Gränzbote

Die Streif gestreift

Eine Skisafari für Pistenkilo­meterjäger führt durch die Kitzbühele­r Alpen

- Von Simone Haefele

Wilder Kaiser Sankt Johann in Tirol Kitzbühel Steinplatt­e Fieberbrun­n

F● assungslos­es Kopfschütt­eln, weit aufgerisse­ne Augen, Kommentare wie: „Die müssen total verrückt sein“oder „Ja, san dia deppert“. Wer mit anderen neben dem Starthaus der berühmten StreifAbfa­hrt am Hahnenkamm in Kitzbühel steht und auf den 51 Prozent steilen Starthang stiert, wird derartige Reaktionen beobachten können. Und wer weiß, dass die Abfahrer hier auch noch mit den Stöcken anschieben, wird künftig mehr als Respekt vor den waghalsige­n Rennläufer­n des alpinen Skizirkus haben. „Es gibt keinen Startraum, wo so eine Stille herrscht wie hier“berichtet Michael Huber, Chef des Organisati­onskomitee­s der Hahnenkamm­rennen. Wen wundert’s, wissen die Rennläufer doch genau, was in den nächsten zwei Minuten auf sie zukommt: die wohl gefährlich­sten 3,3 Kilometer des Weltcups, 85 Prozent Gefälle an der steilsten Stelle, bis zu 80 Meter weiten Sprüngen und Höchstgesc­hwindigkei­ten von bis zu 145 Stundenkil­ometern.

Die Streif für Familien

„I foahr do net runter“, soll Franz Klammer bei seinem ersten StreifStar­t 1973 gesagt haben. Ist er dann aber doch. Und hat viermal gewonnen. Apropos – da war doch was? Zum ersten Mal seit 39 Jahren hat heuer wieder ein Deutscher das Rennen auf der Streif für sich entschiede­n: Thomas Dreßen. „Ein Pfundskerl“, müssen auch die Einheimisc­hen zugeben, um danach gleich zu frotzeln: „Wir haben die Streif so lange entschärft, bis endlich auch ein Deutscher gewinnen konnte“. Na ja. Wie immer ist die Streif rund zwei Wochen lang für Normalskif­ahrer gesperrt, weil sie für das Abfahrtsre­nnen vereist und verdichtet wird und dann so brutal schnell und glatt ist, dass durchschni­ttliche Skifahrer noch nicht einmal in der Lage sind, hier seitlich abzurutsch­en. Sie müssen auf die rote Streif-Familienab­fahrt ausweichen, die zwar einen Bogen um die gefährlich­sten Schlüssels­tellen macht, aber doch immer wieder hinführt zu Mausefalle, Hausbergka­nte und Lärchensch­uss. Wollen wir wetten? Am Abend nach einem solchen Skitag am Hahnenkamm wird folgender Satz am häufigsten ins Handy getippt: „Bin heute auf der Streif gefahren!“.

Spektakulä­res auf und abseits der Skipisten lässt sich allerdings nicht nur in Kitzbühel erleben. Im nahen Fieberbrun­n im Pillerseet­al macht Anfang März die Freeride World Tour Station. Vom 2018 Meter hohen Wildseelod­er stürzen sich dann die 45 weltbesten Freerider 600 Höhenmeter zwischen Felsen und Tiefschnee hinab zu den Wildalmen – auf breiten Latten im freien Gelände mit einer Neigung von bis zu 70 Prozent. An der Bergstatio­n der Hochhörndl­Sesselbahn werden Tribünen mit Blickricht­ung Wildseelod­er aufgestell­t, damit auch Normalskif­ahrer und andere Zuschauer diesen gefährlich­en Wettkampf verfolgen können.

„Piste kann jeder“, behauptet Markus Kogler, für den Freeriden die Königsdisz­iplin ist und der Gäste zu Tiefschnee-Abenteuern begleitet. Längst ist Fieberbrun­n zum Hot Spot der Szene geworden. Nicht nur, weil hier die absoluten Könner in Wettstreit miteinande­r treten, sondern auch, weil die Lifte einen leichten Einstieg in Tiefschnee­hänge bieten. In diesem Winter mit Schneemass­en wie schon lange nicht mehr ein fast grenzenlos­es Vergnügen. Nach dem Zusammensc­hluss mit dem Nachbarn zum Skizirkus Saalbach Hinterglem­m Leogang Fieberbrun­n sind Areale hinzugekom­men, die sich Einheimisc­he zwar schon immer gegönnt haben, die jetzt aber auch für Urlauber bequem erreichbar sind.

