Eine Anlaufstelle für die Kunst
Die Städtische Galerie im Zentrum der Stadt Tuttlingen gibt es seit 30 Jahren
Die Städtische Galerie in Tuttlingen gibt es nunmehr seit 30 Jahren.
TUTTLINGEN - Seit 30 Jahren gibt es die Städtische Galerie im Zentrum der Stadt Tuttlingen. Der Bau selbst ist ein Meisterwerk. Er hat in seinen hellen, zurückhaltend gestalteten Räumen in diesen drei Jahrzehnten fast 300 Ausstellungen gezeigt.
Ein Stück Verputz, das sich von der Fassade der damaligen „Kleinen Galerie“beim Fest zum zehnjährigen Bestehen des Kunstkreises in der Rathausstraße löste und haarscharf an einem Passanten vorbeiknallte, war quasi der „Stein des Anstoßes“für die Entstehung der neuen Galerie der Stadt. Der erste Vorsitzende des Kunstkreises, Michael Martin, berichtete von diesem Ereignis bei der Eröffnung der Jahresausstellung 2017. Er blickte dabei auf 30 Jahre Galerie zurück und beleuchtete die Kunstszene in Tuttlingen.
Das Bedürfnis nach Kunst sei schon nach dem Krieg aufgekeimt, es gab zunächst kleinere Kreise, auch den „Kunstring“. In diesem hatten sich damals bedeutende einheimische Künstler zusammengeschlossen. Der kunstinteressierte Kaufmann Günther Gauß eröffnete in der Oberamteistraße eine Galerie, die „Tuttlinger Kunstetage“. Doch nach einigen Jahren wuchs ihm die Sache über den Kopf, und er bat die Stadt, die Fortführung seiner Galerie in kommunaler Regie zu übernehmen.
Gründung der Kleinen Galerie
Die Stadtväter gaben nach mehrmaligem Anlauf grünes Licht und beauftragten Dr. Alexander Paul ab 1969 mit der Leitung dieser neuen städtischen Einrichtung. 1973 zog die Galerie in das Erdgeschoss und den ersten Stock in der Rathausstraße 7 und wurde in „Kleine Galerie Stadt Tuttlingen“umbenannt. Ein großer Teil der Ausstellungen war dort von der Staatsgalerie Stuttgart für „Ausstellungen im Lande“zusammengestellt.
Auf den Zugang zur „Kleinen Galerie“konnten die Künstler damals noch nicht hoffen und so kam es im September 1973 zur Gründung des Kunstkreises, der sich die Förderung der zeitgenössischen und regionalen Kunst als Hauptaufgabe setzte. Die Gründer, allen voran Bildhauer Roland Martin, waren mit dem Ausstellungsprogramm nicht zufrieden. So formierte sich eine Revolte der lokalen Künstler, die eine Bühne für ihre Kunst suchten.
Im Sommer 1974 fanden erste Verhandlungen mit Paul statt. Es wurde vereinbart, dass der Kunstkreis die Kleine Galerie in den Zeiträumen, in denen sie durch Ausstellungen der Staatsgalerie nicht belegt war, nutzen könne. Zwischendurch hatte der Kunstkreis schon einen ersten Grafikmarkt auf dem Marktplatz und eine Ausstellung in der Volksbank organisiert. Im November 1974 kam es in der Kleinen Galerie zur ersten Ausstellung des Kunstkreises mit Arbeiten junger Künstler.
Durch die folgenden Ausstellungen mit anerkannten Künstlern, auch aus dem eigenen Kreis, wurde gezeigt, dass der Kunstkreis über ein starkes künstlerisches Potenzial verfügt. Im Jahr 1979 übernahm KarlHeinz Müller – er hatte 1978 schon die Leitung des Heimatmuseums übernommen – auch die Leitung der städtischen Kunst-Ausstellungen. Beim zehnjährigen Bestehen des Kunstkreises kam es zum Auslöser für den Neubau der Städtischen Galerie. 1984 wurde die Entscheidung getroffen, der Galeriebetrieb wurde für die Dauer der Bauzeit in den Fruchtkasten verlegt, in dem eine Reihe von interessanten und erfolgreichen Ausstellungen stattfand.
Zusammen mit den ersten Tuttlinger Kulturtagen wurde am 10. Oktober 1987 die neue Städtische Galerie eingeweiht. In der von Udo Braitsch organsierten Eröffnungsausstellung präsentierten 21 namhafte Künstler aus dem deutschen Südwesten ihre Werke.
Als Galerieleiter fungierte ab 1987 Albrecht Werwigk (bis 1998). Er war in Personalunion wenig später auch für das gesamte Kulturamt zuständig. Werwigk baute gleich zu Beginn seiner Tätigkeit die Jugendkunstschule auf, in der er auch unterrichtete. Diese wurde im Frühjahr 1988 eingeweiht.
„Zeugung, Geburt und Kindheit“
Zum 20-jährigen Bestehen der Galerie hielt Udo Braitsch (er war von 1983 bis 1992 Vorsitzender des Kunst- kreises, ihm folgten Dieter Gagstatter bis 2002 und Michael Martin) eine vielbeachtete Rede. So listete er – gewürzt mit anekdotischen Skizzen – den Werdegang der Galerie in Verbindung mit dem Kunstkreis auf. Er sprach über „die Zeugung, die Geburt und die Kindheit dieser so köstlichen Tochter der Stadt Tuttlingen, hervorgegangen aus einer zunächst etwas wunderlich erscheinenden Liaison zwischen dieser und dem Kunstkreis“. Doch nach und nach habe sich diese durch wechselseitigen Respekt und gegenseitiges Vertrauen gefestigt. Es sei zu einer beispielhaften Symbiose gekommen.
Die Städtische Galerie war durch die gemeinsame Anstrengung eine weit überregional beachtete Institution geworden. Erst in der realen Manifestation habe sie ihre großartigen Aspekte offenbart. Die städtebauliche Einbindung sei genial gelöst. Der Bau selbst sei ein Kunstwerk und setze Maßstäbe. Die Stadt mit ihrer Galerie und der Kunstkreis erfreuten somit das Publikum mit einer lebendigen Kunstszene und hätten ihr damit auch ein kulturelles Selbstbewusstsein, das sie dringend benötigte, beschert, so Braitsch.