An Bischofshofen gewachsen
Mitfavorit Daniel-André Tande hat seinen Frieden mit der Vierschanzentournee gemacht
OBERSTDORF - Daniel-André Tande und die Vierschanzentournee – natürlich kommt die Rede da auf Bischofshofen. An die Paul-Außerleitner-Schanze ist der Norweger an Dreikönig als Führender gereist, im Gepäck Platz vier aus Oberstdorf, den Sieg vom Partenkirchener Neujahrsspringen, den Sieg auch in Innsbruck. Und: Nach dem ersten Durchgang lag er auf Kurs. Einmal noch abrufen, was bei seiner dritten Tournee bislang so schlafwandlerisch sicher gelungen war. Einmal noch, und der Skiclub Kongsberg Idrettsforening hätte – acht Jahrzehnte nach DoppelOlympiasieger Birger Ruud – einen neuen Helden.
Dann verlor der rechte Bindungsstab in der Luft den Kontakt zum Schuh, Daniel-André Tande vermied geradeso den Sturz, nicht aber Tagesrang 26. Tourneedritter! Man sah Tränen, hörte ein lakonisches „Shit happens“. Trauma Tournee? DanielAndré Tande lächelt (tut der 23-Jährige gern). „Heute ist das kein Problem mehr für mich.“
Nur der nächste Sprung zählt
Sportler-Sprech? Verdrängen? Wieder ein Lächeln. „Ich bin daran gewachsen, ich habe als Athlet und als Mensch viel daraus gelernt. Hätte damals alles gepasst, wäre dieser letzte Sprung okay gewesen, dann wäre ich heute nicht der, der ich bin.“Der aktuelle Gesamtweltcup-Dritte, Mitfavorit für die Vierschanzentournee 2017/18, einer fürs Podium beim Auftaktspringen (heute, Samstag, 16.30 Uhr; ARD, Eurosport) in Oberstdorf. Und: Einer, dem jetzt gelingt, „was ich früher schon immer versucht habe: nämlich, mich immer auf den nächsten Sprung zu fokussieren – auf diesen nächsten Sprung. Und dann auf den nächsten, dann auf den nächsten.“Konkrete Ziele, sprich: Resultate oder Medaillen, hat Daniel-André Tande im Sommer nach Bischofshofen nicht für sich definiert. „Ich möchte mich weiterentwickeln, die ganze Saison über.“
Anders gesagt: am Talent, an den Anlagen arbeiten. Täglich, akribisch. Den Willen dazu hat Daniel-André Tande, hatte er immer schon. Davon zeugt die Episode vom Lehrgang des norwegischen A-Kaders, zu dem er einst nicht geladen war. Kein Quartier also. Flugs war das Zelt neben dem Bakken in Vikersund aufgebaut, Daniel-André Tande trainierte – natürlich – mit ...
78 Weltcup-Starts (und drei Siege) später spricht die Branche mit Hochachtung von ihm. Deutschlands Bundestrainer Werner Schuster erlebt die Tande’schen Luftfahrten als „technisch sehr ausgereift“, Norwegen-Coach Alexander Stöckl weiß: „Besonders im ersten Flugdrittel hat er ein irrsinniges Gefühl.“Qualitäten, die in einem – von vielen erwarteten – Tournee-Duell speziell mit Richard Freitag gefragt sein dürften, dem Ersten der Weltcup-Wertung, den Daniel-André Tande sehr schätzt: „Er ist ein sehr ruhiger, gesammelter, auf der anderen Seite aber auch oft sehr lustiger Kerl. Er ist nie gestresst. Er führt im Moment und ist immer noch sehr ruhig. Das ist ein sehr, sehr großer Vorteil als Athlet, wenn du diese Ruhe hast.“
Unruhig wirkt der Norweger selbst allerdings auch nicht. Geduldig gibt er Auskunft über seine Hobbys („begeisterter Gamer“, „Gitarre spielen“), grinsend erzählt er, dass er im Sommer aus dem „Hotel Mama“in eine eigene Bleibe gezogen und „sehr glücklich mit dieser Entscheidung“ sei. Daniel-André Tandes Schwäche für Metallica und Andrea Bocelli ist länger schon bekannt, sein Faible für den FC Liverpool samt Trainer Jürgen Klopp ebenso. Ein (fast) ganz normaler 23-Jähriger also, der auf der Schanze erfolgreich seine Höhenangst austrickst und Tournee eins nach Bischofshofen mit einer bemerkenswerten Demut angeht: „Ein schlechter Tag, ein schlechter Sprung ist keine große Sache für mich, denn ich kann immer noch das tun, was ich am meisten liebe: um die Welt reisen, auf verschiedenen Skisprungschanzen springen und mich mit den Besten messen.“
Man nimmt es Daniel-André Tande ab. Er lächelt.