Schweizer protegieren Schienenverkehr
Durch das Neat-Projekt schon früh die Weichen weg von der Straße gestellt
WANGEN (jau) - Die Brennerroute ersäuft im Lkw-Verkehr, während Anlieger der eidgenössischen transalpinen Straßen aufatmen können. So lässt sich das vorliegende Datenmaterial grob zusammenfassen.
Die jüngsten Zahlen gehen auf die Jahre 2016/2017 zurück. Aufbereitet hat sie der Verkehrsclub Österreich. Demnach queren allein den Brenner doppelt so viele Lkw wie alle Schweizer Pässe zusammengenommen, nämlich inzwischen 2,25 Millionen Stück. Bemerkenswert ist dabei die Entwicklung ab der Jahrtausendwende. In der Schweiz ging seither die Zahl der alpenüberquerenden Lkw-Fahrten um 31 Prozent zurück. Gleichzeitig wurde der Brenner beliebter. Dort steigerten sich die Fahrten um 35 Prozent.
Offenbar hat die Schweiz ein Instrument gefunden, um sich Dieselqualm und Verkehrslärm ein Stück weit vom Hals zu halten. Vordergründig ist etwa Simples geschehen. Die erlaubte Tonnage der Lkw wurde von 28 auf 40 Tonnen gesteigert. Dies hat durchaus mitgeholfen, den Straßenverkehr zu reduzieren. Aber eben nicht nur. Gleichzeitig ist nämlich der transalpine Güterverkehr in der Schweiz enorm gewachsen. 2016 wurden 40,4 Millionen Tonnen Güter durch das Land transportiert – ein Rekord. Wesentlich dabei: 71 Prozent dieser Menge rollen auf Schienen.
Diese Entwicklung hat mit dem 1992 verabschiedeten Großprojekt Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) zu tun. Die Grundidee: der Bau von Eisenbahn-Röhren wie den Gotthard-Basistunnel. So sollte die Kapazität der Zugstrecken gesteigert werden, um mehr Güter von der Straße auf die Bahn zu verlagern. Noch fehlte aber ein Kunstgriff. Prinzipiell ist nämlich die Schweiz vertraglich an die EU-Regel des freien Warenverkehrs gebunden. In weiteren Verträgen mit Brüssel hatten sich die Eidgenossen aber zum Umsetzen von Neat verpflichtet. Die EU erlaubte dafür eine Schwerverkehrsabgabe. Sie wird seit 2001 als Maut erhoben und enthält auch externe Kosten wie die vom Lkw verursachten Gesundheitssowie Umweltschäden.
Dies ist für die Speditionen teuer. Wenn sich ein Umfahren der Schweiz wegen eines Zeitverlustes nicht rentieren sollte, rechnet sich doch das Verladen von Gütern auf den Zug. Einen Wermutstropfen gibt es jedoch für die Eidgenossen. Sie selber sind zwar gerichtet, aber der Ausbau der Zulaufstrecken etwa am Oberrhein kommt nur langsam voran. Die Deutschen scheinen es nicht eilig zu haben. Ansonsten könnten die Schweizer mehr auf der Schiene über die Alpen bringen und gleichzeitig ihre Einnahmen durch Streckengebühren steigern.