Grillgabelprozess: Drei Jahre Haft
Gericht verurteilt den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung
● ROTTWEIL/SPAICHINGEN - Zu drei Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt hat das Rottweiler Schwurgericht unter Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landgericht, Karl-Heinz Münzer, den 28-jährigen Angeklagten. Er hatte im Juli 2017 einen 51-jährigen Mitbewohner der Spaichinger Flüchtlingsunterkunft mit einer Grillgabel lebensgefährlich verletzt.
Der Mann war wegen versuchten Totschlags angeklagt gewesen, was die Staatsanwältin auch in ihrem Plädoyer bekräftigte. Das Gericht folgte dem Antrag nicht. Der Angeklagte habe zwar billigend in Kauf genommen, dass der 51-Jährige tödlich verletzt werden könnte, das aber nicht als Vorsatz gehabt.
Außerdem habe er von dem Angegriffenen abgelassen, als dieser den Tatort verließ. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, sagte der Richter, dass in der Situation des Angriffs durch eine Vermischung von Haschisch und Alkohol die Steuerungsfähigkeit getrübt gewesen war.
Münzer bemängelte in der Urteilsverkündung wie schon während der Beweisaufnahme das Fehlen einer Blutprobe: „Das ist das Missliche an diesem Verfahren.“In der Hektik des Geschehens hatten die Polizeibeamten versäumt, die Probe vorzunehmen. Lediglich ein Atemalkoholtest mit einem Ergebnis von knapp einem Promille wurde durchgeführt. Ein solcher ist allerdings sehr ungenau: Wie ein Gutachter während des Prozesses erklärte, könne der tatsächliche Wert bis zu dreimal so hoch sein. Die Kammer ging nach unterschiedlichen Zeugenaussagen zur Alkoholisierung und Berechnungen des Gutachters schlussendlich von einem Wert von rund zwei Promille aus.
Die Staatsanwältin hatte sechs Jahre und acht Monate Gefängnis wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung beantragt. Der Verteidiger hingegen hatte auf zwei Jahre auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung plädiert.
Beide hatten in ihrer Bewertung des Falles die schwere Lebenssituation des jungen Mannes berücksichtigt. Die Familie war nach Bedrohung des Lebens des jungen Mannes durch Taliban aus Afghanistan geflohen und seine Frau ist hochschwanger. In der Bewertung der Tat selbst hatten sich Staatsanwältin und Verteidiger allerdings stark unterschieden. Der junge Mann habe den ehemaligen Freund nicht töten wollen, als er in der Wut nach einer Schlägerei mit einer Grillgabel auf ihn einstach und eine Arterie am Kopf verletzte, argumentierte der Verteidiger.
Schwieriges Verfahren
Gleich zu Beginn hatte die Staatsanwältin auf die Umständlichkeit des Verfahrens hingewiesen. „Selten hört man zu einem Vorfall so viele unterschiedliche Geschichten.“Richter Münzer sprach später in der Urteilsverkündung von „vielen blumigen Aussagen“, die man gehört habe. Tatsächlich hatte sich die Befragung der Zeugen schwierig gestaltet. Viele sprachen kaum oder gar kein Deutsch, ein großer Teil der Fragen musste über die Dolmetscher mehrfach gestellt werden, nicht immer führten sie zu Antworten.
Auch das Gutachten eines Psychologen zum Angeklagten gestaltete sich schwierig. Zu unterschiedlich waren die Aussagen der Zeugen zu dessen Alkoholkonsum und Verhalten. Die beiden ersten Verhandlungstage hatten sich jeweils vom frühen Morgen bis zum Abend hingezogen, teilweise konnten Zeugen nicht vernommen werden.
Die Entscheidung der Kammer nahm der Angeklagte, dessen Einspruch gegen einen Abschiebungsbescheid derzeit noch läuft, einigermaßen gefasst hin. Immer wieder hielt er sich kurz die Hände über die Augen, verfolgte aber die Übersetzung eines Dolmetschers aufmerksam. Vorher hatte er sich in seinem letzten Wort abermals für die Tat entschuldigt. „Was ich getan habe, tut mir sehr leid. Ich bin hier nicht hergekommen, um solche groben Fehler zu begehen. Ich wollte ein ruhiges Leben für mich und meine Familie. Ich werde so etwas nie wieder tun und keinen Alkohol mehr anrühren.“
Im Zuschauerraum kämpfte währenddessen seine Frau, die im nächsten Monat das vierte Kind erwartet, mit den Tränen. Der Geschädigte war dem letzten Verhandlungstag fern geblieben.
Video: www.schwaebische.de/urteil-grill gabelprozess