Und ewig wühlt die Wildsau
Jäger und Landwirte in Nendingen einigen sich nach Gespräch auf Drückjagd
TUTTLINGEN-NENDINGEN - Milde Winter und ein gutes Nahrungsangebot: Das Schwarzwild hat sich in den vergangenen Jahren stark vermehrt. Das berichten auch Nendinger Landwirte, die die Spuren der Wildtiere in ihren Äckern und Feldern sehen: zerwühlte Erde, angehobene Grasnarben. Nach einer Aussprache zwischen Jagdpächtern, Landwirten und Ortschaftsräten hat man sich darauf geeinigt, dass Anfang Januar eine Drückjagd auf Nendinger Gemarkung stattfinden soll, mit dem Ziel, die Wildschwein-Population zu dezimieren.
Nendingens Ortsvorsteher Franz Schilling liegt daran, Ruhe in das Thema zu bringen. „Uns geht es darum, dass die Zahl der Wildschweine reduziert wird“, sagt der Ortsvorsteher, der im Nebenerwerb Landwirt ist und vor allem Kartoffeln anbaut. Doch in diesem Jahr, vor allem im Herbst, seien mehr Wildschweine unterwegs gewesen, als im Schnitt die Jahre davor. „Erst seit etwa zehn Tagen, durch Schnee und Frost, ist es etwas ruhiger“, erzählt Josef Schilling, ein weiterer Nendinger Landwirt. Die Tiere würden vor allem durch Hafer, Winterweizen und Grünland angezogen werden. Josef Schilling: „Bei mir wurden einige Felder durchwühlt, teilweise musste ich neu einsäen.“
100 Euro beträgt die Bagatellgrenze, die die Stadt Tuttlingen mit den Jagdpachtverträgen festgelegt hat. Schäden, die unterhalb dieser Summe anfallen, müssen die Landwirte selbst tragen. In Nendingen gibt es vor allem kleinstrukturierte Felder, Grundstücke mit 20, 30 Ar. „Bis ich einen Schaden über 100 Euro habe, müssten sie mir schon das ganze Feld durchwühlen“, sagt Josef Schilling auf Nachfrage unserer Zeitung. Das ist bei ihm nicht der Fall, auch nicht bei den Getreidefeldern: „Also gehe ich jedes mal leer aus.“
Zu Unrecht kritisiert
Um diese Diskrepanz ging es auch bei der Aussprache zwischen Jägern und Landwirten vor wenigen Wochen. Die Landwirte beklagen Schäden, die sie nicht erstattet bekommen. Etliche Jagdpächter fühlen sich kritisiert, weil sie zu wenig tun würden und mehr Schwarzwild schießen sollten. Zu unrecht, wie ein Jäger gegenüber unserer Zeitung sagt: „Fachleute sind sich einig, dass es schwierig ist, eine Wildsau zu erlegen.“Die Tiere seien unberechenbar. Er hat einen Begehungsschein, der ihm erlaubt, im Gebiet eines Revierpächters zu jagen. Er beklagt, dass er nicht mehr in die Jagdpacht nach Nendingen fahren kann, ohne dass er auf die Wildschäden angesprochen werde. „Ich als Begehungsscheininhaber bin da der falsche Ansprechpartner“, sagt er und verweist auf den Jagdpächter. Die Anschuldigungen und die Art der Auseinandersetzung seien so hochgekocht, dass er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ich habe keine Lust auf angesägte Hochsitze und durchstochene Reifen.“
Von einer Wildschweinplage speziell in Nendingen kann indes keine Rede sein, schreibt die Stadtverwaltung Tuttlingen in einer Stellungnahme. Das Schwarzwild habe sich in den vergangenen Jahren stark vermehrt, Nendingen stelle keinen Sonderfall dar. Die Jagdpächter würden sich nach ihren Kräften bemühen, Wildschweine zu erlegen. Schwarzwild unterliege keiner Abschussplanung, sodass es keine zahlenmäßigen Vorgaben gibt.
Das Gespräch in Nendingen, bei dem auch der Forstrevierleiter der Stadt Tuttlingen, Hubert Geiger, anwesend war, „fand in einer überwiegend sachlichen Atmosphäre statt“, so Stadtsprecher Arno Specht. „Allerdings brachte es keine neuen Erkenntnisse, da sich die politischen Vertreter und die Vertreter der Landwirtschaft sehr zurückhielten“, heißt es weiter. Und: Die Zusage der örtlichen Jagdpächter zur Durchführung einer Jagd sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Lösungen finden, nicht Schuldige
Laut des Ortsvorstehers hat es in den vergangenen Wochen bereits Jagden gegeben, die auch auf Nendinger Gemarkung stattgefunden hätten. Bei der ersten Jagd hätten Nendinger Jäger fünf Wildschweine erlegt, bei der zweiten seien ebenfalls Wildschweine auf Ortschaftgebiet geschossen worden. Die Drückjagd, die am 13. Januar geplant ist, begrüßt Schilling ausdrücklich: „Das ist der Wunsch“, sagt er auch als Landwirt. Im Übrigen gehe es nicht darum, Schuldige zu finden, sondern Lösungen.
Als kontraproduktiv bezeichnet der Begehungsscheininhaber die Tatsache, dass Schilling in seinem Waldstück alte Kartoffeln, Hasenmist und Grünpflanzen abgelegt habe: „Das sieht aus wie Futterstellen für Wildschweine“, findet er. Schilling hält dagegen, dass er sich dafür das Okay vom Bereich Liegenschaften der Stadtverwaltung Tuttlingen eingeholt habe. „Da lagen zwölf alte Kartoffeln mit drin. Wenn man nicht mehr weiter kommt, dann holt man solche Sachen hervor“, ärgert sich der Ortsvorsteher.
Zu 99 Prozent habe er es geschafft, dass die unterschiedlichen Ansichten von Jägern und Landwirten sachlich ausgetragen würden. Schilling: „Aber es gibt halt immer zwei, drei auf jeder Seite, die anders tun.“
Die Stadtverwaltung „will das nun nicht hochspielen“, heißt es in der Stellungnahme: „Das Ausmaß war gering, und die Kartoffeln sind auch schon wieder weggeräumt.“Nur wenn es sich um einen ganzen Sack Kartoffeln gehandelt hätte, hätte dies als wilde Müllentsorgung angezeigt werden können, sagt Specht.