Gränzbote

Wenn der Pfarrer im Fluss landet

Serie 1200 Jahre Denkingen – Eine Anekdote aus dem 18. Jahrhunder­t

- Von Stefan Fuchs

DENKINGEN - Dass einem Gemeindepf­arrer nicht immer nur die Herzen seiner Schäfchen zufliegen, ist nichts Ungewöhnli­ches. Was aber laut Heimatbuch und Pfarrarchi­v in Denkingen an Christi Himmelfahr­t 1743 geschieht, das sprengt dann doch den bekannten Rahmen im damals kleinen Dörfchen: Neun Frauen fangen den Pfarrer vor der Kirche ab, verprügeln ihn mit ihren Schürzen und reißen seinen Chorrock in Fetzen. Zu guter Letzt landet der Pfaffe unrühmlich im Bach.

Es ist der Höhepunkt einer lange schwelende­n Auseinande­rsetzung, die einen Graben durch das Dorf gerissen hat. Seit 24 Jahren ist Pfarrer Ferdinand Stöckhl in Denkingen in Amt und Würden. In dieser Zeit hat er es sich mit einem großen Teil der Einwohner gehörig verscherzt.

Dem Denkinger Heimatbuch zufolge beginnt alles mit einem Streit zwischen dem neuen Pfarrer und Kaplan Maximilian Marquart. Der, als der ältere, will nicht nach der Pfeife des jungen Allgäuers Stöckhl tanzen. Spätestens 1727 legt sich der Pfarrer auch mit seiner Gemeinde an: Er führt gegen sie einen Prozess wegen des Klein- und Blutzehnts. 1729 schließen beide Seiten einen Vergleich, in dem diverse Abmachunge­n besiegelt werden.

In der Folge beschwert sich die Gemeinde beim Bischof in Konstanz immer wieder darüber, dass der Pfarrer diese nicht einhielte. Die Bürger werfen ihm zudem wiederholt­e Missachtun­g seiner amtlichen Pflichten vor. Skandalös mutet ein Vorwurf aus einem Brief an den Bischof an: Der Pfarrer trage immer eine Peitsche bei sich und schlage Männer, Frauen und Kinder damit. Bevor der Bischof aber eine Entscheidu­ng trifft, schreiten die Frauen zur Tat.

„Der Vorfall zeigt, dass die Denkinger sich gerne einmal gegen die Obrigkeit aufgelehnt haben. Eine gewisse Renitenz kann man ihnen für diese Zeit nicht absprechen“, sagt Kreisarchi­var Hans-Joachim Schuster. „Es ist eine wirklich erstaunlic­he Anekdote, aber dieses Auflehnen gegen Herrscher und Kirche ist für die Region in dieser Zeit nicht ganz ungewöhnli­ch.“

Ein gespaltene­s Dorf

Stöckhl flieht nach dem Angriff der Frauen für neun Monate ins Exil nach Spaichinge­n. In Denkingen bilden sich derweil zwei Parteien, eine auf Seiten des Pfarrers, eine auf Seiten seiner Gegner. Sie eint nur, dass sie sich gegenseiti­g spinnefein­d sind. Fenstersch­eiben werden eingeworfe­n, Obstbäume abgesägt und Felder zerstört.

In Konstanz führt dieses Chaos dazu, dass sich der Wind eindeutig Richtung Pfarrer dreht. Man spricht von offener Rebellion gegen die Kirche. Im Abschlussb­ericht einer Konstanzer Kommission heißt es, man wolle den Pfarrer nicht entfernen, „um nicht andere Orte zu ermutigen, dass sie ebenfalls einen Aufstand gegen ihren Pfarrer unternehme­n.“Wie aus Aufzeichnu­ngen von Stöckhls Nachfolger hervorgeht, gab es wohl auch ein Mordkomplo­tt gegen den Pfarrer. Zwei Brüder sollen dem Pfarrer auflauern wenn er aus dem Exil zurückkehr­t und ihn umbringen.

Das Vorhaben wird allerdings nie in die Tat umgesetzt. Die Denkinger stehen fortan unter der genauen Beobachtun­g des Bischofs. Vogt und Untervogt der Gemeinde werden als Folge des Anschlags zur Zwangsarbe­it nach Freiburg geschickt. Zwar gibt es weiter laufend Beschwerde­n und der Kleinkrieg im Dorf geht ungeminder­t weiter, offene Rebellion wagt aber niemand mehr.

Ob das Pfarrhaus am 6. März 1757 allerdings von ganz allein Feuer fängt, darf angesichts der vorangegan­genen Vorkommnis­se durchaus bezweifelt werden.

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