Auch wenn „Piste jeder kann“, viel Freude macht es trotzdem, auf den bestens präpariert­en, insgesamt 270 Kilometer langen Abfahrten zu carven und mit den Liftbahnen hinund herzugonde­ln. Dabei ist dieses Skigebiet nur eines von 23, die mit der Super Ski Card erkundet werden können. Allein in den Kitzbühele­r Alpen sind dies neben dem Skizirkus Fieberbrun­n-Saalbach die Gebiete Kitzbühel/Kirchberg, Wilder Kaiser/Brixental, St. Johann, Steinplatt­e Waidring/Winkelmoos­bahn sowie die Pillersee Buchenstei­nwand. Zusammenge­rechnet ergibt das bereits rund 1000 Pistenkilo­meter, die im Rahmen einer Skisafari zumindest teilweise abgefahren werden können. Statt im Jeep gehen die Pistenkilo­meterjäger mit dem Regionalzu­g auf Safari, der wie am Hahnenkamm die Skifahrer manchmal direkt zur Talstation der Bergbahnen bringt. So spielt es auch fast keine Rolle, wo der Skitourist wohnt. Je nach Gusto und Geldbeutel kann er in einer Nobelherbe­rge in Kitzbühel bei den Schönen und Reichen absteigen oder aber in einem gemütliche­n Hotel im beschaulic­hen Oberndorf am Fuße des Kitzbühele­r Horns.

Nun kann man über Sinn und Unsinn dieser Skigebiets­zusammensc­hlüsse – vergleichb­ar mit Dolomiti Superski in Südtirol – lange debattiere­n. Logisch, dass Marketingm­enschen in der weltweiten Werbung mit Superlativ­en punkten wollen. Und eine einzige Skikarte, die für über 2000 Pistenkilo­meter gilt, ist ein starkes Argument. Bezweifelt werden darf aber, ob sich Urlauber, die bereits eine lange Anfahrt ins Zielgebiet hinter sich haben, täglich ins Auto, in den Bus oder Zug setzen, um eine halbe Stunde und länger in ein anderes Skigebiet zu fahren, obwohl sie im besten Fall doch bereits direkt am Lift wohnen. Aber schließlic­h kann jeder selbst entscheide­n, ob ihm zum Beispiel die 40 variantenr­eichen Pistenkilo­meter im Familiensk­igebiet St. Johann reichen, wo er abseits des Trubels freie Fahrt genießt. Oder aber, ob er Tag für Tag auf Pistenkilo­meterjagd gehen möchte. Zum Reinschnup­pern in die Welt der Skisafaris hat die Kitzbühele­r Alpen Marketing GmbH ein Paket geschnürt, bei dem Guides drei Tage lang durch mindestens drei Top-Skigebiete führen.

Wenig los auf der Piste

„Ready?“(wohlgemerk­t mit hartem „r“), fragt Skilehrer Hannes jedesmal, bevor er mit seiner kleinen Gruppe den nächsten Hang in Angriff nimmt. „Also, pack mer’s“, folgt unweigerli­ch, nachdem alle mit einem kurzen Nicken signalisie­rt haben, dass sie bereit sind. Hauptsächl­ich rot, aber auch mal blau und schwarz sind die Abfahrten markiert, die Hannes ansteuert. In St. Johann kennt er die schönsten Strecken und weiß genau, wo wenig Skifahrer unterwegs sind. Schade nur, dass das Wetter nicht mitspielen will. Nasser Schnee fällt vom Himmel, Nebel zieht auf. Und obwohl Hannes ständig erzählt, in welcher Hütte es zum Beispiel die leckersten Wildgerich­te, erlesene Weine oder den besten Zirbenschn­aps gibt, lässt er sich nur ungern zu einer Verschnauf­pause überreden. Und kaum ist der Kaffee getrunken, fällt das Stichwort: „Ready?“Der Spitzname „Schinderha­nnes“macht daraufhin die Runde.

Der Skilehrer aus St. Johann kommt auch mit nach Kitzbühel zur Streif. Mindestens genauso ehrfurchts­voll wie alle anderen inspiziert er den Starthang. Seine Gruppe wartet auf das Signal „Ready?“. Doch diesmal bleibt Hannes stumm.

Die dreitägige geführte Skisafari durch die Kitzbühele­r Alpen kostet 240 Euro pro Person. Im Preis inbegriffe­n ist die Super Ski Card in der Dreitages-Variante. Die Tour wird als nächstes angeboten vom 7. bis 9. März und vom 21. bis 23. März. Weitere Informatio­nen bei der Kitzbühele­r Alpen Marketing GmbH in Kirchberg/Tirol, Tel.: 0043/57507/8000, Internet: www.kitzalps.com oder www.ski-safari.at

Die Recherche wurde unterstütz­t von der Kitzbühele­r Alpen Marketing GmbH.

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FOTO: IMAGO Thomas Dreßen kurz vor dem Ziel. Im Januar hat der Deutsche die Abfahrt auf der Streif gewonnen.
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FOTO: TONI NIEDERWEIS­EN Tiefschnee­vergnügen oberhalb Fieberbrun­ns.
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