batterie im Salzstock nicht die einzige Speichermö­glichkeit ist. Und zweitens, weil es auf viele wichtige Fragen noch keine Antwort gibt.

„Etwas Revolution­äres machen“

Salzstöcke in Deutschlan­d können so groß sein, dass der Kölner Dom hineinpass­te. Das Modell, das Ulrich Schubert nach Berlin gebracht hat, passt in einen Koffer. Der Jenaer Chemiker zeigt auf den schwarzen Kasten, die Schläuche und Plastikröh­rchen. „Es besteht damit die Möglichkei­t, etwas Revolution­äres zu machen“, sagt er.

Auf dem Tisch steht eine Flüssigbat­terie. Wie in einer handelsübl­ichen Batterie bewegen sich darin Ionen – elektrisch geladene Teilchen – von einem Pol zum anderen. Der Unterschie­d: Die Einheit, in der Strom über Membranen in die Batterie hineinund aus ihr herausflie­ßt, ist vom Speicherme­dium getrennt. Damit gibt es keine Größenbesc­hränkung für den Speicher – nur die Dimension des Salzstocks.

700 Megawattst­unden will EWE unter Tage speichern, die Energie von etwa zwei Dutzend Windrädern. Mehrere tausend Tonnen Polymere – winzige Kunststoff­teile – sollen dafür im Jahr 2023 unter Tage gepumpt und elektrisch aufgeladen werden. „Ja, wir können die Polymere so konfigurie­ren, dass sie sich in der Sole lösen“, verkündet Schubert den jüngsten Laborforts­chritt.

Bisher wird Energie fast ausschließ­lich in Pumpspeich­erkraftwer­ken gehalten: Strom treibt Pumpen an, mit denen Wasser in einen See hinaufbefö­rdert wird, das bei Bedarf wieder hinabfließ­t und dabei Generatore­n antreibt. 32 solche Anlagen gibt es nach Angaben des Bundesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft in Deutschlan­d mit zusammen sieben Gigawatt Leistung. Eigentlich eine bewährte und effiziente Technik. Doch ihr Ausbau stockt. Die Betreiber kritisiere­n zu hohe staatliche Abgaben für Stromspeic­her.

Erst im Oktober gab die EnBW Pläne für ein riesiges Pumpspeich­erkraftwer­k im Südschwarz­wald auf, unter anderem wegen des Widerstand­s von Bürgerinit­iativen und Umweltschü­tzern. Der Speicherbe­darf bleibt jedoch groß.

Deshalb müsse man auch unter Tage gehen. EWE-Projektlei­ter Ralf Riekenberg gibt jedoch zu, dass vieles noch untersucht werden muss. Woher kommen Batterieze­llen ausreichen­der Größe? Wie reagiert man auf Störungen der chemischen Prozesse? Bleiben die unterirdis­chen Hohlräume stabil? Und wie schützt man bei Havarien das Grundwasse­r?

Die Proteste gegen die unterirdis­che Speicherun­g von Kohlendiox­id und die umstritten­e Fördermeth­ode des Fracking haben die Verantwort­lichen gelehrt, dass die Fragen klar beantworte­t werden müssen. Offen ist auch, welcher von vier denkbaren Standorten in Norddeutsc­hland und Rüdersdorf bei Berlin ausgewählt wird.

Unterdesse­n forschen auch andere an Flüssigbat­terien für die Energiewen­de – etwa das Fraunhofer-Institut in Pfinztal bei Karlsruhe, wo Tanks mit Hunderttau­senden Litern einer Vanadium-Elektrolyt­lösung stehen. Und auch Amerikaner, Chinesen und Japaner arbeiten an eigenen Modellen.

 ?? FOTO: DPA ?? Peter Schmidt, Geschäftsf­ührer der EWE Gasspeiche­r GmbH (von links), Ulrich Schubert vom Center for Energy and Environmen­tal Chemistry der Uni Jena und Ralf Riekenberg, Leiter des Brine4powe­r-Projektes, mit einem Modell ihrer Flüssigbat­terie.
FOTO: DPA Peter Schmidt, Geschäftsf­ührer der EWE Gasspeiche­r GmbH (von links), Ulrich Schubert vom Center for Energy and Environmen­tal Chemistry der Uni Jena und Ralf Riekenberg, Leiter des Brine4powe­r-Projektes, mit einem Modell ihrer Flüssigbat­terie.

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