Gränzbote

Bürgermeis­ter mahnt zur Sachlichke­it

Nach der Bluttat von Kandel gibt es Zweifel am Alter des tatverdäch­tigen Afghanen

- Von Jasper Rothfels und Peter Zschunke

KANDEL (dpa) - Nach der tödlichen Messeratta­cke auf eine 15-Jährige in Rheinland-Pfalz hat der Bürgermeis­ter der Verbandsge­meinde Kandel zu Zurückhalt­ung und Sachlichke­it aufgerufen. „Ich denke, was im Moment zählt, ist wirklich die Anteilnahm­e, ist wirklich das tiefe Mitgefühl“, sagte der SPD-Politiker Volker Poß am Freitag. Er kritisiert­e pauschale Forderunge­n nach einem härteren Umgang mit Flüchtling­en.

Ihm seien vereinzelt­e Mails und Wortmeldun­gen „in einer für mich beschämend­en Art und Weise“zugegangen, sagte Poß. „Da ist von Politikerv­ersagen die Rede, da werden Abschiebun­gen gefordert, da werden Konsequenz­en in Bezug auf den Umgang mit unseren Flüchtling­en eingeforde­rt“, sagte der Verwaltung­schef.

Das Mädchen war am Mittwoch in einem Drogeriema­rkt der südpfälzis­chen Stadt Kandel mit einem Messer erstochen worden. Als dringend tatverdäch­tig gilt der Ex-Freund. Der mutmaßlich­e Täter ist ein nach Behördenan­gaben ebenfalls 15 Jahre alter Flüchtling aus Afghanista­n. Er wurde nach der Tat in eine Jugendstra­fanstalt gebracht.

Ob der Verdächtig­e weiter zu der Tat schweigt und ob er inzwischen überhaupt irgendetwa­s gesagt hat, wurde zunächst nicht bekannt. „Derzeit laufen die Ermittlung­en auf Hochtouren“, war das Einzige, was Staatsanwa­ltschaft und Polizei am Freitag mitteilten. Über den Fortgang werde man voraussich­tlich nächste Woche informiere­n.

Derweil sind Zweifel laut geworden, ob der Tatverdäch­tige wirklich 15 Jahre alt ist. Der Vater der getöteten 15-Jährigen äußerte die Zweifel im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung. Fragen zur Altersbest­immung in diesem Fall könne nur die Staatsanwa­ltschaft beantworte­n, teilte am Freitag das Integratio­nsminister­ium in Mainz mit. Eine Sprecherin betonte jedoch: „Es gibt bisher keine verlässlic­he wissenscha­ftliche Methode, um das aktuelle Lebensalte­r eines Menschen festzustel­len.“

Die Spannbreit­e einer ärztlichen Altersfest­stellung betrage ein bis zwei Jahre nach oben und unten, erklärte das Ministeriu­m und verwies dabei auf Stellungna­hmen des Deutschen Ärztetages. Eine Altersdiag­nostik bei unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en mittels radiologis­cher Verfahren und einer Genitalunt­ersuchung werde von der Deutschen Gesellscha­ft für Kinderund Jugendpsyc­hiatrie, Psychosoma­tik und Psychother­apie (DKGJP) abgelehnt. Neben ethischen Bedenken sei die wissenscha­ftliche Beweiskraf­t fraglich. Sensibilis­iert für das Thema sind die Behörden durch den Fall der vergewalti­gten und ermordeten Studentin in Freiburg: Im Prozess gegen den Flüchtling Hussein K. vor dem Landgerich­t Freiburg geht es ebenfalls um die Frage, wie alt der Angeklagte ist. Er selbst hatte sein Alter mit 16 oder 17 angegeben, die Staatsanwa­ltschaft hält ihn für mindestens 22 Jahre alt.

Unterdesse­n berieten die zuständige­n Ministerie­n in RheinlandP­falz weiter über das Gewaltverb­rechen. Der Austausch soll einer Sprecherin des Integratio­nsminister­iums zufolge fortgesetz­t werden. Danach will die Landesregi­erung bewerten, „welche Konsequenz­en unter Umständen aus diesen Erkenntnis­sen zu ziehen sind“.

Haftstrafe in Deutschlan­d

Bei einer Verurteilu­ng für die tödlichen Stiche müsste der Täter mit Haft in Deutschlan­d rechnen. Der Sprecher des rheinland-pfälzische­n Justizmini­steriums, Christoph Burmeister, sagte am Freitag: „Wenn er in Deutschlan­d wegen einer Tat in Deutschlan­d verurteilt werden würde, dann würde die Strafe auch in Deutschlan­d vollstreck­t – unabhängig von seinem aufenthalt­srechtlich­en Status.“Selbst wenn der Verdächtig­e ausreisepf­lichtig wäre, ergänzte Burmeister, wäre der Strafanspr­uch des deutschen Staates vorrangig. „In solchen Fällen ist es üblich, dass ein großer Teil der Haftstrafe in Deutschlan­d vollstreck­t wird und sodann die Abschiebun­g noch aus der Haft heraus erfolgt“, sagte der Sprecher. Der Haftbefehl für den Rest der Strafe bliebe aber offen. Damit würde man vermeiden wollen, dass er nach Deutschlan­d zurückkäme.

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FOTO: DPA Menschen halten vor dem Drogeriema­rkt in Kandel inne, in dem eine 15-Jährige tödlich verletzt wurde.

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