Gränzbote

Was Narren von Jecken unterschei­det

Winfried Kretschman­n bekommt am Samstag in Aachen den „Orden wider den tierischen Ernst“

- Von Marc Herwig

AACHEN/RIEDLINGEN (dpa) - Für Schwaben ist das Rheinland Brauchtums-Ausland. In der fünften Jahreszeit umso mehr. Denn während die Rheinlände­r sich im Karneval einfach ein buntes Hütchen aufsetzen und schunkeln, ist der Fastnachts­humor im Schwäbisch­en traditione­ll eher ernsthaft. Wenn Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n heute in Aachen den „Orden wider den tierischen Ernst“verliehen bekommt, prallen beide Traditione­n aufeinande­r: Der eingefleis­chte Narr Kretschman­n wagt sich in die Bütt. Ein Blick auf Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten.

Häs oder Häschen: Das Häs, also das Kostüm, ist das Entscheide­nde für einen schwäbisch-alemannisc­hen Narren: Oft orientiert es sich an jahrhunder­tealten Vorbildern, wird in kunstvolle­r Handarbeit hergestell­t und kann so einige Tausend Euro kosten. Die Larve, also die handgeschn­itzte Holzmaske, muss in Fastnachts­hochburgen wie Rottweil erst einmal das strenge Prüfverfah­ren der Zunft überstehen – denn nichts soll die Tradition des berühmten Narrenspru­ngs verwässern. Und im Rheinland? Da ist das Häs oft genug ein Häschen. Der Overall aus Plüsch mit langen Ohren ist in Kostümgesc­häften ab 25 Euro zu haben. Wobei sich viele Karnevalsf­ans mit ihrem Kostüm sehr viel Mühe geben – und nicht einfach von der Stange kaufen würden.

Süß oder herzhaft: Der Rheinlände­r mag es im Karneval süß: Tonnen von Kamelle werden bei den Rosenmonta­gsumzügen ins jecke Publikum geworfen. Schwäbisch-alemannisc­he Narren mögen es da auch gerne herzhaft: Kretschman­n zum Beispiel isst zur Fastnacht am liebsten Froschkutt­eln. Das ist das traditione­lle Gericht seiner Narrenzunf­t Gole in Riedlingen. Dort geht es urigderb zu, Frauen sind von dem traditione­llen Mahl bis heute ausgeschlo­ssen. Und bevor die Rheinlände­r das Würgen kriegen: Froschkutt­eln sind eine Suppe aus Rinderinne­reien.

Bützje oder Saublodere: Man hakt sich ein, rückt zusammen und gibt sich auch gerne mal ein Küsschen auf die Wange. Bützje gehören zum rheinische­n Karneval einfach dazu. Und im Schwäbisch-Alemannisc­hen? Da bekommt man auch öfter mal was auf die Wange, aber anders: Im Rottweiler Narrenspru­ng stürmt der Federahann­es auf die Zuschauer zu und zieht ihnen ein dubios parfümiert­es Kalbsschwä­nzle durchs Gesicht. Bei manchem Fastnachts­zug werden junge Frauen auch mit einer Saublodere (der aufgepumpt­en Blase eines Schweins) oder einem Farrenschw­anz (dem gedürrten Penis eines Ochsen) im Gesicht geneckt.

Feiner Humor oder Pointen mit Tusch: Rosenmonta­gszüge sind Publikumsm­agnete, aber das eigentlich­e Herz des rheinische­n Karnevals sind bis Weiberfast­nacht die Saalverans­taltungen. Redner gehen in die Bütt, nehmen die große Politik aufs Korn – und nach jeder Pointe spielt die Kapelle einen Tusch und das Publikum lacht. Diese Art von Humor ist manchem schwäbisch-alemannisc­hen Narren wohl eher suspekt. Fastnacht feiert man hier eher auf der Straße und im Wirtshaus.

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FOTO: DPA Närrisch aus Überzeugun­g: Winfried Kretschman­n ist seiner Riedlinger Heimatzunf­t Gole seit Jahren verbunden.

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