Gränzbote

Die Tränen der Madonna

In Mexiko pilgern Menschen zu einer Marienstat­ue – Die Kirche ist skeptisch

- Von Sonia Aguilar und Denis Düttmann

CIUDAD JUÁREZ (dpa) - Vor dem Haus von Rosa Ramírez Aguilera bilden sich lange Schlangen. Alle wollen die „weinende Jungfrau“sehen. Die rund 60 Zentimeter große Marienstat­ue aus Gips soll angeblich bittere Tränen vergießen. Tausende Gläubige pilgern zu der Gottesmutt­er, beten und bringen ihr Opfer.

„Manchmal weint die Jungfrau, mal lacht sie, mal schließt sie die Augen – das hängt vom Glauben jedes Einzelnen ab“, sagt Rosa Ramírez Aguilera. Die 54-Jährige aus der nordmexika­nischen Stadt Ciudad Juárez hat Gebärmutte­rhalskrebs. Die „weinende Jungfrau“ist für sie ein Zeichen, mehr Glauben zu haben, um gegen die Krankheit zu kämpfen.

Die katholisch­e Kirche hingegen ist vom Rummel um die Gottesmutt­er nicht so begeistert. „Die Kirche ist bei solchen Ereignisse­n ausgesproc­hen zurückhalt­end“, sagt der Sprecher der Diözese, Hesiquio Trevizo. „Der Bischof hat gesagt: Man muss aufpassen, um nicht in Fanatismus zu verfallen. Wir erkennen das erst mal nicht an.“

Immer wieder gibt es Berichte von weinenden Jungfrauen, blutenden Kruzifixen oder Heiligener­scheinunge­n. In den meisten Fällen erkennt die katholisch­e Kirche die Übernatürl­ichkeit der Phänomene nicht an. Die Mexikaner aber lieben ihre Gottesmutt­er. Millionen Gläubige pilgern jedes Jahr Anfang Dezember zur Basilika der Jungfrau von Guadalupe in Mexiko-Stadt. Die Wallfahrt gilt als eine der größten der Welt.

Die Legende um die Jungfrau geht auf das Jahr 1531 zurück. Eine dunkelhäut­ige Maria soll einen Indigenen nahe Mexiko-Stadt mit dem Bau einer Kapelle beauftragt haben. Heute gilt die Jungfrau von Guadalupe als Schutzpatr­onin Mexikos. Bilder der dunkelhäut­igen Maria baumeln an Rückspiege­ln von Taxis, viele Menschen haben kleine Marienaltä­re in ihren Wohnungen, und auch an Straßeneck­en und Häusernisc­hen finden sich in Mexiko immer wieder Bildnisse der Gottesmutt­er.

83 Prozent der Bevölkerun­g von Mexiko sind Katholiken

Das Verhältnis der Mexikaner zur Amtskirche allerdings ist gespalten. Zwar hat Mexiko die zweitgrößt­e katholisch­e Bevölkerun­g der Welt, 83 Prozent der 120-Millionen-Nation sind offiziell Katholiken. Während aber die Marienvere­hrung ein tragender Pfeiler der mexikanisc­hen Alltagskul­tur ist und das Wort eines Priesters gerade in der Provinz noch immer großes Gewicht hat, pflegen das politische Establishm­ent und intellektu­elle Kreise traditione­ll einen erbitterte­n Anti-Klerikalis­mus.

Dem Andrang vor der Gottesmutt­er von Ciudad Juárez tut das keinen Abbruch. Ende Januar soll die MariaStatu­e angefangen haben zu weinen. Über die sozialen Netzwerke verbreitet­e sich die Nachricht und die Menschen strömten in das Haus von Ramírez. In kleinen Gruppen ziehen die Gläubigen andächtig an der Jungfrau vorbei, beten, legen Blumen und Fotos nieder, sprechen Fürbitten.

„Wir sind gekommen, um um Heilung für meine Mutter zu bitten. Sie hat große Schmerzen in den Beinen und kann nicht mehr laufen“, sagt César Ramírez. Seine Mutter erlitt vor zehn Jahren eine Embolie und sitzt seitdem im Rollstuhl.

Auch aus den umliegende­n Ortschafte­n und aus El Paso auf der anderen Seite der Grenze in den USA kommen Gläubige nach Ciudad Juárez, um die „weinende Jungfrau“zu sehen. „Ich glaube, das ist eine Reaktion der Gottesmutt­er auf unseren Glauben und unsere Frömmigkei­t“, sagt die 18-jährige Liz García, die mit ihrer Tanzgruppe die Marienstat­ue besucht.

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FOTO: DPA Die „weinende Jungfrau“: Diese Marienstat­ue aus Gips soll angeblich Tränen vergießen.

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