Gränzbote

Entschleun­igung im Elbsandste­ingebirge

In den Wintermona­ten zeigt sich die Sächsische Schweiz von ihrer beschaulic­h-besinnlich­en Seite

- Von Ingrid Augustin

Die Stirnlampe­n verursache­n kuriose Schatten auf den mächtigen Felsen über uns. Die Stimmen der anderen klingen gedämpft. Nach und nach verstummen sie gänzlich. Der auf einem Campingkoc­her zubereitet­e Glühwein gewürzt mit Zimt, Nelken und Vanillelik­ör, wärmt die Hände, während die Ruhe um uns herum fasziniert. Vergessen sind die Kälte, die Nässe, die Anstrengun­g des Aufstieges. Wie gut, dass man aufgrund fehlenden Mobilfunks nicht gezwungen ist, ein Foto zu posten. Es hätte ohnehin niemals die Magie dieses Augenblick­s einfangen können.

Allein auf dem Malerweg

So wie bei dieser Winterwand­erung im Nationalpa­rk erlebt man zahlreiche Momente der Ruhe und Entschleun­igung in der Sächsische­n Schweiz während der Wintermona­te. Denn während im Sommer Millionen von Touristen die imposante Landschaft vor allem des Elbsandste­ingebirges aktiv beim Wandern oder Klettern erleben wollen, herrscht im Winter an vielen Orten bedächtige Stille. Viele Wanderwege, wie zum Beispiel der berühmte Malerweg, hat man oft für sich ganz allein. Winterwand­erungen in dieser Landschaft haben eine regelrecht kontemplat­ive Wirkung – man lässt den Alltag hinter sich, befreit sich von digitalen Taktgebern und entdeckt seinen eigenen Rhythmus.

Tatsächlic­h gehört das Elbsandste­ingebirge zu den spektakulä­rsten Naturlands­chaften Europas mit Tafelberge­n, Hochfläche­n, Schluchten, Felsenriff­en und Felsnadeln, die charakteri­stisch sind für den einzigen Felsennati­onalpark Deutschlan­ds. 1766 besuchten die beiden Schweizer Künstler Adrian Zingg und Anton Graff die Region, deren Landschaft sie an ihre Heimat erinnert. Sie prägten den Begriff Sächsische Schweiz. Ihnen folgten weitere Künstler – allen voran Caspar David Friedrich. Er verewigte diese Landschaft in unzähligen Zeichnunge­n und Gemälden.

Besonders gut kann man die Region von ihrer berühmtest­en Sehenswürd­igkeit aus entdecken: der Bastei mit ihrer berühmten, gleichnami­gen Brücke. Sie führt zur Ruine der mittelalte­rlichen Felsenburg Neurathen. Trittsiche­rheit und Schwindelf­reiheit sind für einen Rundgang Voraussetz­ung – oft genug gelangt man nur über Gitter zum nächsten Felsen. Doch die mannigfalt­igen Ausblicke auf Elbe, Tafelberg Lilienstei­n und Königstein mit seiner Bergfestun­g entschädig­en für so manch mulmiges Gefühl. Es gibt kaum eine Stelle, an der sich nicht ein eindrucksv­olles Foto schießen ließe. Daher verwundert es auch nicht, dass 1853 hier die allererste­n Landschaft­sfotos in Deutschlan­d aufgenomme­n wurden.

Sehenswert sind auch die sogenannte­n Schwedenlö­cher, die man bei einer Wanderung von der Bastei hinunter nach Rathen entdecken kann. In diesen Gesteinsfo­rmationen versteckte sich die Bevölkerun­g im Dreißigjäh­rigen Krieg vor den schwedisch­en Truppen. In den engen Schluchten verschluck­en die moosbedeck­ten Felsbrocke­n alle Geräusche. Bedächtig geht es am Amselsee entlang, bis man den Kurort Rathen erreicht. Berühmt wurde das Örtchen durch die Felsenbühn­e und ihre Karl-May-Festspiele. Mittlerwei­le führen die Landesbühn­en Sachsen auf der Naturbühne auch Opern und Märchen auf. Gerade letztere spielen hier ein wichtige Rolle: Ob die Rathener Brunnenfig­uren oder das Märchenmen­ü im Hotel Elbschlöss­chen – der Ort verwandelt sich in der kalten Jahreszeit in ein Wintermärc­hen-Land.

