Gemeinden suchen Integrationsmanager
Im Interview spricht Marc Molsner über Erfolge und Verbesserungsbedarf in der Integration
KREIS TUTTLINGEN (saf) - Neben seiner Arbeit als Jugendreferent in Aldingen ist Marc Molsner derzeit vor allem als Integrationsbeauftragter für Asylbewerber eingespannt. Weil auf die Gemeinde immer mehr Aufgaben zukommen, braucht er Unterstützung. Aldingen hat gemeinsam mit den Nachbargemeinden Balgheim, Böttingen, Denkingen, Frittlingen und Mahlstetten eine Stelle als Integrationsmanager/in ausgeschrieben. Anlässlich dessen hat Stefan Fuchs den umtriebigen Sozialpädagogen getroffen.
Herr Molsner, weshalb braucht Aldingen einen Integrationsmanager oder eine Integrationmanagerin?
Das liegt vor allem daran, dass sich derzeit einige Zuständigkeiten weg vom Land, hin zu den Kommunen verschieben. Wer als Asylbewerber anerkannt oder seit zwei Jahren hier ist, der fällt unter kommunale Verantwortung. Die großen Fluchtbewegungen haben 2015, also genau vor zwei Jahren angefangen – damit kommt ein Schwung neuer Aufgaben auf uns zu. Derzeit werden zum Beispiel die beiden Unterkünfte in der Heubergstraße und in der Steigstraße umgebaut. Bisher waren die Gebäude Gemeinschaftsunterkünfte unter Landkreisverwaltung. Jetzt bauen wir sie um in kommunale Unterkünfte, weil die Bewohner alle zwei Jahre hier oder anerkannt sind. Wer zwei Jahre in einem Land lebt, braucht etwas anderes als Gemeinschaftsduschen und Mehrbettzimmer. In den Gebäuden entstehen deshalb Wohnungen auf einfachem Sozialhilfeniveau. Wir haben dann also hier in Aldingen und in den Gemeinden ringsum bald viele Menschen untergebracht, für deren Integrationshilfe nur noch wir verantwortlich sind, nicht der Landkreis. Wir sind jetzt schon voll ausgelastet, deshalb brauchen wir Unterstützung.
Welche Aufgaben soll der oder die Neue übernehmen?
Zuerst einmal geht es darum, unser Team im Integrationsbüro zu verstärken. Wir helfen bei Behördengängen, Krankheiten, rechtlichen Fragen und mehr. Außerdem vermitteln wir bei der Arbeitssuche oder wenn sich jemand ehrenamtlich engagieren möchte - von außerhalb oder aus den Reihen der Asylbewerber. Derzeit haben wir bei unseren limitierten Öffnungszeiten lange Schlangen zu bewältigen. Die Aufgaben sind vielfältig, aber hauptsächlich konzentrieren sie sich auf zwei Aspekte.
Die wären?
Das eine Hauptthema ist die Integration von Frauen. Das ist mir auch persönlich eine Herzensangelegenheit. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass Frauen in Integrationsprozessen gerne mal „durchrutschen“. Das kann passieren, wenn sie beispielsweise ein Kind bekommen und dadurch erst einmal nicht mehr zu Sprachkursen kommen können. Da geht viel verloren, gerade in der Anfangszeit. Und wer einmal länger nicht da war, der kommt vielleicht später gar nicht mehr. Zudem gibt es große Unsicherheiten bei vielen Frauen, die nicht wissen, wie sie in der neuen Gesellschaft zurecht kommen können. Das Gute ist: bei intensivem Kontakt ist das Interesse an Integrationshilfe für Frauen soll eine der Hauptaufgaben am neu geschaffenen Arbeitsplatz sein. Ein wichtiges Mittel sind Sprachkurse. der Teilhabe durchaus da. Das soll auch einer der Schlüsselpunkte für den oder die Neue sein. Ich bin mir sicher: Wenn man die Frauen vergisst, dauert es viel länger, bis sich Kulturen annähern und Integration gelingt. Das andere ist der Arbeitsmarkt. Es sind zwar noch nicht alle in Ausbildung oder in Arbeitsverhältnissen, aber alle sind auf dem Weg dahin. Entweder in Sprachkursen oder in Vorausbildungsmaßnahmen. Also: Es tut sich was. Viele Bildungsträger haben interessante Konzepte entwickelt, wie wir Asylbewerber besser auf den Arbeitsmarkt vorbereiten können. Und das ist auch notwendig. Die Motivation ist bei den meisten unseren Jungs und Mädels hoch, die Schulbildung leider nicht immer. Das aufzuholen und auszugleichen muss das Ziel sein. Die meisten werden wir am Ende in den Arbeitsmarkt integrieren können, möglichst viele mit etwas Geduld auch mit einer Ausbildung.
Wie lange dauert das?
Das ist natürlich von Fall zu Fall verschieden, aber wir können ein praxisnahes Rechenbeispiel durchführen. Jemand, der ohne Deutschkenntnisse hier ankommt, braucht etwa zwei Jahre für den Spracherwerb. In dieser Zeit kann er schon diverse Praktika machen. Danach geht er für ein Jahr in eine Fortbildungsmaßnahme, um die Grundlagen für den Arbeitsmarkt zu erlernen. Nach diesen drei Jahren geht es dann in die Ausbildung. Nach insgesamt fünf oder sechs Jahren ist er dann also mit allem durch. Natürlich wäre das ein Beispiel, in dem alles gut läuft. In manchen Fällen brauchen wir sicher mehr Zeit oder das Ausbildungsziel kann nicht direkt erreicht werden. Es gibt aber auch Fälle in denen es schneller geht. Eine junge Dame hat in ihrer Heimat Architektur studiert, die kann zumindest als technische Zeichnerin relativ schnell durchstarten.
Wie lautet Ihr Fazit zur Integration in Aldingen?
Abschließend kann ich natürlich noch kein Urteil fällen, aber ein kleines Zwischenfazit ist möglich. Es läuft weder alles wunderbar und reibungslos, noch läuft alles schlecht. Wir sind auf jeden Fall auf einem guten Weg. Natürlich können wir zum Beispiel den Fachkräftemangel auch hier allein durch die Zuwanderung nicht aus dem Stand lösen. Aber ich halte vieles für möglich, wenn Industrie, Ausbildungsträger und Bewerber alle wollen. Momentan stehen wir an einem Punkt, an dem wir die ersten Auswirkungen unserer Arbeit sehen. Einzelne Ausbildungsverhältnisse bestehen schon jetzt, 2018 werden es noch deutlich mehr werden. Andere sind schon fest angestellt mit oft positivem Feedback der Arbeitgeber. Fast noch wichtiger sind für mich aber die vielen interkulturellen Freundschaften, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind. Viele Flüchtlingsfamilien haben mittlerweile persönliche Freundschaften zu Einheimischen geknüpft. Gemeinsam werden Veranstaltungen geplant (Fest der Kulturen im April) oder in der Jugendarbeit gewirkt. Das ist gelebte Integration. Eins freut mich besonders: Es deutet sich an, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben.