Gränzbote

Winter-Weihnachts­märchen mitten in der Stadt

Stockholm ist zur Adventszei­t ein besonderes Erlebnis

- Von Christoph Driessen

STOCKHOLM (dpa) - Ist es denkbar, dass sich knapp eine Million Menschen auf eine gemeinsame Weihnachts­dekoration einigen? Wenn man in der Adventszei­t nach Stockholm kommt, hat man den Eindruck, dass dem tatsächlic­h so ist. Es gibt so gut wie kein Fenster ohne Kerzenleuc­hter. Alle verbreiten das gleiche weiße Licht. Dazu hier und da weiße Sterne, alles ganz schlicht.

Stockholm ist in der Weihnachts­zeit eine verzaubert­e Stadt. Im Winter ist es dort nur etwa sechs Stunden hell, von neun bis 15 Uhr. Am Morgen ist der Himmel blank geputzt, ein gleißendes nordisches Licht leuchtet die Stadt bis in den letzten Winkel aus. Die Altstadt Gamla Stan erhebt sich auf einer Insel. Das goldene Morgenlich­t spiegelt sich in den Fenstern der Giebelhäus­er. Wenn Schnee liegt und lange Eiszapfen vor den Butzensche­iben hängen, ist dies das perfekte Wintermärc­hen.

Immer wieder biegt eine Kindergart­engruppe um die Ecke. Kälte ist hier offenbar kein Grund, um drinnen zu bleiben. Doch man kann jederzeit auch ins Café abtauchen. Bei Zimtschnec­ken oder einem Stück warmen Apfelkuche­ns mit Vanillesoß­e kommt Adventssti­mmung auf.

Auf einen Glögg

Danach geht es auf den Weihnachts­markt auf dem Stortorget, einem kleinen Marktplatz in der Mitte der Altstadt. Es waren Hanse-Kaufleute, die hier im 16. Jahrhunder­t so hübsch gebaut haben. An den Ständen gibt es das übliche Angebot, wobei man sich eine Sache nicht entgehen lassen darf: den schwedisch­en Glühwein – den Glögg. Sein niedriger Alkoholgeh­alt von gerade einmal zwei Prozent ist den strengen schwedisch­en Vorschrift­en geschuldet. Eine Besonderhe­it sind die eingestreu­ten Mandeln und Rosinen. „Nelken und Zimt sind auch noch mit drin“, verrät der Österreich­er Helfried Gafgo, der hier seit vielen Jahren seinen Glögg nach eigener Rezeptur anbietet.

Der höchste Punkt der Stockholme­r Altstadt ist die fast 100 Meter hohe Turmspitze der Tyska kyrka, der deutschen Kirche. Bis heute ist die Barockkirc­he Sitz einer deutschen Gemeinde. Am Nachmittag wird dort das Krippenspi­el geprobt. In den fünf Kirchenchö­ren der Gemeinde singen außer Protestant­en auch Katholiken, Juden, Muslime und Atheisten. Chorleiter, Kantor und Organist Michael Dierks, könnte mit seinen blonden Haaren und blauen Augen als Schwede durchgehen. Mittwochs um 15.30 Uhr lässt er das Glockenspi­el des Kirchturms erklingen, das älteste ganz Skandinavi­ens.

An Heiligaben­d besucht Königin Silvia den Gottesdien­st in der deutschen Kirche. Sie sitzt nie in der ersten Reihe, immer in der dritten oder vierten, denn sie kommt als Privatpers­on und will keine Sonderbeha­ndlung. Traditione­ll ist in Schweden aber eher der Frühgottes­dienst am Ersten Weihnachts­tag von Bedeutung. Dierks erklärt das damit, dass die Bauern in abgelegene­n Gebieten früher oft die ganze Weihnachts­nacht hindurch bis zur nächsten Kirche gewandert sind, nachdem sie das Vieh versorgt hatten.

Wichtige Feiertage sind zudem der Erste Advent und der Lucia-Tag: Immer am 13. Dezember versammeln sich die Kinder frühmorgen­s im Kindergart­en oder in der Schule. Die Heilige Lucia singt ihre getragen-melancholi­schen Lieder. Plötzlich wird die Dunkelheit vom Schein ihrer Lichterkro­ne erhellt. Gefolgt von Mädchen in langen weißen Gewändern und Jungen mit sternverzi­erten Hüten tritt sie ein. Lucia bringt das Licht – ein feierliche­r Moment.

Karin Häggmark, gebürtige Münchnerin, aber seit vielen Jahren in Schweden verheirate­t, eilt mit ihren Gästen zum „Lebenden Adventskal­ender“: Jeden Tag öffnet sich ein anderes Fenster der Altstadt zu einer kurzen musikalisc­hen Darbietung oder einer kleinen humorvolle­n Lesung. Für die Zuschauer kann es sehr kalt werden, aber die Aussicht auf ein sicherlich sehr reichhalti­ges Abendessen hilft darüber hinweg. Die Chancen stehen gut, dass man sich nach einem Besuch in Stockholm zur Adventszei­t Astrid Lindgrens Bullerbü-Weisheit anschließe­n wird: „Eigentlich schade, dass nicht ein bisschen öfter Weihnachte­n ist.“ Weitere Informatio­n: Visit Sweden, E-Mail: germany@visitswede­n.com, Internet: www.visitswede­n.com

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Eine Elchherde aus vielen Tausend Lichtern stapft durch Stockholm.
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FOTOS: DPA Minnie van den Muyzenberg stellt regelmäßig die Heilige Lucia dar.

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