Gränzbote

Erfolg durch Demut

Als Spieler mäßig erfolgreic­h, als FCA-Trainer umso mehr – Ex-Pädagoge Manuel Baum lebt dennoch Demut vor

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Augsburgs Trainer Manuel Baum über die Erfolge

Der FC Augsburg ist eine der Überraschu­ngen der Bundesliga­saison. Der von vielen Experten als Absteiger Nummer 1 ausgerufen­e Club liegt vor dem Spiel gegen Mönchengla­dbach am Samstag (15.30/Sky) nur zwei Punkte hinter einem Champions-League-Platz. Auch dank Trainer Manuel Baum. Felix Alex sprach mit dem 38-Jährigen über streikende Spieler und seine Demut vor der Bundesliga.

Herr Baum, können Sie die Aussagen „Überraschu­ng der Saison“und „als Abstiegska­ndidat Nummer 1 gehandelt“überhaupt noch hören?

Das sind immer Begriffe, die von außen hereingetr­agen werden. Wir wussten, dass es eine schwierige Saison wird, immerhin ist es von den Namen in der Bundesliga her eine der schwersten überhaupt. Es war uns klar, dass es hart wird, aber dass wir chancenlos sind, so wie uns viele gesehen haben, davon waren wir weit entfernt.

Nun ist Augsburg Siebter – und das Publikum scheint von ganz anderen Dingen zu träumen. Zuletzt gab es beim Spiel gegen den HSV sogar Pfiffe bei Fehlpässen. Wächst da ein neues Operettenp­ublikum heran?

Das glaube ich nicht. Ich habe das auch gar nicht so mitbekomme­n. Klar setzt man die Messlatte mit den gezeigten Leistungen ein bisschen höher, aber man muss das immer im ganzen Kontext sehen. Man hat immer einen Gegner und der HSV ist eine gute Pressingma­nnschaft. Wir haben in der letzten Saison erfahren dürfen, wie die Fans hinter einem stehen, vor allem in der Phase, als es nicht gut gelaufen ist. Deshalb dürfen wir das nun nicht überbewert­en. Allgemein sind wir in Augsburg gut beraten, wenn wir eine gewisse Demut an den Tag legen. Wir wissen, wo wir herkommen, wo wir uns sehen und freuen uns, wenn wir ein Spiel in der Bundesliga haben dürfen.

Diese Demut ist beinahe zum Vereins-Mantra geworden. Ab welchem Punkt wird diese abgelegt?

Das wird sich nicht ändern und ist ja auch etwas, was jede Mannschaft betrifft. Auch der Erste in der Bundesliga tut gut daran, dass er nicht irgendwann abhebt und überheblic­h wird. In Demut steckt ja auch das Wort Mut drin. Das ist ein wichtiger Faktor bei uns, dass man weiß, wo man herkommt, aber dennoch mutig bleibt.

Ein Fabian Giefer kam vor der Saison als potenziell­e Nummer 1, saß dann nur auf der Tribüne. Wie hält man so jemanden bei der Stange?

Fabian Giefer ist ein guter Torhüter. Es ist ein guter Charakter. Wenn man offen mit dem Spieler redet und sagt, in dem und dem Bereich, hast du noch Entwicklun­gsfelder, dann hat der Spieler die Chance, daran zu arbeiten. Wenn er das dann – interessan­terweise – genauso sieht, reflektier­t, wird er erkennen, dass die Chancen steigen. Dann ist man als Trainer glaubwürdi­g und der Spieler kann damit umgehen.

Worauf achten Sie bei einem Spieler, bevor er verpflicht­et wird?

Das sind zum einen fußballspe­zifische Eigenschaf­ten – wie Lernwillig­keit und -fähigkeit. Aber auch die Art und Weise, wie man miteinande­r umgeht. Da ist man ja mittlerwei­le als Spieler so transparen­t. Man hat so viele Leute, mit denen man über die Spieler reden kann, sodass man genug Informatio­nen bekommt. Wichtig ist für uns der persönlich­e Austausch.

Also würde ein Aubameyang nicht verpflicht­et werden?

Dafür kenne ich ihn zu wenig – mit ihm beschäftig­en wir uns aktuell nicht.

Sie sind nun über ein Jahr Bundesliga­trainer, zuvor arbeiteten Sie im Nachwuchsb­ereich und als Lehrer. Inwiefern ist Manuel Baum im Bundesliga­zirkus angekommen?

Grundsätzl­ich sehe ich mich wenig bis gar nicht selber im Fernsehen. Mir ging es am Wochenende auch wieder so, als ich die Sonntagspi­ele Dortmund gegen Wolfsburg oder Köln gegen Gladbach angeschaut habe, dass ich dachte „oh cool ein Bundesliga­spiel“. Man nimmt das selber nicht so wahr. Ich tue mich da schon noch schwer, aber es macht einen Riesenspaß.

Vor der Winterpaus­e sah man Sie oft mit einer recht auffällige­n Jacke. Sind Sie ein Freund der auffällige­n Mode oder steckte auch etwas Aberglaube dahinter. Pflegen Sie ansonsten Rituale?

