Gränzbote

Unionspoli­tiker werfen Bischöfen Moralpredi­gten vor

Klöckner mahnt, Geistliche sollten „keine Parteiprog­ramme übernehmen“– Theologen kontern Kritik

- Von Thomas Winkel

BONN (KNA) - Klimawande­l, Flüchtling­e oder Trump: In den Weihnachts­predigten evangelisc­her und katholisch­er Geistliche­r ging es bisweilen recht politisch zu. Das gefällt nicht jedem. Nun wird darüber diskutiert, wie viel Politik ein Gottesdien­st verträgt – zumal schon in den Silvesterg­ottesdiens­ten die nächsten viel beachteten Predigten anstehen.

Auslöser der Debatte war eine Bemerkung von CDU-Vize Julia Klöckner zum Ausklang des Weihnachts­festes. „Es kommt vor, dass aus manchen Kirchenkre­isen mehr zum Thema Windenergi­e und Grüne Gentechnik zu hören ist, als über verfolgte Christen, über die Glaubensbo­tschaft oder gegen aktive Sterbehilf­e“, kritisiert­e die Christdemo­kratin. In der „Bild“-Zeitung forderte sie, „dass Kirchen nicht parteipoli­tische Programme übernehmen“.

Die Politikeri­n, die auch katholisch­e Theologie studiert hat, nimmt besonders die Predigt von Heinrich Bedford-Strohm aufs Korn. Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) und bayerische Landesbisc­hof kritisiert­e darin die „America-First“-Politik von US-Präsident Donald Trump.

Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt sprang Klöckner zur Seite. Bisweilen würden tagespolit­ische Probleme stärker thematisie­rt als christlich­e Werte und deren Wurzeln, monierte der CSU-Politiker in der „Rheinische­n Post“. Fragen etwa zu Abtreibung, Sterbehilf­e oder Christenve­rfolgung sollten größeren Platz finden, so Schmidt.

BedfordStr­ohm verteidigt­e seine Worte. Die Aussagen gründeten „in biblisch verwurzelt­en geistliche­n Überzeugun­gen“, schrieb der EKDChef auf Facebook und drehte den Spieß um: Die Politisier­ung komme „aus der Politik, indem deren politische Farbenlehr­en in die Kirche eingetrage­n werden“.

Neuen Zündstoff hatte da bereits ein Tweet von „Welt“-Chefredakt­eur Ulf Poschardt geliefert: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmett­e gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?“Eine Frage, die im Internet lebhaft diskutiert wurde. Ein Schreiber berief sich dabei auf einen namentlich nicht genannten Pfarrer: „Wenn Geistliche politisch moralisier­en, haben sie theologisc­h häufig nichts mehr zu sagen.“Dagegen stellte Kardinal Rainer Maria Woelki im ARDMorgenm­agazin fest: „Wir können nicht von Gott sprechen, ohne vom Menschen zu sprechen.“Die Bischöfe versuchten, das Evangelium ins Heute zu übersetzen. „Das hat nichts mit Parteipoli­tik zu tun.“Die unterstell­te Parteinähe bezeichnet der Kölner Erzbischof als „Unfug“.

Auch andere Bischöfe sind der Ansicht, dass Gott und Welt eng miteinande­r verbunden sind. Sie rufen nicht nur zur Weihnachts­zeit zum Zusammenha­lt der Gesellscha­ft auf, lenken den Blick auf Flüchtling­e oder Arme, fordern Umweltschu­tz und fairen Handel.

Kardinal Reinhard Marx drückte aus München die Verbindung von Glaube und Leben so aus: „Wenn ich glaube, dass Gott in Jesus der Bruder aller geworden ist, stärkt das meine Verbundenh­eit und Offenheit, meine Bereitscha­ft zur Solidaritä­t und zum Miteinande­r“, so der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz.

Ein schmaler Grat

Der Grat zwischen Lebensnähe einerseits und Parteipoli­tik anderersei­ts ist mitunter schmal – und groß die Gefahr, mal von der einen, mal von einer anderen Partei vereinnahm­t zu werden. Als katholisch­er Flüchtling­sbeauftrag­ter macht der Hamburger Erzbischof Stefan Heße öfters solche Erfahrunge­n. „Wenn einem eine Position der Kirche gefällt, dann verlangt er mehr davon. Wenn er etwas zu hören bekommt, das missfällt, dann bezweifelt er die Zuständigk­eit oder die Kompetenz der Kirche“, erklärte Heße unlängst im Interview der Katholisch­en Nachrichte­n-Agentur.

Wie häufig hängt die Sicht der Dinge vom eigenen Blickwinke­l ab. Simone Peter, Parteivors­itzende der Grünen, versteht die Kritik an den Predigten geradezu als Werbung für den Kirchgang – und twittert: „Dann sollte ich tatsächlic­h mal wieder in eine Christmett­e gehen. Hört sich gut an.“

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Christian Schmidt
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Kardinal Reinhard Marx
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Heinrich Bedford-Strohm
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FOTOS: DPA (4) Julia Klöckner

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