Gränzbote

„Essgewohnh­eiten sind Traditione­n, es dauert eine Weile, bis sie geändert werden“

Das junge Schweizer Unternehme­n Essento glaubt fest an die Zukunft der Insekten als ganz normale Lebensmitt­el

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ZÜRICH - Während deutsche Behörden noch hadern, ist die Schweiz bereits weiter: Seit Mai 2017 sind in unserem Nachbarlan­d Mehlwürmer, Wanderheus­chrecken und Grillen als Lebensmitt­el zugelassen. Die Essento Food AG in Zürich arbeitet bereits seit mehreren Jahren an Fertigprod­ukten aus Insekten und hat es damit sogar in Supermarkt­regale geschafft. Lilia Ben Amor hat mit Marketingu­nd Verkaufsle­iter Melchior Füglistall­er über den Insektenma­rkt gesprochen.

Herr Füglistall­er, hatten Sie Ekel, Insekten zu essen? anfangs

In der westlichen Kultur gibt es diesen Widerstand am Anfang schon. Es hilft, wenn man offen dafür ist, neue Lebensmitt­el zu probieren. Wenn man es mal ausprobier­t hat, stellt man schnell fest, dass es wirklich gut schmeckt. Das kann ich aus persönlich­er Erfahrung bestätigen, weil ich jetzt sehr regelmäßig Insekten esse und das überhaupt kein Problem ist für mich.

Woher kommen die Insekten, die Sie verarbeite­n?

Wir beziehen die Insekten zurzeit aus Österreich, Belgien und der Schweiz. Sie werden dort gezüchtet und wir importiere­n sie dann. Bei uns werden sie ganz angeliefer­t und wir verarbeite­n sie zu dem Burger, Balls und dem Riegel.

Wie kommt Ihr Schweiz an? Angebot

Sehr gut, unsere Erwartunge­n wurden grundsätzl­ich übertroffe­n. Ich glaube, wir haben ein Format gefunden, wie der Einstieg in diese Genusswelt vereinfach­t werden kann. Und schlussend­lich ist uns wichtig, dass unsere Produkte gut schmecken. Wir haben uns sehr lange mit der Rezeptur auseinande­rgesetzt und immer wieder getestet. Wir haben da Produkte kreiert, die lecker sind und deswegen gut ankommen.

Was ist Ihr Bestseller? in der

Das ist zurzeit der Früchterie­gel mit Grillenmeh­l. Vielleicht weil er genussfert­ig ist, und den Burger und die Balls muss man doch noch aufwärmen. Der Riegel ist als Sportlerna­hrung beliebt, und er trifft den Nerv der Zeit. Ich denke, das ist ein Grund, warum er so beliebt ist.

Tue ich meinem Körper etwas Gutes damit, Insekten zu essen?

Die gesundheit­lichen Benefits sind wissenscha­ftlich bestätigt. Insekten haben ein sehr interessan­tes Nährwertpr­ofil. Wir reden von Vitamin A, B, B12, viel Eisen, weiteren Mineund ralien wie Zink viel Protein. Getrocklen nete Grillen haben einen Proteinant­eil von über 60 Prozent. Das ist sehr hoch und deshalb sehr interessan­t für den menschlich­en Körper.

Das klingt so, als könnten Insekten jetzt schon die Ernährung revolution­ieren.

Theoretisc­h haben sie das Potenzial dazu. Aber es ist so, dass Gewohnheit­en und vor allem Essgewohnh­eiten verankerte Traditione­n sind, bei denen es eine Weile dauert, bis sie geändert werden. Vor 50 Jahren oder sogar vor 30 Jahren wollte niemand Sushi essen und alle fanden es eklig. Jetzt ist es das Lifestyle-Produkt. Aber natürlich sind wir heute alle ein wenig schneller unterwegs, deswegen denken wir, dass es auch schneller adaptiert wird.

Sie frieren die Insekten ein, um sie zu töten. Was sagen Tierschütz­er dazu?

Wir sind mit dem Tierschutz in der Schweiz im Austausch. Wir möchten einen Weg gehen, der für alle stimmt, damit es nicht zu Skandalen wie in der Fleischind­ustrie kommt. Es gibt noch nicht sehr viele oder umfassende Studien zu Insekten respektive essbaren Insekten. Es gibt Studien zum Schmerzemp­finden, die aber bislang nicht auf ein abschließe­ndes Statement kommen. Uns ist wichtig, dass diese Forschung intensivie­rt und vorangetri­eben wird. Deswegen sind wir Mitglied bei Iglis (Interessen­gemeinscha­ft für Insekten als Lebensmitt­el in der Schweiz), das ist eine Vereinigun­g, die die Marktinter­essen und die Forschung rund um essbare Insekten in der Schweiz vorantreib­t.

Wieso sollte ich gezüchtete Insekten kaufen? Ich kann einfach in den Garten gehen und ein paar Heuschreck­en fangen.

Theoretisc­h ja, aber wir raten davon ab, das in großem Stil zu machen. Insekten können in freier Wildbahn Schwermeta­lle anreichern, was nicht mehr so gesund ist. Das kommt durch Umwelteinf­lüsse und die Ernährung, je nachdem, wo man sie sammelt.

Wie viel Übung muss ich haben, um Insekten selber lecker zuzubereit­en?

Das ist sehr einfach. Wir bieten mit unseren Produkten natürlich auch einen leichten Einstieg. Auch um ganze Insekten zuzubereit­en, bedarf es keiner großen Kochkünste. Man kann sie in der Bratpfanne mit etwas Öl oder Butter anbraten und dann zum Beispiel als Snack genießen. Oder als Zutat, als Topping beim Salat, bei Pasta oder als Füllung bei Ravioli. Die Möglichkei­ten sind vielfältig und der Einstieg ist sehr einfach.

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FOTO: DIETER SCHATZ Insekten-Fan Melchior Füglistall­er.
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