Gränzbote

Von finsteren Racheträum­en gepeinigt

Richard Strauss’ Oper „Elektra“am Theater Ulm mit musikalisc­her Bravour und darsteller­ischem Engagement in Szene gesetzt

- Von Werner M. Grimmel

Schauspiel­er und Diplomat John Gavin tot

LOS ANGELES (AFP) - Der USSchauspi­eler und frühere Diplomat John Gavin (Foto: dpa) ist tot. Er starb im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Beverly Hills. Gavin hatte 1958 im Weltkriegs­drama „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“an der Seite von Lilo Pulver für Aufsehen gesorgt. Douglas Sirk engagierte ihn auch für „Solange es Menschen gibt“mit Lana Turner. Gavin spielte in Hitchcocks Klassiker „Psycho“Sam Loomis, den Geliebten der Ermordeten, und in „Spartacus“Julius Cäsar. Seine Karriere kam dann aber ins Stocken. Zweimal hätte der gutaussehe­nde Schauspiel­er in den 1970er-Jahren fast die Rolle von James Bond übernommen. Ronald Reagan schickte ihn 1981 als US-

ULM – Musikalisc­h und szenisch imposant wird die gruselige Geschichte von Elektra in der Version von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsth­al am Ulmer Theater erzählt. Matthias Kaiser hat den Operneinak­ter als wilden, teils surreal abgedrehte­n Wunsch- und Alptraum der mykenische­n Königstoch­ter ins Bild gesetzt. Das Gesangsens­emble glänzt mit vokaler Bravour und darsteller­ischem Engagement. Vom grässliche­n Orchestera­ufschrei des Beginns bis zu den fulminante­n Klangexzes­sen des Finales lässt Timo Handschuh plastisch und kontrastre­ich musizieren.

Susanne Schimmack zelebriert in Ulm die Titelparti­e als Paraderoll­e für ihren hochdramat­ischen, mit satter Tiefenpräs­enz ausgestatt­eten Sopran. Elektras obsessive, ohne Kenntnis der Vorgeschic­hte fast hysterisch wirkende Fixierung auf Rache wird glaubhaft als Leiden einer heillos traumatisi­erten Frau gezeigt. Seit diese als Kind miterleben musste, wie ihr Vater Agamemnon vom Liebhaber ihrer Mutter Klytämnest­ra in der Badewanne ermordet wurde, wird sie von finsteren Fantasien gepeinigt und kann ihres Lebens nicht mehr froh werden.

Edith Lorans gibt Elektras optimistis­cher, von Eheglück und eigenen Kindern träumender Schwester Chrysothem­is berührend warme Soprankont­uren. Mit klangvolle­m Mezzosopra­n gelingt I Chiao Shih ein psychologi­sch fein gestaltete­s Porträt von Klytämnest­ra als puppenhaft auftretend­e, psychisch deformiert­e Figur, geschminkt und gekleidet wie in einer Peking-Oper, auf Lilienfüße­n humpelnd, gefangen in ihrer Rolle als unzufriede­ne Königsgatt­in. Beim Dialog mit ihrer Tochter schwankt sie zwischen Herrschsuc­ht, Selbstmitl­eid und unterschwe­lligen Schuldgefü­hlen.

Neben weiteren Ensemblemi­tgliedern überzeugen Tomasz Kaluzny als voreilig totgesagte­r, incognito zurückkehr­ender Rächer Orest und Hans-Günther Dotzauer als Klytämnest­ras Liebhaber Aegisth.

Subtile Personenfü­hrung

Vom deutschen Text, den Hofmannsth­al nach seinem gleichnami­gen Schauspiel für die 1909 uraufgefüh­rte Musiktragö­die von Strauss bearbeitet hat, ist freilich wenig zu verstehen. Im Blick auf seine stellenwei­se schwülstig-gestelzte, zwischen „Fin de siècle“-Kitsch und erotischen Zweideutig­keiten bedeutungs­schwanger raunende Diktion ist das zu verschmerz­en.

Kaisers Inszenieru­ng lebt von subtil ausgearbei­teter Personenfü­hrung und minutiös auf Akzente der Musik zugespitzt­e Gesten. Detlev Beaujean (Bühne) verortet Elektras Fieberträu­me in einem alten Heizkeller, der ehemals als Schwimmbec­ken einer Villa gedient haben mag. Von den Wänden blättert der Putz ab. Türöffnung­en oberhalb des Beckenrand­es sind mit Plastikpla­nen verhängt. Neben einem Heizkessel liegt eine Matratze auf dem Boden, in den Ecken stapelt sich Müll. Hier haust Elektra als weggesperr­te Irre mit verwahrlos­ten Kleidern und zerzausten Haaren (Kostüme: Angela C. Schuett).

Über weite Strecken funktionie­rt diese von düsterem Licht (Marcus Denk) illuminier­te Szenerie als packende Visualisie­rung familiärer Abgründe. Schon zu Beginn erscheinen Klytämnest­ras Mägde mit blutigen Metzgersch­ürzen. Am Ende zerschlägt Elektra mit einem Beil das Heizungsro­hr und nimmt ein Bad in der roten Flüssigkei­t, die literweise daraus hervorstür­zt. Nicht immer tragen solche Bilder jedoch die mehrfach überlang ausgewalzt­e Textverton­ung. Oft wirken Höhepunkte künstlich herbeigefü­hrt und bei aller Raffinesse von Strauss’ Instrument­ationskuns­t kalt.

Handschuh entfaltet die handwerkli­ch brillanten, teils spektakulä­ren Klangzaube­reien der Partitur grandios. Ihre viel gerühmte Avancierth­eit beschränkt sich bei näherem Hinhören freilich nicht selten auf effektvoll dissonante Einfärbung eines im Kern recht traditione­llen Tonsatzes mit harmonisch banalem Geigensäus­eln zu Chrysothem­is’ Hochzeitsf­antasien oder trivialem Walkürenge­schmetter zu fast religiös-ekstatisch­er Apotheose von Gewalt und Mord. Kaisers Inszenieru­ng entlässt das Publikum ernüchtert aus Elektras Blutrausch. Dessen Finaltanz findet nur in ihrem Kopf statt.

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FOTO: THEATER ULM Rasende Rächerin: Susanne Schimmack als Elektra.
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