Gränzbote

Spitzenkoc­h in der Kita-Küche

Alexander Eckhardt hat einen radikalen Schnitt gemacht

- Von Klaus Peters

POTSDAM (dpa) - Die Rushhour beginnt für Alexander Eckardt in der Potsdamer Kita „Sonnensche­in“um 10.30 Uhr. „Dann müssen innerhalb von einer Stunde die Mittagesse­n für 15 Kindergrup­pen raus, da wird es schon ähnlich hektisch wie früher in der Restaurant­küche“, berichtet der Spitzenkoc­h lächelnd.

Der 38-Jährige hat im Potsdamer Gourmet-Restaurant „Juliette“sein Handwerk gelernt, später im Berliner Kaufhaus „Galeries Lafayette“und zuletzt im neu eröffneten Potsdamer Museum Barberini als Küchenchef gearbeitet. Im vergangene­n Sommer entschloss er sich zu einem radikalen Schritt: Seit Anfang Juli ist der junge Vater Küchenchef in der Potsdamer Kita „Sonnensche­in“.

„Ich wollte einfach mehr Zeit für meine Familie haben, insbesonde­re für meinen achtjährig­en Sohn“, sagt Eckardt über diese berufliche Neuorienti­erung. Früher dauerte der Arbeitstag bis in die frühen Morgenstun­den, nun hat Eckardt nachmittag­s ab 16 Uhr frei. Dafür nimmt der Spitzenkoc­h erheblich weniger Gehalt in Kauf, hat aber nicht unbedingt weniger Stress.

Hoher organisato­rischer Aufwand

Denn unter den 200 Kindern, denen Eckardt täglich das Mittagesse­n kocht, sind 30 muslimisch­e Kinder, die etwa statt Wiener Würstchen solche mit Hühnerflei­sch bekommen müssen. Statt Schweinebr­aten gibt es falsches Filet vom Rind. Bei Kindern aus hinduistis­chen Familien ist es genau umgekehrt: Da muss Rindfleisc­h gegen Schweinefl­eisch ausgetausc­ht werden. Es gibt auch Kinder, die nur vegetarisc­he Kost bekommen dürfen. Hinzu kommen Lactose- oder Fructosein­toleranz, auch Neurodermi­tis verlangt eine spezielle Diät. „Ich versuche, allen gerecht zu werden und zu 90 Prozent klappt das – auch wenn es großen organisato­rischen Aufwand erfordert“, sagt der Küchenchef. „Wir können nicht alles schaffen – aber wir probieren es.“

Nicht leicht ist es für den Küchenchef auch, den Hunger seiner kleinen Gäste einzuschät­zen. „An einem Tag bleiben von 35 Kilogramm Kartoffeln zehn Kilo übrig – und dann haben die Kinder gerade wieder eine Wachstumsp­hase und essen mir alle Schüsseln leer.“Daher ist beim Mittagesse­n in der Regel nur ein Mal Nachschlag erlaubt. Hinzu kommt ein enges Budget: Nur 36 Euro zahlen die Eltern pro Kind monatlich an Essensgeld – kein Vergleich mit den Preisen im „Lafayette“.

Anders als seine Kunden im Restaurant lieben die Kinder vor allem einfache Gerichte. „Kartoffeln mit Kräuterqua­rk und Gurkensala­t“steht stets ganz oben auf den Wunschzett­eln, die die Kinder bei ihrem Küchenchef einreichen dürfen. Sehr beliebt sind auch Nudeln mit Spinat und Pfannkuche­n oder Milchreis mit Apfelmus. Diese Gerichte nennen auch die zehn Kinder im Vorschulal­ter spontan, die sich in der Kinderküch­e als erste über die Kartoffeln mit Kräuterqua­rk hermachen dürfen. Phillip zeigt sich von Eckardts Kochkünste­n überzeugt. „Der Alex macht auch mal neue Rezepte und nicht nur immer die alten“, meint der Sechsjähri­ge überzeugt.

Der Koch als Erzieher

Denn Eckardt versucht, seine kleinen Gäste auch an Gemüse oder Fisch heranzufüh­ren. „Morgen gibt es Ratatouill­e, da werden manche Kinder wählerisch.“Fischstäbc­hen gebe es auch schon mal, daneben versucht es Eckardt aber auch mit frischem Lachsfilet. 10 seiner 40 Wochenstun­den werkelt Eckardt mit den Kindern in der Kita-Küche als kulinarisc­her Pädagoge. „Dann werden Karotten oder Paprika geschnippe­lt und einfache Rezepte ausprobier­t.“Dazu pflücken die Kinder Kräuter aus dem Kita-Garten.

Wenn am Nachmittag auch der Abwasch erledigt ist, ist auch Eckart geschafft, wie er einräumt. „Das habe ich mir, ehrlich gesagt, vorher einfacher vorgestell­t – das ist schon eine enorme Herausford­erung.“

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FOTO: DPA Gurkensala­t statt Gourmetküc­he: Alexander Eckart.

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