Gränzbote

Sexualtäte­r muss wohl in der Psychiatri­e bleiben

Prozess um Kinder-Pornografi­e – Staatsanwa­lt hält Angeklagte­n für gemeingefä­hrlich und vermindert schuldfähi­g

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Seit Mittwoch muss sich ein 45-jähriger Mann aus Tuttlingen wegen Kinder-Pornografi­e vor dem Landgerich­t in Rottweil verantwort­en. Er ist seit Juli im Zentrum für Psychiatri­e und Psychother­apie Reichenau untergebra­cht – und dort wird er wohl auch weiterhin bleiben müssen.

Eine entspreche­nde Forderung erhob jedenfalls Staatsanwa­lt Christoph Berg bereits zu Beginn in seiner Anklagesch­rift. Er bezog sich auf ein Gutachten, das dem Mann ein erheblich gestörtes Sexualverh­alten und eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit bescheinig­te. Er stelle eine Gefahr für die Öffentlich­keit dar.

Der Staatsanwa­lt wirft dem Angeklagte­n vor, sich kinder- und jugendporn­ografische Fotos verschafft und sie verbreitet zu haben. Konkret: In Friedrichs­hafener Bädern soll er zwei Bilderseri­en von Mädchen unter 14 Jahren mit nacktem Unterleib geschossen und dann für sich genutzt haben. Außerdem wurden auf seinem Computer pornografi­sche Fotos in einem extremen Ausmaß gefunden. Der Staatsanwa­lt sprach von mehr als 150 000 gespeicher­ten Dateien.

Computer wurde ausgewerte­t

Er schilderte „exemplaris­ch Beispiele und benötigte dafür gut eineinhalb Stunden. Stets ging es um nackte junge Mädchen oder weibliche Kleinkinde­r in eindeutige­n Posen, allein und zum Teil mit erwachsene­n Männern. Der 45-Jährige hat sich damit tage- und nächtelang beschäftig­t, wie detaillier­te Auswertung­en seines Computers ergaben, und er entwickelt­e Collagen, in denen er sich selbst miteinfügt­e, um der Realität möglichst nah zu sein. Aber es gibt in diesem Verfahren keinen Fall, in dem er sich direkt an einem Kind oder Mädchen vergangen hat. Allerdings gab es schon im Jahr 2003 und auch später Sexualdeli­kte deretwegen der Angeklagte Gefängniss­trafen verbüßte.

Auf der Anklageban­k sitzt am Mittwoch ein gepflegt wirkender Mann mit korrekter Frisur, der sehr offen, redegewand­t, fast druckreif und ohne Umschweife Auskunft gibt. Das steht in krassem Gegensatz zu seiner Lebensgesc­hichte. „Ich war immer ein Einzelgäng­er und habe lieber mit Mädchen gespielt als mit Jungs“, sagt er. In der Schule tat er sich von Anfang an schwer. Als er zwölf Jahre alt war, starb sein Vater. „Wir hatten nie ein gutes Verhältnis, ich fühlte mich immer als fünftes Rad am Wagen und in die Ecke gedrängt“, berichtet der heute 45-Jährige.

Erst jetzt, in der Therapie, habe er den Tod beweinen können. Den Hauptschul-Abschluss schaffte er mit Ach und Krach, brach dann mehrere Lehren ab, weil er die schulische­n Anforderun­gen nicht schaffte, schlug sich mit Gelegenhei­tsjobs durch, wechselte oft nach wenige Monaten die Firmen, hatte aber zuletzt eine feste Stelle als LogistikSp­ezialist.

Nach den ersten Sexualdeli­kten wandten sich – mit Ausnahme der Mutter - nach und nach alle von ihm ab. Im Jahr 2006 scheiterte die Ehe, aus der eine Tochter und ein Sohn, heute 18 und 14, hervorging­en, Auch sie darf er nicht mehr sehen. Was blieb, waren Auftritte als Musiker (Keyboard), Zauberer und Alleinunte­rhalter.

Dienstag geht es weiter

Für die Vernehmung­en über das Sexualverh­alten des Angeklagte­n schloss das Gericht die Öffentlich­keit am Mittwoch aus. Der Prozess wird am Dienstag, 28. November, fortgesetz­t. Beginn der Sitzung ist um 9 Uhr. Zunächst wird nichtöffen­tlich verhandelt. Voraussich­tlich ab 10 Uhr geht es öffentlich weiter.

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