Wer nicht absagt, riskiert Praxisverweis
Immer mehr Patienten nehmen Termine nicht wahr – Vor allem Fachärzte sind betroffen
Immer mehr Patienten nehmen Arzttermine nicht wahr.
TUTTLINGEN - Immer mehr Patienten kommen nicht zu ihren vereinbarten Terminen in die Arztpraxis – ohne vorher abzusagen. Dieser Leerlauf stellt die Tuttlinger Mediziner immer wieder vor Probleme und verursacht Kosten, sodass über Sanktionen nachgedacht wird.
Die hausärztliche Gemeinschaftspraxis im Ärztehaus Tuttlingen hat vor rund zwei Jahren folgendes Modell eingeführt: „Wer ohne rechtzeitige Entschuldigung dreimal nicht zum vereinbarten Termin erscheint, dem empfehlen wir, den Hausarzt zu wechseln“, sagt der Facharzt für Innere Medizin, Thomas Engels. Dies sei notwendig geworden, weil es immer mehr Patienten gegeben habe, die etwa eine halbe Stunde vor Termin oder gar nicht abgesagt haben.
„Wir haben Engpässe in der hausärztlichen Versorgung“, sagt Engels. Im Kreis Tuttlingen seien 15 Hausarztsitze nicht besetzt. Die ausgefallenen Termine und der damit verbundene Leerlauf verschärfe die Situation zusätzlich. Zudem können Kosten entstehen. Auch gerate der Rhythmus, in dem die Patienten in der Praxis dran kommen, aus dem Takt. Seitdem die Gemeinschaftspraxis unzuverlässige Patienten sanktioniere, sei es „tatsächlich besser“geworden, sagt Engels: „Es hat Wirkung gezeigt.“Im Endeffekt mussten nicht viele Patienten der Praxis verwiesen werden, es seien zwei bis drei Personen gewesen.
„Es kommt öfter vor, dass Patienten Termine nicht wahrnehmen, ohne diese rechtzeitig abzusagen“, sagt Zahnarzt Dr. Hans-Joachim Schäfer von der Gemeinschaftspraxis Dres. Schäfer, Mazuw und Frech. „Wenn es ein- bis zweimal passiert, ist das nicht so tragisch. Kommt es regelmäßig vor, vereinbaren wir mit dem Patienten keine Termine mehr.“
Zahnärzte seien überlaufen, da komme es darauf an, Termine einzuhalten – andere Patienten müssten sonst unnötig lange auf einen Termin warten. Es bestehe auch die Möglichkeit, dem Patienten den ausgefallenen Termin in Rechnung zu stellen. Dies werde in der Regel aber nicht vorgenommen.
Fehlzahlen sind von Praxis zu Praxis sehr unterschiedlich
Dem Pressesprecher der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Kai Sonntag, ist das Problem bekannt. Die Anzahl der Patienten, die unentschuldigt einen Termin sausen lassen, seien jedoch von Praxis zu Praxis sehr unterschiedlich: „Bei Fachärzten kommt es häufiger vor – bis zu 30 Prozent.“
Bei ambulanten Operationen seien die Fehlzahlen niedriger als bei Vorsorgeuntersuchungen ohne Dringlichkeit. Konkrete Zahlen liegen der KVBW aber nicht vor. Bei Fachärzten sei es oft so, dass Termine weit in der Zukunft liegen: „Dabei ist das Risiko höher, dass der Termin nicht wahrgenommen wird.“Bei Hausärzten werden oft keine Termine vereinbart, sondern der Patient komme einfach in die Praxis, wenn er krank sei, sagt Sonntag. Wenn hier Termine vereinbart werden, seien diese meist sehr kurzfristig.
Alle gesetzlich Versicherten haben einen Behandlungsanspruch durch einen Arzt, erklärt Sonntag. Die Behandlung könne jedoch nicht zustande kommen, wenn die Praxis keine weiteren Patienten mehr aufnehmen könne oder das Arzt-Patienten-Verhältnis gestört sei. Letzteres sei der Fall, wenn der Patient wiederholt unentschuldigt nicht zu verabredeten Terminen erscheine – der Mediziner könne dann weitere Termine verweigern. „Medizinische Notfälle muss der Arzt aber behandeln“, sagt Sonntag. Der Gesetzgeber hat genau definiert, was ein medizinischer Notfall ist. Dieser liege vor, wenn das Leben des Patienten akut bedroht sei oder das Risiko bestehe, dass er eines seiner Gliedmaßen oder ein Sinnesorgan verliere: „Die Hürde ist also sehr hoch“, sagt Sonntag.