Wenn der Pfarrer im Fluss landet
Serie 1200 Jahre Denkingen – Eine Anekdote aus dem 18. Jahrhundert
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DENKINGEN - Dass einem Gemeindepfarrer nicht immer nur die Herzen seiner Schäfchen zufliegen, ist nichts Ungewöhnliches. Was aber laut Heimatbuch und Pfarrarchiv in Denkingen an Christi Himmelfahrt 1743 geschieht, das sprengt dann doch den bekannten Rahmen im damals kleinen Dörfchen: Neun Frauen fangen den Pfarrer vor der Kirche ab, verprügeln ihn mit ihren Schürzen und reißen seinen Chorrock in Fetzen. Zu guter Letzt landet der Pfaffe unrühmlich im Bach.
Es ist der Höhepunkt einer lange schwelenden Auseinandersetzung, die einen Graben durch das Dorf gerissen hat. Seit 24 Jahren ist Pfarrer Ferdinand Stöckhl in Denkingen in Amt und Würden. In dieser Zeit hat er es sich mit einem großen Teil der Einwohner gehörig verscherzt.
Dem Denkinger Heimatbuch zufolge beginnt alles mit einem Streit zwischen dem neuen Pfarrer und Kaplan Maximilian Marquart. Der, als der ältere, will nicht nach der Pfeife des jungen Allgäuers Stöckhl tanzen. Spätestens 1727 legt sich der Pfarrer auch mit seiner Gemeinde an: Er führt gegen sie einen Prozess wegen des Klein- und Blutzehnts. 1729 schließen beide Seiten einen Vergleich, in dem diverse Abmachungen besiegelt werden.
In der Folge beschwert sich die Gemeinde beim Bischof in Konstanz immer wieder darüber, dass der Pfarrer diese nicht einhielte. Die Bürger werfen ihm zudem wiederholte Missachtung seiner amtlichen Pflichten vor. Skandalös mutet ein Vorwurf aus einem Brief an den Bischof an: Der Pfarrer trage immer eine Peitsche bei sich und schlage Männer, Frauen und Kinder damit. Bevor der Bischof aber eine Entscheidung trifft, schreiten die Frauen zur Tat.
„Der Vorfall zeigt, dass die Denkinger sich gerne einmal gegen die Obrigkeit aufgelehnt haben. Eine gewisse Renitenz kann man ihnen für diese Zeit nicht absprechen“, sagt Kreisarchivar Hans-Joachim Schuster. „Es ist eine wirklich erstaunliche Anekdote, aber dieses Auflehnen gegen Herrscher und Kirche ist für die Region in dieser Zeit nicht ganz ungewöhnlich.“
Ein gespaltenes Dorf
Stöckhl flieht nach dem Angriff der Frauen für neun Monate ins Exil nach Spaichingen. In Denkingen bilden sich derweil zwei Parteien, eine auf Seiten des Pfarrers, eine auf Seiten seiner Gegner. Sie eint nur, dass sie sich gegenseitig spinnefeind sind. Fensterscheiben werden eingeworfen, Obstbäume abgesägt und Felder zerstört.
In Konstanz führt dieses Chaos dazu, dass sich der Wind eindeutig Richtung Pfarrer dreht. Man spricht von offener Rebellion gegen die Kirche. Im Abschlussbericht einer Konstanzer Kommission heißt es, man wolle den Pfarrer nicht entfernen, „um nicht andere Orte zu ermutigen, dass sie ebenfalls einen Aufstand gegen ihren Pfarrer unternehmen.“Wie aus Aufzeichnungen von Stöckhls Nachfolger hervorgeht, gab es wohl auch ein Mordkomplott gegen den Pfarrer. Zwei Brüder sollen dem Pfarrer auflauern wenn er aus dem Exil zurückkehrt und ihn umbringen.
Das Vorhaben wird allerdings nie in die Tat umgesetzt. Die Denkinger stehen fortan unter der genauen Beobachtung des Bischofs. Vogt und Untervogt der Gemeinde werden als Folge des Anschlags zur Zwangsarbeit nach Freiburg geschickt. Zwar gibt es weiter laufend Beschwerden und der Kleinkrieg im Dorf geht ungemindert weiter, offene Rebellion wagt aber niemand mehr.
Ob das Pfarrhaus am 6. März 1757 allerdings von ganz allein Feuer fängt, darf angesichts der vorangegangenen Vorkommnisse durchaus bezweifelt werden.