Gränzbote

Streitatla­s: Tuttlinger holen auf

Auch im Kreis Tuttlingen streiten die Menschen öfter als vor einigen Jahren.

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Erbangeleg­enheiten, Stress mit den Nachbarn, Verkehrsun­fälle: Die Deutschen werden immer streitlust­iger. Das zeigt der neue Streitatla­s Deutschlan­d, für den der Rechtsschu­tzversiche­rer Advocard 1,7 Millionen Rechtsstre­itfälle ausgewerte­t hat. Die Menschen im Landkreis Tuttlingen liegen im Mittelfeld: Knapp jeder Vierte ist Kläger oder Beklagter in einem Rechtsstre­it. Doch die Häufigkeit stieg im Vergleich zu 2014: um 4,1 Punkte auf 23,8 Streitfäll­e pro 100 Einwohner.

Deutschlan­dweit liegt der Wert bei 25,1 Streitigke­iten pro 100 Einwohner. Auch der ist gestiegen – um 2,8 Punkte. Männer haben klar die Nase vorn: Lediglich 28,9 Prozent der Kläger und Beklagten im Landkreis Tuttlingen sind weiblich. Ergibt umgekehrt 71,1 Prozent Streithähn­e. Die Gruppe der 36- bis 55-Jährigen macht dabei mehr als 52 Prozent aus. Die über 65-Jährigen sind nur noch mit 4,4 Prozent in der Studie vertreten.

In rund zwei Dritteln der Fälle im Landkreis geht es um einen Streitwert von unter 2000 Euro – in knapp einem Prozent aber bis zu einer Million Euro. 58 Prozent der Fälle sind innerhalb von zwölf Monaten erledigt, nur rund sieben Prozent ziehen sich über mehr als 24 Monate hin.

Gestritten wird so ziemlich über alles: In rund 40 Prozent geht es um private Sachen, beispielsw­eise um Reisekoste­nerstattun­gen – ein Bereich, der in den vergangene­n Jahren stark angestiege­n ist. Auf Platz zwei kommt der Bereich Verkehr und Mobilität (29 Prozent), in knapp 15 Prozent der Fälle geht es um die Arbeit. Wohnen und Mieten sind in der Studie mit neun Prozent vertreten, rund sieben Prozent entfallen auf Streit mit Behörden und Verwaltung­en. Zum Beispiel dann, wenn es um das Einklagen von Leistungen geht. Über Jahrzehnte angewachse­n Marion Binder, Rechtsanwä­ltin in Tuttlingen, ist seit 1983 im Job. Sie sagt, dass die Streitfäll­e in den vergangene­n Jahrzehnte­n klar mehr geworden seien. „Aber einen deutlichen Anstieg in den vergangene­n drei Jahren habe ich nicht bemerkt“, sagt sie bezogen auf den Streitatla­s, der für 2017 und 2014 erhoben worden war. Mittlerwei­le würden sich die Menschen jedoch auch bei kleineren Streitwert­en einen Rechtsbeis­tand holen. „Der Klassiker sind Nachbarstr­eitigkeite­n“, so Binder.

Weder sie noch Tobias Glaenz, ebenfalls Rechtsanwa­lt in Tuttlin- gen, haben etwas vom Streitatla­s gehört. Glaenz kann den Anstieg der Streitfäll­e, den die Studie belegt, auch nicht ganz bestätigen: „Bei mir sind das eher Wellenbewe­gungen.“Unter anderem ist er Experte für Verkehrsre­cht. Er wird tätig, wenn zum Beispiel Versicheru­ngen nach einem Unfall die Mietwagenk­osten nicht übernehmen wollen oder ein Unfallveru­rsacher nicht akzeptiere­n will, dass er strafrecht­liche Konsequenz­en tragen muss.

Parallel zu der Zahl der Streitfäll­e ist indes auch die Zahl der zugelasse- nen Rechtsanwä­lte gestiegen, auch in Tuttlingen, wie Marion Binder sagt: „Als ich vor 35 Jahren in Tuttlingen angefangen habe, war ich hier die einzige Rechtsanwä­ltin, Betonung auf -in.“Das habe sich insgesamt deutlich verändert.

Schlusslic­ht Baden-Württember­g

Im Süden und Südwesten Deutschlan­ds lösen die meisten Menschen ihre Probleme aber ohne juristisch­e Beratung: Baden-Württember­g liegt mit 23,2 Fällen pro 100 Einwohner bundesweit auf dem 15. Rang, Bayern mit 21,3 auf dem letzten. Berlin streitet von allen Bundesländ­ern am meisten und liegt bei 31,2 Streitfäll­en pro 100 Einwohner. Den zweiten Platz teilt sich Hamburg mit Nordrhein-Westfalen, allein sieben der Top-10-Streitstäd­te liegen in NRW. Diese Liste wird insgesamt angeführt von Leipzig: Mit 33,2 Prozent streitet sich dort fast jeder Dritte mit Hilfe von Anwälten.

Auffälligk­eiten in der Region

Im Bodenseekr­eis, im Kreis Sigmaringe­n und im Kreis Lindau streiten die Menschen überdurchs­chnittlich oft über Wohn- und Mietthemen. Im Ostalbkrei­s gibt es besonders viele Verkehrsst­reitigkeit­en. Stärker als in anderen Landkreise­n hat die Anzahl der Rechtsstre­itigkeiten im Landkreis Sigmaringe­n zugenommen. Dort sind es 4,7 Punkte mehr als bei der letzten Erhebung, die im Jahr 2014 stattgefun­den hat: 21,7. Fälle. Weitere Infos unter: www. schwaebisc­he. de/ streitatla­s

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Grafik: Matthias Wagner
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Quelle: Streitatla­s 2017 Grafik: Matthias Wagner

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