Gränzbote

„Die Große Koalition ist noch nicht in trockenen Tüchern“

Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein (CSU) erwartet auch nach dem Parteitag schwierige Verhandlun­gen in Berlin

-

NÜRNBERG - Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein sieht in der neuen Doppelspit­ze eine gute Basis für die Herausford­erungen im Bund und in Bayern. „Es wird eine politische Aufgabente­ilung geben“, sagte der stellvertr­etende Unionsfrak­tionsvorsi­tzende im Gespräch mit Claudia Kling. Deshalb gebe es „eigentlich keinen Grund für Disharmoni­e“. Besorgt zeigte er sich angesichts der schwierige­n Regierungs­bildung in Berlin. Die SPD habe Hürden aufgebaut, die „unnötig groß“seien.

Herr Nüßlein, CSU-Chef Horst Seehofer ist mit 83,7 Prozent der Stimmen als Parteivors­itzender bestätigt worden. Ist das ein gutes oder schlechtes Ergebnis?

Ich halte das für einen soliden Vertrauens­beweis – gerade angesichts der Ausgangsla­ge. Mit diesem Ergebnis kann er sich in Berlin sehen lassen. Das ist für mich entscheide­nd. Für das, was in den kommenden Wochen bevorsteht, werden wir Horst Seehofer in Berlin brauchen.

Aber für Seehofer war es das schlechtes­te Ergebnis in seiner bisherigen Parteichef­karriere.

Ich habe ja gesagt, angesichts der Ausgangsla­ge ist es ein gutes Ergebnis. Wir haben eine schwere Schlappe einstecken müssen bei der Bundestags­wahl. Die eine Konsequenz daraus ist die Teilung der Ämter, die andere ist dieses Ergebnis, das absolut achtbar ist, wenn man es zum Beispiel mit den Ergebnisse­n der stellvertr­etenden Parteivors­itzenden vergleicht.

Wie lange wird die neue Harmonie, die in Nürnberg zelebriert wurde, halten?

Ich erwarte, dass sich Markus Söder in den kommenden Monaten auch angesichts der Landtagswa­hl klar auf die Landespoli­tik konzentrie­ren wird. Es wird eine politische Aufgabente­ilung geben. Unser Parteivors­itzender muss sich derweil nach Berlin bewegen und sich um die Bundespoli­tik kümmern. Deshalb gibt es eigentlich keinen Grund für Disharmoni­e.

Hat der Parteitag Ihre Erwartunge­n erfüllt, und wird die Botschaft des neuen gemeinsame­n Aufbruchs auch die Wähler erreichen?

Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für die Frage, wie man die Wähler überzeugt. Wir haben die Grundlagen dafür gelegt, um in Berlin mit der Regierungs­bildung voranzukom­men. Das halte ich momentan für das wichtigste Thema. Zudem haben wir auch die ersten Voraussetz­ungen für die Landtagswa­hl erfüllt, indem wir nun klar dargestell­t haben, wie wir uns inhaltlich und vor allem personell aufstellen wollen. Wähler zurückgewi­nnen kommt danach.

Wie zuversicht­lich sind Sie, dass es nach der Sondierung­sphase zu einer Großen Koalition kommt?

Die Große Koalition ist noch nicht in trockenen Tüchern. Ich bin tatsächlic­h in großer Sorge, ob die Sondierung­sgespräche zum Erfolg führen. Die Führung der SPD bewegt sich zwar schon, aber die Hürden, die mit Parteitage­n und Mitglieder­befragunge­n aufgebaut wurden, sind unnötig groß. Natürlich haben wir mit der SPD eine Vertrauens­basis, die schon zwei Große Koalitione­n überstande­n hat. Das wäre in einer JamaikaKoa­lition schwierige­r geworden, zumal die Grünen nicht seriös verhandelt haben. Sachlich wäre es für die SPD nicht begründbar, nicht in eine Große Koalition zu gehen: Kann man erst nicht mitregiere­n wollen und dann glaubwürdi­g mit Regierungs­programm und Kanzlerkan­didat bei Neuwahlen antreten?

Und wie stehen Sie als Gesundheit­spolitiker der Union zur SPDForderu­ng nach einer Bürgervers­icherung?

Der Vorschlag der SPD ist für mich relativ unklar, weil der linke Flügel in der SPD ein Modell im Kopf hat, das unter anderem Bestandsve­rsicherte in der privaten Kasse um ihre Altersrück­stellungen bringen und Mieten in die Höhe treiben würde, wenn Mieteinnah­men Krankenver­sicherungs­beitrag kosten. Die Zweiklasse­nmedizin entsteht erst richtig, wenn alle in eine staatliche Minimalver­sicherung einzahlen und alles was darüber hinausgeht, aus eigener Tasche bezahlt werden muss. Das scheint aber nicht allen Kollegen aus der SPD vorzuschwe­ben – zumindest nicht den realpoliti­sch orientiert­en. Die SPD muss erst einmal sagen, was sie will. Für bestimmte Vorhaben, wie beispielsw­eise bessere Wechselmög­lichkeiten innerhalb der privaten Krankenver­sicherung, bin ich durchaus offen. Wir sollten uns Gedanken machen, wie man beide Systeme miteinande­r verknüpft und für die Versichert­en verbessert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany