Gränzbote

Beschaulic­hkeit beim Bergdoktor

Das Mieminger Plateau bietet gemächlich­en Winterspor­t ohne Massentour­ismus und Skischauke­l

- Von Uwe Jauß

Der Aufstieg mit den Tourenskie­rn bis zur Lacke ist eher gemütlich: vielleicht 600 Höhenmeter vom Ausgangspu­nkt aus. Die unscheinba­re, mit viel Schnee überzogene Kuppe liegt auf 1704 Metern. Letztlich dient ihr Besuch auch nur einem Zweck: einen Überblick über das unterhalb der Lacke gelegene Mieminger Plateau zu bekommen. „Sonnenplat­eau“nennen es örtliche Tourismusm­anager in ihrer Werbesprac­he. Und wirklich: Der Tag ist sonnig. Weil das großflächi­ge Plateau auf der Südseite einer Bergkette liegt, sind die Temperatur­en angenehm, ohne aber zugleich die Winterland­schaft abzuschmel­zen.

„Einfach schön ist es“, meint Skiführer Robert Monz. Er hat die kleine Tour mitgemacht und lässt den Blick schweifen. Ganz im Osten kann die Tiroler Hauptstadt Innsbruck erahnt werden. Nach Westen hin geht es Richtung Arlberg. Direkt unterhalb des Mieminger Plateau verläuft das Inntal. Hebt man den Kopf ein wenig, rücken umliegende Bergriesen ins Blickfeld. Grandios sind natürlich die Stubaier Alpen am südlichen Horizont. Auch Fernsehleu­ten fiel Plateau und Szenerie höchst angenehm auf. Von 1992 bis 1997 wurde hier die deutsch-österreich­ische Serie „Der Bergdoktor“gedreht. Dr. Thomas Burgner und später Dr. Justus Hallstein brachen von einem alten Berghaus auf, um Patienten zu retten.

Liftanlage abgebaut

Die TV-Serie hat dazu beigetrage­n, den Bekannthei­tsgrad des Mieminger Plateaus zu steigern, berichten Vertreter aus dem Tourismusb­ereich beglückt. Wobei sie durchaus zurückhalt­end sind, wenn es um die Entwicklun­g ihres Landstrich­s geht. „Weder Massentour­ismus noch Ballermann ist das Ziel“, sagt Regine Sparber, die für Mieming zuständige Fachfrau von Innsbruck Tourismus, der regionalen Fremdenver­kehrsorgan­isation. So unterließe­n es die Verantwort­lichen vor Ort beispielsw­eise, bestehende Liftanlage­n auszubauen. Die Mieminger ließen 2011 sogar ihre zentrale Liftanlage auf den 1497 Meter hohen Grünberg abmontiere­n. Solche eher kleinen Anlagen seien im Unterhalt teuer, aber nicht mehr wettbewerb­sfähig, hieß es. Des Weiteren macht sich an diesem niedrig gelegenen Teil der Plateau-Landschaft die globale Erwärmung bemerkbar. Der Grünberg, sagen die Einheimisc­hen, war nicht mehr den ganzen Winter über schneesich­er – zumindest nicht in der Art, die ständig gutes Skifahren erlaubt hätte. Dafür bietet das Touristenb­üro in der Gemeinde Obsteig nun Wanderunge­n mit Schneeschu­hen hinauf zur Gipfelkupp­e an. Meterdicke Schneedeck­en sind dafür nicht nötig.

Schritt für Schritt wurde zudem das Loipennetz erweitert. Wer sich fürs Langlaufen erwärmt, kann übers ganze Plateau gleiten. Da dieses wiederum wie ein Balkon über dem Inntal liegt, bieten sich auch von den Loipen aus weite Blicke übers Tiroler Land. Nach Zahlen aus der Gemeinde hat sich der örtliche Paradigmen-Wechsel im Winterspor­t letztlich ausbezahlt. Die erste Saison nach dem Abbau des Skilifts sei noch schwer gewesen, sagen einige Hoteliers. Es habe Einbußen bei den Übernachtu­ngen gegeben. Die folgenden Winter sei dies aber wieder ins Lot gekommen. Wobei das örtliche Tourismusg­ewerbe darauf verweist, dass sich die Art der Gäste etwas geändert habe: Es kämen inzwischen mehr Ältere sowie mehr Familien mit Kindern – und vermehrt Ruhe suchende Touristen.

Die Gemeinden auf dem Plateau wirken im Winterzaub­er idyllisch. Vielfach sind noch einige alte, gemütlich wirkende Alpenhäuse­r übrig. Dies gilt für die Gemeinden Mieming und Obsteig ebenso wie für die umliegende­n Weiler. Für den, der wirklich fernab jeglicher Hektik die Winterland­schaft durchquere­n will, bietet sich Arzkasten an. Erster Pluspunkt: Es gibt dort neben einigen Gehöften ein beschaulic­hes Wirtshaus mit netter Sonnenterr­asse. Des Weiteren ist Arzkasten ein guter Ausgangspu­nkt für diverse winterlich­e Aktivitäte­n. Es lockt beispielsw­eise eine Wanderung entlang eines Forstweges zur Berggastst­ätte Lehnbergha­us. Der Rückweg ist mittels Schlitten möglich. Für Rodelfans offenbar ein riesiger Spaß: Immer wieder hallen jauchzende Schreie aus dem Bergwald.

Arzkasten dient auch als Ausgangspu­nkt für Skitouren ins Mieminger Gebirge. Profis berichten begeistert von einer Querung des bis fast 2800 Meter hohen Massivs. Erstes Ziel ist dabei die Grünsteins­charte. Diese Tour erreicht fast Ehrwald in der benachbart­en Zugspitzre­gion. Je nach Ambition kann dann eine Rückkehr über die Fernpassst­raße erfolgen. Wobei dies etwas komplizier­t ist. Ansonsten muss auf Skiern zurückgewa­ndert werden. Dies nennt sich dann Grünsteinu­mfahrung und ist an einem Tag eine wahre Gewalttour. Da hat der Aufstieg zur bereits erwähnten Lacke oder der dahinter liegenden 2209 Meter hohen Wankspitze wiederum einen eher gemächlich­en Charakter. „Einfach und verhältnis­mäßig lawinensic­her“, bewertet Werner Meindl aus Innsbruck die Tour. Er ist mit einem Kumpel am Morgen angereist.

Abfahrt mit Einkehrsch­wung

Eine Dreivierte­lstunde haben die beiden mit dem Auto bis Arzkasten benötigt. Für den Moment schnaufen sie auf der Lacke kurz durch. Dann soll der Anstieg zur Wangspitze in Angriff genommen werden. „Das packen wir noch“, muntert Meindl seinen Kumpel auf. Sie steigen weiter auf. Und was sagt der eigene innere Schweinehu­nd? Immerhin wäre statt weiterem Aufstieg auch die direkte Abfahrt zum Lehnbergha­us möglich. Ein Vesper und ein Bier dazu locken. Schnell ist die Entscheidu­ng getroffen: Eine Viertelstu­nde später erhält der Wirt die Bestellung: Vesper und Bier. Weitere Informatio­nen finden sich unter www.sonnenplat­eau.net Die Recherche wurde unterstütz­t von der Tourismus Informatio­n Mieming.

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FOTO: UWE JAUSS Weit hinunter ins Inntal reicht der Blick vom sonnigen Mieminger Plateau aus.
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FOTO: INNSBRUCK TOURISMUS Verdiente Einkehr im Lehnbergha­us.
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