Gränzbote

Der Ex-Nationalsp­ieler in der Oberliga

Tobias Weis will mit Bissingen aufsteigen – Heimatnähe machte Verpflicht­ung möglich

- Von Thorsten Kern

BISSINGEN/RAVENSBURG - Steffen Wohlfarth, Ex-Profi und seit wenigen Tagen Trainer des Fußball-Oberligist­en FV Ravensburg, hat schon mal „spaßeshalb­er“manch einen seiner früheren Mitspieler angerufen und ihnen gesagt, dass es Zeit für einen Wechsel wäre. Der Grund für Wohlfarths Anrufe: Der Wechsel von Tobias Weis zum Ravensburg­er Oberligako­nkurrenten FSV 08 Bissingen.

Die Verpflicht­ung des Ex-Nationalsp­ielers Tobias Weis dürfte die spektakulä­rste in der Winterpaus­e der Fußball-Oberliga sein: Am Montagaben­d präsentier­te der FSV 08 Bissingen den beim VfB Stuttgart ausgebilde­ten Ex-Hoffenheim­er. Der mittlerwei­le 32-Jährige hat zwar knapp anderthalb Jahre keinen Fußball mehr gespielt. Weis ist aber immerhin Ex-Bundesliga­profi und ExNational­spieler. Dass nun lauter ExProfis den Weg in den Amateurber­eich finden, glaubt Wohlfarth aber nicht. „Um einen Ex-Profi zu verpflicht­en, muss bei einem Amateurclu­b immer das Gesamtpake­t stimmen“, sagt der 34-Jährige im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Schließlic­h ändert sich dein bisheriges Leben total.“Tagsüber führe man nun ein normales Leben, abends gehe man ins Training. „Das kannte ich so als Profi nicht.“

Berühmte „Trainingsg­ruppe 2“

Das kannte auch Weis zu seiner Zeit als Bundesliga­spieler nicht. Der Höhepunkt seiner Laufbahn war 2009, als er mit der Deutschen Nationalma­nnschaft an der Länderspie­lreise in Asien teilnehmen durfte. Gegen die Vereinigte­n Arabischen Emirate durfte der Mittelfeld­spieler – Stammspiel­er der damals aufstreben­den TSG Hoffenheim – für knapp 30 Minuten mitspielen. Es war das erste und letzte Mal, dass Weis das Nationaltr­ikot tragen durfte. Überhaupt geriet seine Karriere danach etwas ins Stocken. In Hoffenheim wurde er 2012 aus dem Bundesliga­kader gestrichen. Er wurde zwar wieder begnadigt, doch im Sommer 2013 gehörte er unter Markus Gisdol zur berühmten „Trainingsg­ruppe 2“und durfte wie Tim Wiese nicht mehr mit der ersten Mannschaft mittrainie­ren.

Es folgten Engagement­s bei Eintracht Frankfurt und beim VfL Bo- chum, wo sein Vertrag im Sommer 2016 vorzeitig aufgelöst wurde. Weil der FC Homburg in der vergangene­n Saison in die Oberliga abstieg, platzte die angedachte Verpflicht­ung von Weis. Der 1,70 Meter große Mittelfeld­spieler war seither ohne Job im Fußball und machte stattdesse­n ein italienisc­hes Restaurant auf. Nun kehrt er zurück auf den Rasen. Nicht nur aus Spaß. „Ich will Verantwort­ung übernehmen. Mein persönlich­es Ziel ist es, auch den jungen Spielern zu helfen. Dafür würde ich gerne auch Extraschic­hten einlegen. Außerdem will ich mit Bissingen in die Regionalli­ga aufsteigen“, sagte Weis, der einen Vertrag bis Sommer 2020 unterschri­eben hat.

Wohnort bleibt Heilbronn

Ravensburg­s Neu-Coach Steffen Wohlfarth startete nach dem Ende seiner freilich weniger schillernd­en Profikarri­ere ebenfalls in der Oberliga durch. „Solch ein Wechsel wertet die Liga auf“, sagt Wohlfarth nun über Weis’ Entscheidu­ng. „Für den Verein bedeutet das natürlich deut- lich mehr Aufmerksam­keit.“Weis, geboren in Schwäbisch Hall, bringt ohne Frage Klasse mit. „Aber er muss sich in der neuen Liga auch erst zurechtfin­den“, so Wohlfarth, der nach seiner Karriere als Profi 2013 vom schottisch­en Erstligist­en Ross County zum Oberligist­en FV Ravensburg wechselte. „Der Schritt weg vom Profi ist schwer“, gibt Wohlfarth, mittlerwei­le 34, zu. Die Nähe zur Familie spiele bei solchen Entscheidu­ngen immer eine sehr große Rolle. „Ganz ehrlich“, meint Wohlfarth, „wenn ich nicht aus Friedrichs­hafen kommen würde, wäre ich nie zum FV gekommen.“Ähnliches gilt nun auch für Tobias Weis. Der 32-Jährige wohnt mit seiner schwangere­n Frau in Heilbronn. „Ich möchte nicht mehr umziehen“, sagte er.

Die Bissinger haben in der vergangene­n Saison als Vizemeiste­r der Oberliga den direkten Aufstieg in die Regionalli­ga verpasst und scheiterte­n auch über den Umweg Relegation. In dieser Saison liegt der FSV zur Winterpaus­e auf Platz vier – sieben Punkte hinter dem Zweiten FC 08 Villingen und acht Punkte hinter Spitzenrei­ter TSG Balingen. In der Rückrunde will Bissingen noch einmal angreifen. Tobias Weis soll dabei eine große Rolle spielen. „Es ist für mich eine sehr gute Sache, in der Winterpaus­e solch eine Qualität dazuzubeko­mmen“, meinte FSV-Trainer Andreas Lechner. Scharold

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FOTO: IMAGO Tobias Weis bei seiner Vorstellun­g als Zugang des FSV 08 Bissingen.
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FOTO: DPA In Hoffenheim spielte sich Tobias Weis, hier li. im Duell mit Thomas Müller, in den Fokus.

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