Schulz will Minister werden
Gerüchte um SPD-Chef zum Start der Verhandlungen
BERLIN (her/ts) - Pünktlich zum Start der Koalitionsverhandlungen mit der Union wurde am Freitag bekannt, dass SPD-Chef Martin Schulz (Foto: AFP) offenbar Minister in einer künftigen Großen Koalition werden möchte. Der „Spiegel“berichtet, dass Schulz mehreren Mitgliedern der Parteispitze zu verstehen gegeben habe, dass ein Verzicht für ihn nicht infrage komme.
Vor dem Parteitag am vergangenen Sonntag hätten führende Sozialdemokraten Schulz’ Bereitschaft getestet, Parteivorsitz und Regierungsamt zu trennen. Schulz habe dies abgelehnt. „Er ist da entschieden“, zitierte das Magazin einen Parteivize. Es wird damit gerechnet, dass er Außen- oder Finanzminister werden könnte. Direkt nach der Bundestagswahl hatte der 62Jährige noch gesagt: „In eine Regierung Angela Merkel werde ich nicht eintreten.“Die SPD ließ den Bericht am Freitag unkommentiert.
BERLIN - Neue Köpfe, neue Inhalte: Die Grünen wollen sich auf ihrem Parteitag in Hannover neu positionieren und gut für die Opposition im deutschen Bundestag aufstellen. Werden alte Gräben überwunden, nehmen sie Abschied vom Flügelproporz? Das könnte am Samstag die Wahl der Parteispitze zeigen. Denn die Wahl von Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck gilt im Vorfeld als ziemlich sicher. Doch kann neben dem Realo Habeck eine weitere Vertreterin der Realos, die junge Annalena Baerbock aus Potsdam, gewinnen oder hat die altgediente linke niedersächsische Fraktionschefin Anja Piel bessere Karten?
„Das wird knapp“, ist die Antwort vieler Grüner auf die Frage, welche der beiden Frauen wohl gewinnt. Robert Habeck muss man nicht mehr vorstellen. Er hat bereits im letzten Jahr in Berlin seinen Hut in den Ring geworfen, als er mit Cem Özdemir um die Spitzenkandidatur für den Bundestagswahlkampf konkurrierte und knapp verlor. Habeck ist Schriftsteller und Landesminister, er sieht attraktiv aus und kann mit den Leuten gut umgehen, er inszensiert sich als „Draußenminister“auf Wiesen und Feldern und philosophiert gerne über die Zukunft der Grünen, flügelübergreifend und mit ganz neuen Visionen. Diese Wirkung haben die beiden Kandidatinnen Anja Piel und Annalena Baerbock bisher nicht erzielt.
Fünf-Minuten-Vorstellung
Ganz bescheiden stellten sich die beiden Kandidatinnen in dieser Woche vor dem kleinen Parteitag der Berliner Grünen vor.
Annalena Baerbock kommt aus Brandenburg, ist klimapolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag und will „radikal für Klimaschutz“kämpfen. Die 37Jährige ist schon als Zweijährige mit ihren Eltern bei Abrüstungsdemos gewesen. Sie studierte Politikwissenschaften, öffentliches Recht und Völkerrecht, und arbeitet zunächst in der Bundestagsfraktion mit, bevor sie 2013 als Abgeordnete in den Bundestag einzog.
In ihrer Fünf-Minuten-Vorstellung in einer Aula am Prenzlauer Berg in Berlin betont sie, dass sie mehr gesellschaftliche Debatten führen will. „Wir müssen da sein, wo geredet werden will.“Sehr engagiert ist sie in Sachen Klimaschutz. Sie ist bekannt dafür, dass sie sich mit der Gewerkschaft der Kohle-Kumpel, der IGBCE, auch mal anlegt, sie will Ökologie und Soziales nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Der Grünen-Parteitag in Hannover soll zuerst den Frauenplatz entscheiden. Das findet Baerbock richtig, denn man solle „nicht warten, welcher Mann antritt und dann entscheiden, welche Frau man nimmt.“
Anja Piel ist eine sehr viel traditionellere Kandidatin. Die 52-jährige Industriekauffrau ist seit einem Dutzend Jahren stellvertretende Ortsbürgermeisterin von Fischbeck, sie war Landesvorsitzende der niedersächsischen Grünen und ist heute Fraktionsvorsitzende. Launig stellt sie sich in Berlin vor. „Ich habe zwei Kinder, zwei Hunde und einen Mann, der sich immer ärgert, dass er zum Schluss genannt wird.“Die Lübeckerin Piel kam mit der AKW-Bewegung nach Niedersachsen. Die Parteilinke wurde 2005 in den Parteirat gewählt und sie schwärmt geradezu von Parteiarbeit. „Sie wärmt mein Herz“. Piel legt Schwerpunkte auf Jugendarmut und sozialen Wohnungsbau, sie fordert mehr energetische Gebäudesanierungen. Und sie rät, Seite an Seite mit Bewegungen wie Pulse of Europe für Europa zu kämpfen. Sie will ihre Erfahrungen aus Niedersachsen im Bund einbringen. Die Grünen könnten mehr als Klima, Luft und Wälder. „Wir sind Vollsortimenter“, sagt sie in Berlin. Als Parteivorsitzende in die Hauptstadt zu kommen, ist für sie kein Problem, denn ihre Tochter wohnt im Bezirk Neukölln. Auch Baerbock hat es nah. Die Potsdamerin, Mutter zweier Kinder, ist in ein paar Minuten in Berlin.
Annalena Baerbock gehörte dem Jamaika-Sondierungsteam an. Sie hat dafür geworben, das alte Flügeldenken zu überwinden. Ob die Parteilinken aber ihre Zustimmung zu einer Parteispitze geben würden, die aus zwei Realos besteht, ist unsicher. Cem Özdemir hat für das Duo Habeck und Baerbock geworben. Doch auch dies wird nicht von allen Delegierten als Empfehlung verstanden.