Gränzbote

„Linie 1“: Liebe, Tod und Nazi-Omas

Der Kulturring Fridingen führt ab kommenden Freitag erstmals ein Musical auf

- Von Kristina Priebe

FRIDINGEN - Der Kulturring Fridingen bringt ab Freitag, 23. Februar, Berlin der 80er-Jahre ins Donautal. Das Musical „Linie 1“ist eine der aufwändigs­ten und teuersten Produktion­en des Vereins. Die Zuschauer erwartet eine Mischung aus Drama und Komödie.

Vier Penner stoßen mit billigem Bier an. Junge Mädchen tanzen in bunten Kleidern, ein Junge mit Walkman und Zauberwürf­el schlendert vorbei. Im Chor singen sie: „Fahr mal wieder U-Bahn, da merkst du, wie das Leben ist.“Und das vor der Kulisse einer Berliner U-Bahn-Station der 80er-Jahre. Da prangt ein Wahlplakat von Helmut Kohl, dekoriert mit Hitlerbärt­chen und „Atomkraft-NeinDanke“-Aufkleber. Die Bude von Buletten-Trude schmücken Pril-Blumen und die Betonwände der Station sind mit Graffiti und Schmierere­ien verziert. „Fahr mal wieder U-Bahn“, schallt es von der Bühne. „Stand! Licht!“, folgt die Anweisung von Regisseur Günther Rieckmann.

Es ist eine der letzten Proben für das Winterthea­ter. Am kommenden Freitag feiert das Musical „Linie 1“Premiere. Und mit diesem Stück hat sich das Regie-Trio, bestehend aus Günther Rieckmann, Tocher Hanna Rieckmann und Robin Rathmann, eine Mammutaufg­abe vorgenomme­n. Das Stück von Birger Heymann und Volker Ludwig, das 1986 im Berliner Grips-Theater erstmals aufgeführt wurde, hat rund 70 Rollen, erzählt Günther Rieckmann.

Das Musical dreht sich um ein namenloses Mädchen vom Lande. Sie kommt nach Berlin, um nach dem Musiker zu suchen, der sie geschwänge­rt hat. Auf dem Weg zu ihm, fährt sie mit der U-Bahn-Linie 1 und trifft dort die verschiede­nsten Typen und Charaktere aus allen sozialen Schichten.

Günther Rieckmann hatte das Stück im Sommerurla­ub gelesen und beschlosse­n, es in Fridingen aufzuführe­n. „Schockiere­nd fasziniere­nd daran ist“, sagt der Regisseur, „dass sich seit den 80er-Jahren bis heute nichts geändert hat.“Die Fremdenfei­ndlichkeit und das Gefälle zwischen den sozialen Schichten, die in dem mehr als 30 Jahre alten Stück thematisie­rt werden, seien 2018 noch genauso aktuell. Und es ist alles drin, ergänzt Robin Rathmann: „Liebe, Tod, Nazi-Omas.“Ein wichtiges Stück also, mit einem emotionale­n Auf und Ab, für den sich der hohe Probenaufw­and lohne.

Die ursprüngli­ch 70 Rollen hat das Regio-Trio auf 65 eingedampf­t. Das bedeutet für die meisten der 30 Schauspiel­er Doppelroll­en. Und was eben noch eine Wilmersdor­fer-Witwe im Pelzmantel und Stöckelsch­uhen war, muss in der nächsten Szene schon wieder ein schnoddrig­er Berliner-Punk mit Flachmann und Jeansjacke sein. Rund 100 Probenstun­den stecken bereits dahinter. Und das Musical kostet nicht nur Zeit, sondern auch mehr Geld als die bisherigen Stücke. Pro Aufführung werden 260 Euro Lizenzgebü­hren fällig, erzählt Günther Rieckmann.

„Linie 1“verlangt aber nicht nur dem Regie-Team einiges ab. Die Darsteller müssen bei diesem Stück nicht nur schauspiel­ern, sondern auch singen und tanzen. Und das mit zehn Szenenumba­uten und häufigen Kostüm- und Maskenwech­seln. Bei der ersten Durchlaufp­robe habe das aber bereits ordentlich funktionie­rt, berichtet Hanna Rieckmann. Die Vorzeichen stehen also gut, dass die Linie 1 bei der Premiere am kommenden Freitag ohne Ausfälle abfahren kann.

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FOTO: KRISTINA PRIEBE Die Wilmersdor­fer Witwen sind nach eigenem Verständni­s die letzte Bastion der Sitte in Berlin. Und Stammkunde­n im KaDeWe.
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