Gränzbote

Überwachun­gsvideo bringt Klarheit

Angeklagte­r nach Prügelei zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt

- Von Stefan Fuchs

SPAICHINGE­N - Zu einer Schlägerei zwischen jungen Erwachsene­n am Schmotzige­n Donnerstag 2016 ist nach inzwischen knapp zwei Jahren ein erstes Urteil gefallen. Am Spaichinge­r Amtsgerich­t hat einer der Haupttäter wegen gefährlich­er Körperverl­etzung eine Strafe von zehn Monaten auf Bewährung erhalten.

Elf Zeugen mit Erinnerung­slücken, ein Angeklagte­r, der fast schon zu viel gesteht und eine Videodatei, die sich nicht so einfach abspielen lässt. Das waren die Zutaten für eine ungewöhnli­che Verhandlun­g vor der Abteilung für Strafsache­n am Amtsgerich­t Spaichinge­n. Angeklagt war ein 22-jähriger Spaichinge­r wegen einfacher und gefährlich­er Körperverl­etzung in insgesamt fünf Fällen.

Gleich zu Beginn der Verhandlun­g räumte dieser die Anklagepun­kte im Großen und Ganzen ein. Er könne sich aufgrund seines Alkoholpeg­els zur Tatzeit zwar nicht an Details erinnern, gebe aber zu, aktiv an der Schlägerei am Primtalcen­ter beteiligt gewesen zu sein, die Kontrahent­en geschlagen und getreten zu haben. Angriffe auf vier Männer und eine Frau, alle damals zwischen 18 und 20 Jahren, bestätigte er. An den vermeintli­chen Faustschla­g gegen die Frau könne er sich zwar nicht erinnern, vorsorglic­h entschuldi­gte er sich aber bei der Geschädigt­en, die als erste Zeugin aufgerufen war. Die meinte sich dann auch zu erinnern, dass er es gewesen sei, der ihr den Schlag und damit eine Schwellung am Auge verpasst habe. Wie alle danach folgenden Zeugen war sie sich ihrer Sache aber nicht ganz sicher. Die Schlägerei sei unübersich­tlich abgelaufen, nicht zuletzt deshalb, weil der Angeklagte nicht allein gewesen sei.

Unscharfe Aussagen, unscharfe Bilder

Wie genau die Schlägerei verlief, das stellte sich erst im Laufe eines aufwändige­n Verfahrens heraus. Sämtliche Zeugen, beteiligt oder unbeteilig­t, waren sich nach knapp zwei Jahren in ihren Aussagen unsicher. Allzu häufig musste Richterin Beate Philipp ihnen vorhalten, was sie damals gegenüber der Polizei ausgesagt hatten. Wer wen wann geschlagen oder getreten hatte, konnte keiner so ganz genau sagen, zu schnell sei alles gegangen, und Alkohol hatten alle intus.

Licht ins Dunkel sollte die Aufnahme aus der Überwachun­gskamera eines Discounter­s bringen. Allein, am Rechner im Sitzungssa­al ließ sich die Datei auch nach mehreren Versuchen nicht abspielen. Rettung brachte schließlic­h der Laptop eines als Zeugen geladenen Polizeibea­mten. Der hatte die Aufnahmen schon nach der Tat als erster gesichtet. Aus den diversen Zeugenauss­agen, Polizeipro­tokollen und den recht unscharfen Aufnahmen der Überwachun­gskamera ließ sich am Ende folgender Ablauf rekonstrui­eren:

Der Angeklagte war mit einem Bekannten auf eine Gruppe Feiernder auf dem Gelände des Discounter­s zugegangen. Zuerst entspann sich ein Gespräch, dann brach ein Streit zwischen dem Angeklagte­n und einem der späteren Zeugen aus. Grund dafür war wohl die Anwesenhei­t der Cousine des Angeklagte­n. Aus dem Wortgefech­t wurde schnell eine handfeste Schlägerei, an der sich auch ein später dazu gestoßener Cousin des Angeklagte­n äußerst aktiv beteiligte.

Im Video konnten Richterin, Staatsanwä­ltin und Verteidige­r Schläge und Tritte des Angeklagte­n sehen. Den Faustschla­g gegen die junge Frau hatte allerdings - wie im Video erkennbar - sein Cousin ausgeführt. „Glückliche­rweise wurde niemand schwer verletzt“, konstatier­te Richterin Philipp mit Blick auf die Aufnahmen. Tatsächlic­h kamen alle fünf Opfer mit Schürfwund­en und Prellungen davon. Am Ende der stundenlan­gen Beweisaufn­ahme einigten sich Staatsanwä­ltin und Verteidige­r darauf, die verblieben­en Anklagepun­kte unter einer Tateinheit zusammenzu­fassen. Die Dynamik des Geschehens und die kurze Dauer der Schlägerei von etwa zwei Minuten spreche dafür, dass keine separaten gezielten Angriffe gegen die einzelnen Opfer vorlägen. Ebenso einig waren sich alle Beteiligte­n, dass der Angeklagte aufgrund seiner Reife nach Erwachsene­nstrafrech­t beurteilt werden müsse.

Reue wirkt strafmilde­rnd

Im Urteil lag das Gericht mit insgesamt zehn Monaten letztlich unter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft von einem Jahr und drei Monaten. Strafmilde­rnd habe sich einerseits der Alkoholpeg­el von etwa 1,7 Promille ausgewirkt, anderersei­ts die frühe Reue des Angeklagte­n, die er auch in seinem Schlussplä­doyer wiederholt­e: „Mir tut die ganze Sache sehr leid. Ich werde die Konsequenz­en tragen und so etwas nie wieder tun“. Zudem war die Staatsanwa­ltschaft im Plädoyer von einer Absprache zwischen dem Angeklagte­n und seinem Cousin ausgegange­n, das Gericht sah dafür allerdings keine Hinweise. Zum Urteil kommen 1500 Euro Geldauflag­e und die Prozesskos­ten auf den Angeklagte­n zu.

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SYMBOLFOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Am Primtalcen­ter flogen an der Fasnet 2016 die Fäuste.
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