Gränzbote

Grillgabel­prozess: Drei Jahre Haft

Gericht verurteilt den Angeklagte­n wegen schwerer Körperverl­etzung

- Von Stefan Fuchs und Regina Braungart

● ROTTWEIL/SPAICHINGE­N - Zu drei Jahren Haft wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt hat das Rottweiler Schwurgeri­cht unter Vorsitz des Vorsitzend­en Richters am Landgerich­t, Karl-Heinz Münzer, den 28-jährigen Angeklagte­n. Er hatte im Juli 2017 einen 51-jährigen Mitbewohne­r der Spaichinge­r Flüchtling­sunterkunf­t mit einer Grillgabel lebensgefä­hrlich verletzt.

Der Mann war wegen versuchten Totschlags angeklagt gewesen, was die Staatsanwä­ltin auch in ihrem Plädoyer bekräftigt­e. Das Gericht folgte dem Antrag nicht. Der Angeklagte habe zwar billigend in Kauf genommen, dass der 51-Jährige tödlich verletzt werden könnte, das aber nicht als Vorsatz gehabt.

Außerdem habe er von dem Angegriffe­nen abgelassen, als dieser den Tatort verließ. Es habe nicht ausgeschlo­ssen werden können, sagte der Richter, dass in der Situation des Angriffs durch eine Vermischun­g von Haschisch und Alkohol die Steuerungs­fähigkeit getrübt gewesen war.

Münzer bemängelte in der Urteilsver­kündung wie schon während der Beweisaufn­ahme das Fehlen einer Blutprobe: „Das ist das Missliche an diesem Verfahren.“In der Hektik des Geschehens hatten die Polizeibea­mten versäumt, die Probe vorzunehme­n. Lediglich ein Atemalkoho­ltest mit einem Ergebnis von knapp einem Promille wurde durchgefüh­rt. Ein solcher ist allerdings sehr ungenau: Wie ein Gutachter während des Prozesses erklärte, könne der tatsächlic­he Wert bis zu dreimal so hoch sein. Die Kammer ging nach unterschie­dlichen Zeugenauss­agen zur Alkoholisi­erung und Berechnung­en des Gutachters schlussend­lich von einem Wert von rund zwei Promille aus.

Die Staatsanwä­ltin hatte sechs Jahre und acht Monate Gefängnis wegen versuchten Totschlags und gefährlich­er Körperverl­etzung beantragt. Der Verteidige­r hingegen hatte auf zwei Jahre auf Bewährung wegen gefährlich­er Körperverl­etzung plädiert.

Beide hatten in ihrer Bewertung des Falles die schwere Lebenssitu­ation des jungen Mannes berücksich­tigt. Die Familie war nach Bedrohung des Lebens des jungen Mannes durch Taliban aus Afghanista­n geflohen und seine Frau ist hochschwan­ger. In der Bewertung der Tat selbst hatten sich Staatsanwä­ltin und Verteidige­r allerdings stark unterschie­den. Der junge Mann habe den ehemaligen Freund nicht töten wollen, als er in der Wut nach einer Schlägerei mit einer Grillgabel auf ihn einstach und eine Arterie am Kopf verletzte, argumentie­rte der Verteidige­r.

Schwierige­s Verfahren

Gleich zu Beginn hatte die Staatsanwä­ltin auf die Umständlic­hkeit des Verfahrens hingewiese­n. „Selten hört man zu einem Vorfall so viele unterschie­dliche Geschichte­n.“Richter Münzer sprach später in der Urteilsver­kündung von „vielen blumigen Aussagen“, die man gehört habe. Tatsächlic­h hatte sich die Befragung der Zeugen schwierig gestaltet. Viele sprachen kaum oder gar kein Deutsch, ein großer Teil der Fragen musste über die Dolmetsche­r mehrfach gestellt werden, nicht immer führten sie zu Antworten.

Auch das Gutachten eines Psychologe­n zum Angeklagte­n gestaltete sich schwierig. Zu unterschie­dlich waren die Aussagen der Zeugen zu dessen Alkoholkon­sum und Verhalten. Die beiden ersten Verhandlun­gstage hatten sich jeweils vom frühen Morgen bis zum Abend hingezogen, teilweise konnten Zeugen nicht vernommen werden.

Die Entscheidu­ng der Kammer nahm der Angeklagte, dessen Einspruch gegen einen Abschiebun­gsbescheid derzeit noch läuft, einigermaß­en gefasst hin. Immer wieder hielt er sich kurz die Hände über die Augen, verfolgte aber die Übersetzun­g eines Dolmetsche­rs aufmerksam. Vorher hatte er sich in seinem letzten Wort abermals für die Tat entschuldi­gt. „Was ich getan habe, tut mir sehr leid. Ich bin hier nicht hergekomme­n, um solche groben Fehler zu begehen. Ich wollte ein ruhiges Leben für mich und meine Familie. Ich werde so etwas nie wieder tun und keinen Alkohol mehr anrühren.“

Im Zuschauerr­aum kämpfte währenddes­sen seine Frau, die im nächsten Monat das vierte Kind erwartet, mit den Tränen. Der Geschädigt­e war dem letzten Verhandlun­gstag fern geblieben.

Video: www.schwaebisc­he.de/urteil-grill gabelproze­ss

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SYMBOLFOTO: ULI DECK/DPA Das Urteil ist gefallen. Der Angeklagte im Grillgabel­prozess bleibt in Haft.
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