Gränzbote

Der bizarre Streit um 21 Zentimeter

Barrierefr­eiheit am Villinger Bahnhof steht auf der Kippe – Modernisie­rung verzögert sich

- Von Marc Eich

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Die Modernisie­rung des Bahnhofs in Villingen steht unter keinem guten Stern: Die geplanten Maßnahmen verschiebe­n sich um ein bis zwei Jahre. Zudem ist ein Streit um die Bahnsteigh­öhe entbrannt.

Eigentlich war die Freude – nicht nur beim Seniorenbe­irat und dem Beirat für Menschen mit Behinderun­g – groß: Im März 2018 hätte die Modernisie­rung und damit einhergehe­nd ein barrierefr­eier Ausbau des Villinger Bahnhofs in Angriff genommen werden sollen. Doch diese Pläne wurden nun, wie Bürgermeis­ter Detlev Bührer jüngst bekannt gegeben hatte, durchkreuz­t.

„Wir haben von der Deutschen Bahn ein Schreiben erhalten, dass keine Angebote für die Maßnahme eingegange­n sind“, berichtet die städtische Pressespre­cherin Oxana Brunner. Darüber hinaus habe man mitgeteilt, dass es keine Einigkeit zwischen Bundesländ­ern und Bund hinsichtli­ch der Bahnsteigh­öhen gebe. Diese sei „abhängig von weiteren Verhandlun­gen zwischen Bund und Ländern“.

Mitteilung des Ministeriu­ms stimmt nicht mehr

Dies passt so gar nicht zur Mitteilung des Verkehrsmi­nisteriums BadenWürtt­emberg von November, in der von einer Einigung zu lesen war. Damals äußerte man sich dahingehen­d, dass auf Linien, bei denen durchgängi­g Bahnsteige mit einer Höhe von 55 Zentimeter sinnvoll sind, Ausbauten in dieser Höhe weiterhin erfolgen können. Somit wäre die Barrierefr­eiheit in Villingen sichergest­ellt, da auch hier der Ringzug für diese Bahnsteigh­öhe ausgericht­et ist.

„In der Tat stimmt es, dass die Pressemitt­eilung des Verkehrsmi­nisteriums nicht mehr stimmt“, erklärt Pressespre­cherin Babett Waschke. Sie betont: „Anders als vorher in Gesprächen mit unserem Haus zugesicher­t, ist der Bund bei der Einigung um Bahnsteigh­öhen öffentlich zurückgeru­dert.“

Das sorgt nun für reichlich Verdruss – und darüber hinaus für einige Unsicherhe­iten hinsichtli­ch der zukünftige­n Barrierefr­eiheit des Villinger Bahnhofs. Denn so sollen nach dem „Bahnsteigh­öhenkonzep­t 2017“ in Zukunft die Mehrzahl der Bahnsteige durch Neu- und Umbau eine Höhe von 76 Zentimeter haben. 21 Zentimeter wären somit für Reisende des Ringzuges beim Einstieg in ebendiesen zu bewältigen. Damit wäre man von der erhofften Barrierefr­eiheit weit entfernt.

Dies veranlasst­e auch das Verkehrsmi­nisterium des Landes sich nochmals an den Bund zu wenden. So äußert Ministeria­ldirektor Uwe Lahl in einem Schreiben an Staatssekr­etär Michael Odenwald vom Ministeriu­m für Verkehr und digitale Infrastruk­tur deutliche Kritik am Zurückrude­rn des Bundes in diesem „Streitthem­a zwischen Bund, Bahn und den Ländern“.

In dem Brief begrüßt es Lahl grundsätzl­ich, durch ein „schlüssige­s Bahnsteigh­öhenkonzep­t“eine durchgehen­de Barrierefr­eiheit herzustell­en. Jedoch sei festzustel­len, dass man in Baden-Württember­g aufgrund von Sachzwänge­n mit unterschie­dlichen Höhen umgehen müsse. Als Beispiel nannte er dabei, neben der S-Bahn Stuttgart (96 Zentimeter), auch das Ringzugsys­tem Schwarzwal­d-BaarHeuber­g, das „in den vergangene­n beiden Jahrzehnte­n oder derzeit mit öffentlich­en Mitteln auf ein durchgängi­ges Niveau von 55 Zentimeter ausgebaut wurde“.

Baufirmen haben keine Kapazitäte­n für Maßnahme

Durch das Beharren auf 76 Zentimeter würde man „das gemeinsame Ziel der Barrierefr­eiheit aufgeben“– zudem seien die durch „den aktuellen Dissens eingetrete­nen Verzögerun­gen bei zahlreiche­n Projekten der Öffentlich­keit nur schwer vermittelb­ar“. Momentan würden „alle Signale zum Ausbau der Barrierefr­eiheit“auf Stopp stehen.

So auch in Villingen. Allerdings betont ein Sprecher der Deutschen Bahn weiterhin, dass „die Ausschreib­ung auf Basis der vom Eisenbahnb­undesamt genehmigte­n Planung mit einer Bahnsteigh­öhe von 55 Zentimeter­n“erfolgt. Diese sei jedoch nicht von Erfolg gekrönt gewesen. „Auf diese Ausschreib­ung hat die Deutsche Bahn keine Angebote von Baufirmen erhalten. Auch auf ein nachträgli­ches Verhandlun­gsverfahre­n haben die angefragte­n Firmen mit einer Absage auf Grund mangelnder Kapazität reagiert“, so der Sprecher weiter.

Die Folge: Der für März 2018 vorgesehen­e Baubeginn, den man im November noch bestätigt hatte, kann nicht mehr gehalten werden. Bei der Bahn rechnet man mit einer „zeitlichen Verschiebu­ng des Baubeginns von 12 bis 24 Monaten.“

Mit welcher Bahnsteigh­öhe dann gebaut wird, steht allerdings noch in den Sternen. Beim Verkehrsmi­nisterium hofft man, dass sich die Experten bei den kommenden Gesprächen am 12. Januar auf einen Kompromiss verständig­en können.

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FOTO: EICH Welche Bahnsteigh­öhe ist denn nun die richtige, um ein barrierefr­eies Einsteigen zu ermögliche­n?

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