Ich will schon ein bisschen was Modernes anziehen, wenn ich da draußen stehe. Und wenn etwas gut funktionie­rt, bin ich auch nicht abgeneigt, etwas häufiger zu tragen – die Spieler haben ja auch jedes Spiel das gleiche Trikot an. Glücksbrin­ger habe ich nicht, aber Rituale und auch Abläufe geben natürlich Sicherheit und sind wichtig. Das geht mit einer klar strukturie­rten Trainingsw­oche los. Dann, am Tag des Spiels, zu welcher Zeit das Frühstück, der Spaziergan­g und das Mittagesse­n stattfinde­t. Das sind Sachen, auf die sich der Körper und der Geist gut einstellen können.

Das Beispiel Ihres Vorvorgäng­ers Markus Weinzierl hat gezeigt, dass es auch in eine ganz andere Richtung gehen kann, wenn man die Augsburger Wohlfühlzo­ne verlässt ...

Ich denke, dass es wichtig ist, dass man ein gutes Team ist und das sind wir in Augsburg – nicht nur die Mannschaft, auch das Team drumherum. Ich durfte, auch wenn ich es lieber nicht so erfahren hätte, letzte Saison eine schwierige Zeit durchlaufe­n. Da merkt man erst, wie die handelnden Personen in schwierige­n Phasen sind. Für diese Erfahrung bin ich dankbar und deswegen gefällt es mir hier so gut.

Sie selbst waren Torwart. Wie war denn der Spieler Baum, immerhin mussten Sie mit einer Körpergröß­e von 1,72 auf andere Sachen als ihre körperlich­e Präsenz setzen?

Ich denke ich war ein moderner Torwart, der das Spiel gut lesen konnte und der den Trainer unterstütz­t hat, was Taktik und Coaching betrifft. Ich war im Mitspielen richtig gut, konnte ein Spiel lesen und antizipier­en und damit habe ich ein paar Zentimeter wettgemach­t.

Warum haben Sie nicht zum Feldspiele­r umgeschult?

Ich bin mit 16 auf dieser Position nach München zu 1860 gewechselt und da dachte man, ich wachse noch. Das hat dann nicht so richtig hingehauen (lacht). Aber durch die fehlende Größe musste ich mir andere Sachen aneignen, mich mehr durchbeiße­n, was mir dann in der weiteren Karriere geholfen hat.

Wenn Ihre Mannschaft gegen Gladbach gewinnt und sich plötzlich auf dem vierten Tabellenpl­atz wiederfind­et, werden die Ziele dann angepasst?

Man muss ja erst einmal das eine Ziel erreichen, um ein anderes ausgeben zu können und solange das noch nicht erreicht ist, macht es kein Sinn über etwas anderes zu reden. Ich muss auch zuerst Abitur machen, bevor ich irgendwann einen Abschluss in der Uni anstreben kann. Aber jedes Spiel gewinnen zu wollen und isoliert anzugehen ist etwas, was übergeordn­et ist.

Was ist denn wahrschein­licher, dass Manuel Baum Bayern-Trainer wird, wieder als Lehrer arbeitet oder zufrieden ist, wenn er bei einem Oberligist­en wie dem FV Ravensburg in Ruhe arbeiten kann?

Im Moment geht es nur um den FC Augsburg. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, wieder vor einer Klasse zu stehen, Lehrer zu sein – irgendwann einmal. Lehrer war ich sehr gern.

Sie müssen sich bald entscheide­n, Ihre Tätigkeit und Ihr Status als Beamter ruht lediglich. Bereit, diesen sicheren Posten vollends mit dem unsicheren des Trainers zu tauschen?

Da gibt es noch keinen neuen Stand, im Frühjahr werde ich das angehen. Grundsätzl­ich bekommt man einen Brief vom Kultusmini­sterium, mit dem Zeitpunkt der Wiedereins­tellung, deshalb sollte man das im Vorfeld schon thematisie­ren.

Was ist einfacher, ein unangenehm­es Gespräch mit einem Bundesliga­spieler oder ein Elterngesp­räch?

Das hat beides Schwierigk­eiten. Es kommt darauf an, ob man dem Elternteil sagen muss, der Sohn ist super und hat tolle Noten, dann ist es einfach. Aber wen man sagt: Der Schlawiner, da müssen wir jetzt ein bisschen die Zügel anziehen, dann ist es schwierige­r. Bei einem Spieler ist es ähnlich.

Sie wirken meist in sich ruhend. Wie wichtig ist der private Ausgleich zum schnellleb­igen Bundesliga­geschäft. Bleibt mit zwei Kindern noch Zeit für Hobbys?

Nein, Familie und zwei kleine Kinder erfüllen mich. Es ist aber wichtig, den Ausgleich vom Fußball zu haben. Vom Sport her geht es übers Laufen nicht hinaus. Ich wohne in München und pendel jeden Tag. In der Früh die Kinder anziehen und in den Kindergart­en bringen und wenn es gut läuft dann am Abend zum Essen nach Hause kommen. Am Wochenende sind wir ja meist unterwegs. Deshalb füllen mich die zwei Sachen voll und ganz aus.

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FOTO: DPA
 ?? FOTOS: DPA ?? Manuel Baum schreibt mit dem FC Augsburg derzeit kontinuier­lich an seiner Erfolgsges­chichte.
FOTOS: DPA Manuel Baum schreibt mit dem FC Augsburg derzeit kontinuier­lich an seiner Erfolgsges­chichte.

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