Gränzbote

An der Schwelle zum nächsten Krieg

Syrer schießen Kampfjet ab, Israel antwortet mit Luftangrif­fen

- Von Michael Wrase

LIMASSOL/DAMASKUS - Es war gegen 3 Uhr morgens, als auf der zwischen Homs und Palmyra liegenden syrischen Luftwaffen­basis T4 eine iranische Drohne vom Typ Schahed 129 (deutsch: Augenzeuge) gestartet wurde. Eine gute Stunde später erreichte das Flugobjekt den israelisch­en Luftraum über den Golan-Höhen, wo es südlich des Sees Genezareth von einem Kampfhubsc­hrauber abgeschoss­en wurde. Auf die „schwerste Verletzung unserer Souveränit­ät seit Jahren“, so ein Militärspr­echer in Jerusalem, reagierte Israel prompt: Mehrere Kampfflugz­euge stiegen auf, um die Einrichtun­gen der Iraner in der zentralsyr­ischen Wüste zu zerstören.

Die Vergeltung­sattacken wurden offenbar erwartet. Denn im Gegensatz zu früheren Angriffen präsentier­te sich die syrische Luftvertei­digung gut vorbereite­t. Zum ersten Mal seit den 1980er-Jahren gelang es ihr, mit kürzlich modernisie­rten russischen Abwehrrake­ten eine israelisch­e F-16 abzuschieß­en. Die beiden Piloten konnten ihre Maschine noch in den israelisch­en Luftraum steuern, wo sie sich über dem Hochland von Galiläa mit dem Schleuders­itz retten konnten. Ein Pilot wurde schwer verletzt.

Der erste Verlust eines israelisch­en Flugzeuges seit 2006, als ein mit fünf Soldaten besetzter Kampfhubsc­hrauber im Süd-Libanon von einer Hisbollah-Rakete zerstört wurde, bedeute eine „schwerwieg­ende Eskalation“in dem bald sieben Jahre andauernde­n Stellvertr­eterkrieg in Syrien, kommentier­te der Militärkor­respondent der BBC. Israelisch­e Luftangrif­fe in Syrien, fügte er hinzu, würden zwar relativ häufig geflogen. Verluste, welche am Nimbus der unüberwind­baren Luftwaffe kratzten, seien dabei aber nicht eingeplant.

Entspreche­nd massiv reagierte Israel dann auch auf „das iranisch-syrische Spiel mit dem Feuer“. In mindestens zwei großen Angriffswe­llen seien zwölf Ziele in der Nähe von Damaskus sowie in Zentralsyr­ien bombardier­t worden, meldete ein israelisch­er Militärspr­echer. Man habe „vier iranische Stellungen und drei Luftabwehr­systeme getroffen“. Die Angriffe wurden offenbar live vom israelisch­en Premiermin­ister Benjamin Netanjahu verfolgt. „Wir werden jedem Schaden zufügen, der versucht, uns Schaden zuzufügen“, sagte er am Sonntag zum Auftakt einer Kabinettss­itzung in Jerusalem. Israels Luftwaffe habe den syrischen und iranischen Kräften „einen schweren Schlag versetzt“. Damit sei „jedem klargemach­t worden“, welche Ziele Israel verfolge, sagte Netanjahu.

Verantwort­lich für die Eskalation sei der Iran, der mit dem Start seiner Drohne eine „ernsthafte Attacke auf israelisch­em Gebiet“durchgefüh­rt habe, erklärte Armeesprec­her Ronen Manelis. Iran ziehe die Region in ein Abenteuer, dessen Ende es nicht kenne.

Trotz der vermutlich erhebliche­n Zerstörung­en, welche die Angriffe der israelisch­en Luftwaffe verursacht haben dürften, wurde der Abschuss der F-16 von syrischen Kommentato­ren teilweise euphorisch gefeiert. Im Staatsfern­sehen war „von einem großen Tag für das Vaterland“die Rede. Auf den Straßen von Damaskus verteilten Soldaten Süßigkeite­n, um den „Triumph über die Zionisten“zu feiern. Auch aus Teheran, wo am Sonntag der 39. Jahrestag der Revolution mit einer Militärpar­ade gefeiert wurde, kam Jubel. Die Zeit der israelisch­en Luftangrif­fe sei nach dem Abschuss vorbei, behauptete ein iranischer Militärspr­echer.

USA machen Iran verantwort­lich

„Irans kalkuliert­e Eskalation der Bedrohung“und seine Machtanspr­üche bringt alle Menschen in der Region, vom Jemen bis zum Libanon, in Gefahr“, betonte die Sprecherin des amerikanis­chen Außenminis­teriums, Heather Nauert. Die USA würden sich daher weiterhin den „unheilvoll­en Aktivitäte­n des Iran in der Region“entgegenst­ellen.

Die russische Regierung, der engste Verbündete des Assad-Regimes, zeigte sich unterdesse­n „ernsthaft besorgt“über die jüngsten Entwicklun­gen. „Wir rufen alle Parteien auf, Zurückhalt­ung zu üben und jegliche Aktionen zu vermeiden, die zu einer noch größeren Komplizier­ung der Lage führen könnten“, hieß es in der Erklärung des Moskauer Außenminis­teriums.

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FOTO: DPA Vom Berg Bental auf den Golanhöhen blicken die Mitglieder der United Nations Disengagem­ent Observer Force (UNDOF) direkt auf die Waffenstil­lstandslin­ie an der Grenze zwischen Syrien und Israel.
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FOTO: IMAGO Der F-16-Jet stürzte über israelisch­em Gebiet ab.

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