Freitag geht als Favorit in Tournee
Richard Freitag und Andreas Wellinger gehen die 66. Tournee aus einer starken Position an
OBERSTDORF (sz) - Mit der Qualifikation beginnt heute in Oberstdorf die 66. Vierschanzentournee. Selten waren die Chancen auf den ersten deutschen Gesamtsieg seit 2001/02 so gut. Richard Freitag geht als Weltcup-Erster in den Bewerb, auch Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler sind in Form. Freitag gab sich am Donnerstag launig: „Sehr gut springen“könne er auf den deutschen Schanzen, „ich kann aber auch ’nen richtigen Dreck zusammenspringen, das Training hat schon alles gezeigt“.
OBERSTDORF - Vielleicht ist es ja wirklich diese Lockerheit, die trägt. Der Eindruck zumindest verdichtete sich am Donnerstagnachmittag im „Oberstdorf Haus“. Auftakt-Pressekonferenz war zur 66. Vierschanzentournee, traditionell ein Pflichttermin für Vorjahressieger und aktuell Weltcup-Vordere. Kamil Stoch allerdings reiste samt polnischer Delegation erst spät in der Marktgemeinde an, Norwegens Daniel-André Tande war von der Dauerbeschneiung zwischen Münchner Flughafen und Ort des Geschehens ausgebremst worden (um so sympathischer dann sein frühabendlicher Solo-Auskunftsauftritt). Blieben und kamen: Richard Freitag, der bislang beste Skispringer des Winters, und Andreas Wellinger, sein Mannschaftskollege und hartnäckigster Verfolger. Fokussiert beide, selbstbewusst beide, freudig erwartend beide. Nicht von ungefähr. „Kann losgehen!“, vermeldete Richard Freitag pointiertknapp. „Wir haben alles dafür getan, dass wir in einem Zustand sind, um die Tournee gut bestreiten zu können.“
Man nahm es dem Sachsen ab, der als Neu-Oberstdorfer „jetzt hier zu Fuß hergegangen“war, der auch die neuerdings offenbar unvermeidliche Frage nach dem Schnurrbart lässig nahm. Die Freunde, die es ihm bei der „Movember“-Aktion für einen guten Zweck gleichgetan hatten, habe er jetzt über Weihnachten wieder gesehen. Gemeinsamer Vorsatz: Der Bart bleibt. „Wie lang wir das dann aushalten jedesmal vor dem Spiegel, das werden wir sehen.“
Ein Herangehensmuster durchaus für noch haarigere Themen. Da gibt es den Druck, den das Tandem Freitag/ Wellinger ja wohl empfinden müsse vor den neun Tagen mit summa summarum 24 Sprüngen. Als Gejagte, als Hoffnungsträger einer Skisprung-Öffentlichkeit, die 16 Jahre wartet seit Sven Hannawald auf einen deutschen Tourneesieger. Druck? Der sei, die Antwort folgt einmütig, nicht größer geworden. „Wir sind in einer besseren Position als die letzten Jahre.“Alles andere „sieht man in den Ergebnislisten“. Ach ja, den Freitag’schen Konter auf ein Nachkarten begleitete ein Grinsen: „Was definitiv anders laufen wird: Wir werden in der Qualifikation als Letzte springen, das steht mal fest.“
Fest steht auch, dass schon das Training am heutigen Freitag auf der Großen Schattenbergschanze richtig wichtig ist. „Gefühl aufbauen und die Sprünge nutzen“will Andreas Wellinger da. Beiläufig verriet der 22-Jährige, dass er „alle vier Schanzen extrem gern“mag, sein Favorit aber sei Bischofshofen. Auch wegen der 144,5 Meter vom 5. Januar, auch weil die Anlage „vom Anlauf einen so ganz anderen Charakter“habe. „Das Beste kommt zum Schluss.“
Oberstdorf kommt am Anfang. Launig umriss Richard Freitag, der vier Jahre Ältere, seine Beziehung zu den deutschen Tournee-Bakken. „Sehr gut springen“könne er dort; „ich kann aber auch ’nen richtigen Dreck zusammenspringen, das Training und Andreas Wellinger nach dem Doppelsieg in Titisee. hat schon alles gezeigt“. Beruhigend da das „Ich bin in einer guten, stabilen Form“, mit Bedacht einordnend die Einschätzung der Konkurrenz: „Es sind sehr, sehr viele internationale Skispringer sehr, sehr gut unterwegs zurzeit.“
Was all das heißt? Vierschanzentournee ist. Unwägbarkeiten, Überraschungen gehören da dazu. Richard Freitag und Andreas Wellinger muss das keiner sagen. Werner Schuster auch nicht. Die zehnte Tournee ist es für den Kleinwalsertaler als Bundestrainer. Sein Wort zum Jubiläum? „Ich fühl’ mich vorbereitet als Leiter dieses Teams und hab’ Vertrauen in meine Mannschaft.“
Auch in die Lockerheit, die tragen könnte.