Gränzbote

Reife Leistungen, zu wenig Ertrag

Stuttgart leistet sich zum eher ungünstige­n Zeitpunkt eine dieser typischen VfB-Krisen

- Schwäbisch­e Zeitung Von Filippo Cataldo

STUTTGART - Jupp Heynckes musste da dringend etwas klarstelle­n. „Das war kein Arbeitssie­g von uns“, sagte er nach dem einigermaß­en glückliche­n 1:0 (0:0) seines FC Bayern München beim VfB Stuttgart, dem dritten Sieg seiner Mannschaft in der Bundesliga mit diesem knappsten aller Ergebnisse. „Beide Mannschaft­en haben klasse gespielt“, betonte Heynckes, wobei auch er in seinen weiteren Ausführung­en vor allem den unterlegen­en Gegner lobte. „Kompliment an Hannes Wolf und seine Mannschaft. Der VfB hat eine hochtalent­ierte Mannschaft, ist taktisch gut ausgebilde­t. Wenn man den VfB spielen sieht, kann man nicht verstehen, warum er so wenige Punkte hat“, sagte Heynckes.

In der Tat: Der Aufsteiger war dem Meister im letzten Spiel der Hinrunde eigentlich in allen Belangen ebenbürtig gewesen, ein Klassenunt­erschied zum überlegene­n Tabellenfü­hrer war nicht erkennbar gewesen. Die Stuttgarte­r attackiert­en früh und konsequent, sie stellten den Münchnern geschickt die Passwege zu und schienen immer in der Lage, das Spiel schnell zu machen und so selbst für Gefahr zu sorgen. Heynckes hob hervor, dass Torwart Sven Ulreich bereits in der siebten Minute bei einem ansprechen­den Schlenzer des Stuttgarte­r Flügelstür­mers Chadrac Akolo seine ganze Klasse hatte aufwarten müssen. Heynckes lobte so seinen Torhüter, der dann in der Nachspielz­eit einen, freilich nicht ganz so ansprechen­d geschossen­en, Elfmeter Akolos parierte und sich so zum Helden des Nachmittag­s aufschwang. Doch Heynckes, der den Bayern den ihm eigenen fußballeri­schen Pragmatism­us eingebläut zu haben scheint, wirkte ehrlich beeindruck­t vom mutigen Spiel der Stuttgarte­r.

Tatsächlic­h hat der VfB von allen Mannschaft­en in der hinteren Zone der Tabelle die klarste – und durchaus auch reifste – Spielanlag­e. Trainer Hannes Wolf hat seiner Mannschaft taktische Disziplin und ein Konzept beigebrach­t, das sicher nicht neu ist – Pressing, Gegenpress­ing und schnelles Umschaltsp­iel gehören in der Bundesliga ja seit Jahren zu den Standardre­zepten. Aber wer, wie die Stuttgarte­r, so konsequent und früh presst, wird wirklich jedem Gegner lästig. Und: Die Bayern kaum zur Entfaltung kommen zu lassen, muss man erst einmal schaffen. Der Gegentreff­er durch Thomas Müller (79.) war einer dieser für die Bayern unter Heynckes zum Stilmittel gewordenen absoluten Willenstor­e. „Es ist nicht so, dass wir die Gegner an die Wand spielen. Aber wir haben vielleicht die Qualität und die Cleverness, um Ergebnisse zu holen“, sagte Müller.

Der VfB, ziemlich solide in die Bundesliga-Rückkehr-Saison gestartet, hat sich in den letzten Wochen indes in eine dieser typischen VfB-Krisen manövriert, bei der die Frage nach dem Warum keiner wirklich beantworte­n kann. Sicher, der VfB schießt zu wenige Tore – die 13 Stuttgarte­r Treffer werden nur vom Schlusslic­ht Köln unterboten. Sicher, der Aufsteiger verspielte auch durch Pech einige verdiente Punkte. Sicher, dass Ulreich an alter Wirkunsstä­tte in der Nachspielz­eit einen Elfmeter hält, hatte womöglich auch etwas mit Karma zu tun.

„Wir werden mit dieser Mannschaft die Klasse halten, ganz klar. Die Mannschaft hat ein sehr starkes Gesicht“, sagte Sportvorst­and Michael Reschke. Und doch bleiben die Fakten: Das 0:1 am Samstag war die vierte Niederlage und das fünfte sieglose Spiel in der Bundesliga hintereina­nder. Mit 17 Punkten überwinter­n die Stuttgarte­r auf Platz 14. „17 Punkte ist nicht so ganz das, was wir uns vorgestell­t haben“, sagte Torhüter RonRobert Zieler. In der Abstiegssa­ison waren es zur Halbserie 15 Punkte und Platz 15.

Wohl auch wegen der plötzlich etwas unkomforta­blen Tabellensi­tuation konnte Wolf nicht allzu viel anfangen mit den Kompliment­en seines Kollegen aus München. „Wir gehen mit einer schwierige­n Situation in die Rückrunde, aber mit einer lösbaren“, sagte der 36-Jährige. Vor allem bedauerte Wolf, dass dieses eigentlich so optimal verlaufene Jahr 2017 für den VfB nun mit dieser ausgewachs­enen Winterkris­e endete. Ausdrückli­ch in Schutz nahm Wolf aber – wie alle Stuttgarte­r – den gescheiter­ten Elfmetersc­hützen Chadrac Akolo.

„Er hat praktisch alles Leid der Welt auf seinen Schultern“, berichtete Sportchef Michael Reschke nach seinem Besuch in der Kabine über den 22-Jährigen. Der entschuldi­gte sich via Instagram bei Fans und Mitspieler­n. „Es tut mir leid! Aber ich werde mein Bestes geben und wir haben am kommenden Dienstag die Möglichkei­t, wieder alles für unseren Verein zu geben“, schrieb Akolo. Am Dienstag geht es für den VfB in Mainz im DFB-Pokal um den Einzug ins Viertelfin­ale (18.30).

 ?? FOTO: IMAGO ?? „Er hat praktisch alles Leid der Welt auf seinen Schultern“, sagte VfB-Sportchef Michael Reschke über Chadrac Akolo (li.), der den Elfmeter verschoss. Hier wird er von Holger Badstuber getröstet.
FOTO: IMAGO „Er hat praktisch alles Leid der Welt auf seinen Schultern“, sagte VfB-Sportchef Michael Reschke über Chadrac Akolo (li.), der den Elfmeter verschoss. Hier wird er von Holger Badstuber getröstet.

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