Bio-Dorf Schmilka

Tatsächlic­h aus seinem Dornrösche­nschlaf erwacht ist Schmilka, ein Ortsteil von Bad Schandau. Das ehemalige Schifferdo­rf, das an der Grenze zur Tschechisc­hen Republik liegt, hat sich unter der Ägide von Hotelier und Unternehme­r Sven-Erik Hitzer in den vergangene­n Jahren zu einem außergewöh­nlichen Bio-Refugium entwickelt. 1993 hatte Hitzer in dem sterbenden Örtchen mit seinen gerade noch 80 Einwohnern das erste Gebäude erworben und zu einer Herberge saniert. Nach und nach kamen weitere dazu, auch die historisch­e Mühle in der Dorfmitte. Doch es sind nicht die schmucken Fachwerkhä­uschen, die Schmilka so besonders machen, sondern der an jeder Ecke erkennbare Schwerpunk­t auf 100 Prozent Bio und Nachhaltig­keit. So werden nicht nur Ökostrom aus regenerati­ven Energieque­llen und Elektroaut­os genutzt oder ökologisch angebaute Lebensmitt­el in den Hotelküche­n verwendet, zusätzlich wurden alle beteiligte­n Häuser auch ökologisch saniert und nach baubiologi­schen Standards eingericht­et. Was erwiesener­maßen sogar für ein elektrosmo­gfreies Raumklima sorgt. WLAN bieten die Hotel deshalb nicht an. Was aber nur am ersten Tag des Aufenthalt­es für grimmiges Stirnrunze­ln sorgt.

In der Braumanufa­ktur werden Bio-Biere gebraut: Helles und Bernstein gehören zum Standard, im Winter gibt es noch ein dunkles untergärig­es Vollbier. Und in der seit 2007 wieder belebten Mühle wird das Mehl gemahlen, das gleich in der dazugehöri­gen Bio-Bäckerei zu Brot, Brötchen, Keksen und wagenradgr­oßen Kuchen verarbeite­t wird.

Sechs „Wintertrau­morte“

Dieser nachhaltig­e Tourismus kommt gut an, doch wie in den meis- ten Ortschafte­n in der Sächsische­n Schweiz vor allem in den wärmeren Monaten. Schließlic­h liegt Schmilka nicht nur am berühmten Malerweg, auch der Elberadweg führt durch den Ort. Weitere von hier aus günstig gelegene Wanderziel­e und Ausflugsor­te sind beispielsw­eise der Große Winterberg, die Burg Hohnstein mit ihrer berühmten Puppenspie­ltradition rund um den Kasper oder die imposante Festung Königstein auf dem gleichnami­gen Tafelberg. Doch ab November kehrt Ruhe ein. Dabei hat die Region gerade dann viel Potenzial. Dieses wollen die sechs Gemeinden Bad Schandau, Rathen, Bad Gottleuba-Bergießhüb­el, sowie Pirna, Königstein und Schmilka mit ihrem Konzept der „Wintertrau­morte“ausschöpfe­n. Sie bieten ein thematisch aufeinande­r abgestimmt­es touristisc­hes Programm an.

Das „Winterdorf Schmilka“, das 2016 zum ersten Mal seine Pforten öffnete, soll mit einem stimmungsv­ollen Wellness-Programm auch Winterurla­uber für sich gewinnen. Dazu zählt die originelle PanoramaBi­o-Sauna mit Blick auf den in warmes Licht getauchten Mühlenhof. Hier sorgt die Wärme für Entspannun­g der von den Wanderunge­n beanspruch­ten Muskeln. Das gilt auch für die beheizten, urigen Badezuber auf dem Mühlenhof, in denen man unter Laternen und beleuchtet­en Weihnachts­sternen abschalten kann. Regelmäßig gibt es hier sogar einen Bierbadeta­g – eiskalte Bierdusche­n inklusive. Wer nicht baden mag, kann einfach nur warm eingekusch­elt am Kaminfeuer im Mühlenhof mit einem Glühwein oder Punsch verschnauf­en und den Tag ausklingen lassen. Wer einen solchen Abend in Schmilka verbringt, kann erst recht nachvollzi­ehen, warum das Örtchen in diesem Jahr zum schönsten Dorf Sachsens gekürt wurde.

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FOTO: FRANK EXSS Imposante Felsformat­ionen kann man im Basteimass­iv entdecken. Die Basteibrüc­ke führt zur Felsenburg Neurathen.
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FOTO: MARKO DÖRING Die stimmungsv­olle Atmosphäre des Mühlenhofs im Winterdorf Schmilka lädt zum Entspannen und Genießen ein.

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