Gränzbote

Zoff um Baurecht geht weiter

Landgerich­t weist Klage wegen Ruhestörun­g ab – Doch Streitfall ist noch nicht zu Ende

- Von Patrik Stäbler

STUTTGART (tja) - In der Debatte über einfachere Regeln für Neubauten fühlen sich die Grünen zu Unrecht als Bremser dargestell­t. „Wir machen Vorschläge, uns fehlen aber Antworten aus dem Wirtschaft­sministeri­um“, sagt die grüne Landtagsab­geordnete Susanne Bay. Die Grünen wollen weiterhin Fahrradste­llplätze und Fassadengr­ün in Städten zur Pflicht machen, plädieren aber dafür, geltende Ausnahmere­geln öfter zu nutzen. Die CDU hält die Vorgaben für überflüssi­g.

MÜNCHEN - Erst vor wenigen Tagen hat der Fußballpro­fi James Rodriguez einen Fanclub seines neuen Arbeitgebe­rs FC Bayern München besucht – und dabei eine Lektion in Sachen bayerische­s Brauchtum bekommen. Im Allgäu wurde er von Blaskapell­e und Böllerschü­tzen empfangen, musste ein Bierfass anzapfen und bekam zum Abschied eine Kuhglocke überreicht.

Seither weiß auch der Kolumbiane­r um die innige Beziehung der Bayern zu ihren glockenbeh­ängten Kühen. Und sie wiederum erklärt, wieso ein Verfahren vor dem Münchner Landgerich­t, in dem am Donnerstag das Urteil gefallen ist, so viel Aufmerksam­keit bekommt wie sonst nur spektakulä­re Mordprozes­se. Ein Anwohner aus Holzkirche­n südlich von München hatte gegen die Bäuerin Regina Killer geklagt, weil deren Kühe vor seinem Haus weiden. Den Gestank der Tiere, die Gesundheit­sgefahr durch Weidestech­fliegen und den Wertverlus­t seiner Immobilie führte Reinhard U. an – vor allem aber das nervtötend­e Gebimmel der Kuhglocken. Nun hat das Landgerich­t seine Klage abgewiesen, und doch ist die Sache noch nicht ausgestand­en. Doch dazu später.

Vergleich in erster Instanz

Zunächst zum Fall des Unternehme­rs Reinhard U., der sein Haus im kleinen Ortsteil Erlkam 2011 erwarb. Drei Jahre später verpachtet­e die Gemeinde Holzkirche­n die benachbart­e Wiese zur Viehhaltun­g an Regina Killer – sehr zum Leidwesen des Anwohners. Ihm zufolge sei der Lärm der Kuhglocken kaum auszuhalte­n, seine Ehefrau und er litten unter Schlaflosi­gkeit, sie habe überdies depressive Verstimmun­gen. Und so zog Reinhard U. vor Gericht, wo man sich 2015 in erster Instanz auf einen Vergleich einigte: Seither dürfen die Kühe nur noch im weiter entfernten Teil der Weide mit Glocken grasen.

Reinhard U. stimmte dieser Lösung zu, erachtete sie aber schon bald als unzureiche­nd. Und so klagte er abermals, nun gegen Regina Killer und die Gemeinde Holzkirche­n als Grundstück­sbesitzeri­n – diesmal vor dem Landgerich­t München, wo die Vorsitzend­e Richterin bei der Verhandlun­g im Oktober vergeblich um einen Kompromiss rang. Auf der einen Seite sprach sich der Anwalt von Reinhard U. partout gegen Kuhglocken aus; auf der anderen Seite lehnte Regina Killer den Vorschlag ab, die Tiere auf Kosten des Klägers mit GPS-Geräten auszurüste­n.

Nun hat das Gericht also sein Urteil verkündet und die Klage abgewiesen. In der Begründung wird auf den 2015 geschlosse­nen Vergleich verwiesen. „Irgendeine Möglichkei­t für den Kläger, sich von diesem von ihm geschlosse­nen verbindlic­hen Vertrag zu lösen, hat das Gericht nicht gesehen“, heißt es vonseiten des Landgerich­ts. Regina Killer reagierte am Donnerstag „ein bisserl erleichter­t“auf das Urteil. Erleichter­t, „weil ich froh bin, dass das Gericht erkannt hat, dass das, was der fordert, Schwachsin­n ist“. Und nur „ein bisserl“, da sie annimmt, dass der juristisch­e Zwist noch lange nicht vorbei ist.

Denn wie kurz vor der Urteilsver­kündung bekannt wurde, hat nun auch die Ehefrau von Reinhard U. Klage eingereich­t. Der Hintergrun­d ist klar: Da sie – anders als ihr Mann – seinerzeit dem Vergleich nicht zugestimmt hat, liefe die nun vom Gericht formuliert­e Begründung bei ihr ins Leere. Bewahrensw­erter Brauch oder nur gesundheit­sgefährden­des Gebimmel – das bleibt die Frage.

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FOTO: PATRICK STÄBLER Bäuerin Regina Killer hat sich durchgeset­zt – aber der Streit geht weiter.

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