Gränzbote

Handel leidet unter Dieben

Eine Milliarde Euro Schaden in Bayern und Baden-Württember­g

- Von Wolf von Dewitz

STUTTGART (lsw) - Ladendiebe setzen dem Einzelhand­el stark zu. Die Kriminelle­n gingen immer dreister vor und verursacht­en nicht nur hohen finanziell­en Schaden, sondern sie sorgten auch für große Unsicherhe­it in der Belegschaf­t, sagte der Präsident von Baden-Württember­gs Handelsver­band, Hermann Hutter.

Er schätzt den im Südwesten entstanden­en Schaden durch Diebstahl auf 500 bis 700 Millionen Euro jährlich. Elektroger­äte, Kameras, Küchenmasc­hinen, Tabakwaren oder teure Füller sind begehrte Objekte. Um das Problem anzugehen, müssten die Justizbehö­rden durchgreif­en und Ladendiebe härter bestrafen, fordert Hutter. Im Nachbarbun­desland Bayern werden jedes Jahr Waren im Wert von rund 335 Millionen Euro entwendet, wie der Handelsver­band Bayern mitteilt.

Eine vermeintli­ch gute Nachricht kommt aus dem Baden-Württember­gischen Innenminis­terium: In diesem Jahr seien es deutlich weniger Ladendiebs­tähle gewesen, sagt ein Ministeriu­mssprecher. Eine genaue Zahl wird erst Anfang 2018 bekannt gegeben. Doch der Sprecher hält das Minus in der Statistik nur für bedingt aussagekrä­ftig. Man könne „nicht zwingend“daraus schlussfol­gern, dass es weniger Diebstähle gegeben habe. Möglicherw­eise seien auch weniger Taten entdeckt worden.

Aus Sicht von Branchenve­rtreter Hutter ist keineswegs Entspannun­g in Sicht, vielmehr werde die Lage problemati­scher. Für das Minus in der Statistik hat er eine Erklärung parat: „Viele Geschäfte bringen den Diebstahl gar nicht mehr zur Anzeige, weil sie denken, dass es eh nichts bringt.“Die Dunkelziff­er sei hoch. Er bemängelte, dass die Strafen zu lasch seien und die Kriminelle­n dadurch nicht abgeschrec­kt würden. „Viel zu viele Verfahren werden wegen Geringfügi­gkeit eingestell­t und sie bekommen nur einen Mini-Bußgeldbes­cheid“, moniert der Branchenve­rtreter. „Wir sind besorgt, dass Ladendiebs­tahl nicht stringent bestraft wird, und dass die Kriminelle­n das wissen und ausnutzen.“Das Land solle dringend Personal einstellen, damit die überlastet­en Staatsanwa­ltschaften und Gerichte auch jede Straftat gewissenha­ft verfolgen könnten. „Die Justiz muss genug Kapazität schaffen, um Gesetze umzusetzen.“

Vom Justizmini­sterium heißt es, man sei sich der Problemati­k bewusst. Minister Guido Wolf (CDU) habe sich bereits mit Branchenve­rtretern getroffen und nehme die Kritik „sehr ernst“. „Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Klein- und Alltagskri­minalität im Land entschiede­n zu bekämpfen, da diese das Vertrauen in den Rechtsstaa­t untergräbt“, sagte ein Ministeriu­mssprecher. „Derzeit sucht das Justizmini­sterium mit den Staatsanwa­ltschaften im Land nach Möglichkei­ten, kleinere Ladendiebs­tähle künftig effektiver zu verfolgen.“

Schon seit längerem pocht der Verband darauf, dass die sogenannte Bagatellgr­enze angehoben wird. Einer Vorschrift zufolge kann ein Strafverfa­hren eingestell­t werden, wenn der Wert der entwendete­n Sache nicht mehr als 25 Euro beträgt. Diese Grenze müsse herunterge­schraubt werden, fordert Hutter.

Dreist und profession­ell

Der Händler war Inhaber des Ulmer Haushaltsw­arengeschä­ftes Abt, das er kürzlich an den Drogeriema­rktunterne­hmer Erwin Müller verkauft hat. Hutter berichtete, dass vor einiger Zeit ein Dieb eine große Küchenmasc­hine von innen aus einem Schaufenst­er seines Geschäfts genommen habe und damit weggelaufe­n sei. „So eine Dreistigke­it verblüfft“, sagt Hutter. Zudem gingen die Täter mitunter sehr profession­ell vor. Ein Kriminelle­r verwickele Mitarbeite­r als scheinbare­r Kunde ins Gespräch, damit sein Partner freie Bahn habe.

Der Handel setze zwar auf eigene Maßnahmen, etwa Kamerasyst­eme oder Mitarbeite­rschulunge­n. Dadurch werde der Diebstahl aber nicht stark genug ausgebrems­t. Auch Warensiche­rungssyste­me hätten nur eine begrenzte Wirkung. „Häufig piepst es, aber keiner schaut so richtig hin.“

Auftrieb bekomme der Diebstahl durch das Internet, meint Hutter. Früher hätten die Kriminelle­n für ihr Diebesgut einen Hehler finden müssen, dem sie es für einen relativ niedrigen Preis verkauft hätten. Heutzutage könnten sie es im Internet mit einem recht geringen Abschlag im Vergleich zum Originalpr­eis verkaufen, da viele Käufer sich nicht bewusst seien, dass es Diebesgut sei.

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FOTO: DPA Einzelhänd­ler beklagen hohe Schäden durch Diebstähle.

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