Unflat à la Trump
Zunächst einmal eine Bitte um Generalpardon, wenn es heute an dieser Stelle ordinärer zugeht als gewohnt. Schuld ist allein Donald Trump. Der US-Präsident soll dieser Tage Länder wie Haiti und El Salvador und einige afrikanische Staaten als shithole countries bezeichnet haben. Wörtlich übersetzt also Scheißloch-Länder. Dass er es nachher dementierte, kann man getrost vergessen – seine übliche Masche. Normalerweise würden wir um ein solches Wort einen weiten Bogen machen, aber was hierzulande passierte, ist nicht ohne Belang. Unsere Medien haben shithole countries mit Drecksloch-Länder übersetzt. Das klingt zwar auch nicht gerade fein, jedoch nicht so schlimm wie das Originalzitat. (Wobei es übrigens laut Duden Dreckloch heißen müsste.) Zur Rechtfertigung dieser Abschwächung wurde unter anderem aus
dem Oxford Dictionary zitiert: shithole = an extremely dirty, shabby, unpleasant place. Also ein extrem schmutziger, schäbiger, unangenehmer
Ort. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass man im Englischen sehr wohl die Assoziation von Exkrementen hat, wenn von einem
shithole die Rede ist. Für vornehme deutsche Zurückhaltung wie im Fall Drecksloch gibt es auch andere Beispiele: Vor wenigen Jahren brauste erstmals ein Shitstorm in unseren Medien auf. Damals hat man diesen US-Begriff für einen
Sturm der Entrüstung im Internet stillschweigend übernommen. Statt
shitstorm einfach Scheißsturm zu sagen, kam bis heute niemandem in den Sinn, und dieses Verstecken hinter dem Fremdwort spricht ebenfalls für eine euphemistische, also beschönigende Tendenz. Aus einem Grund ist das Ganze tröstlich: Vor rund 30 Jahren sorgte ein Buch bei uns für einiges Aufsehen. „Sie mich auch!“lautete sein hintergründiger Titel, und der US-Ethnologe Alan Dundes breitete darin die gnadenlose These aus, der Deutsche an sich sei analfixiert. Scheiße sei eines seiner wichtigsten Wörter. Kein Volk der Welt habe – eine Folge von übertriebener Sauberkeitserziehung – eine derart infantile Lust an der Fäkalsprache. Die Abrechnung gipfelte im Vorwurf, von dieser Mischung aus Hygienewahn und psychotischem Hang zum Kotigen führe eine Spur direkt nach Auschwitz. Natürlich war dieser Frontalangriff völlig überzogen. Shithole, shitstorm, shithead, shithouse etc. sprechen für sich. Und auch andere Nationen reagieren sich schließlich mit Fäkalvokabeln ab:
merde, merda, mierda ... Aber der Schock wirkte, und man ertappte sich fortan dabei, mit diesem unflätigen Wort sparsamer umzugehen. Was ja auch nicht schaden kann. Übrigens fielen die Übersetzungen von shithole countries in den bei Kraftwörtern sehr heiklen asiatischen Medien noch dezenter aus als bei uns. In Japan sprach man von schmutzigen Ländern, in Vietnam von MüllLändern, in Südkorea von Bettlerhöhlen. Und die staatliche Nachrichtenagentur Taiwans schrieb von Ländern, in denen nicht einmal Vögel Eier legen wollen – apart, aber man versteht. Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ●» r.waldvogel@schwaebische.de