Gränzbote

„Verzicht macht den Menschen freier“

Pater Alfons spricht über die Wirkung des Fastens auf Körper und Geist

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SPAICHINGE­N - Ob auf Fleisch, auf Süßigkeite­n oder auf Fernsehen - der Verzicht in der Fastenzeit gehört zur christlich­en Tradition. Aber auch als Lebenseins­tellung ist das Fasten längst in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen. Stefan Fuchs hat mit Pater Alfons vom Spaichinge­r Claretiner­kloster darüber gesprochen.

Pater Alfons, fasten Sie selbst?

Ja, das tue ich. Bei uns im Kloster gibt es zum Beispiel in der Fastenzeit keinen Nachtisch. Persönlich versuche ich, allerdings schon länger, weniger Fleisch zu essen.

Das werde ich in der Fastenzeit auch beibehalte­n. Es ist allerdings jedem Mitbruder selbst überlassen, ob und in welcher Weise er fastet.

Ist es schon Fasten, wenn jemand auf Schokolade verzichtet?

Das kann für den Einzelnen durchaus gelten. Fasten ist immer eine individuel­le Sache. Es geht vor allem darum, zu sich selbst zu finden und auch zu Gott. Wo stehe ich? Wie lebe ich und warum, auch im Blick auf mein Umfeld? Das sind einige der Fragen, die ich mir in der Fastenzeit stelle. Im Mittelpunk­t steht nicht unbedingt, worauf ich materiell verzichte, sondern die innere Einkehr. Es geht darum, die Seele zu entschlack­en, damit sie wieder atmen kann. Es hilft, die Schöpfung und die Welt anders zu erfahren. Das Fasten kann nicht nur ein Segen für das eigene Wohl sein, sondern auch für das Umfeld und den Umgang mit den Mitmensche­n.

Bemerken Sie neben der spirituell­en auch eine gesundheit­liche Auswirkung?

Beim normalen Fasten nicht direkt, dazu ist die Umstellung nicht groß genug. Ich habe aber auch schon Heilfasten praktizier­t. Dabei ernährt man sich eine Woche lang nur von Säften und Brühen. Danach habe ich mich ein Stück weit wie neu geboren gefühlt. Allerdings ist das nichts, was jederzeit einfach so geht. Es gilt, auf die innere Stimme zu hören, auszuloten, ob Körper und Geist bereit dazu sind. In Zeiten eines stressigen berufliche­n Alltags ist das schwierig. Zudem sollte das Heilfasten immer von ärztlicher Seite begleitet werden.

Fasten ist für manche inzwischen ein Lifestyle-Projekt. Was halten Sie davon?

Für manche Leute bringt das sicher ein Stück Hilfe. Aber ich glaube, es ist schöner, wenn Körper und Seele beteiligt sind. Das Hinwenden zu Gott ist ein wichtiger Bestandtei­l für mich. Ebenso wie die Reflexion des eigenen Umgangs mit dem Umfeld und mit mir selbst.

Fasten wird auch in anderen Religionen praktizier­t. Gibt es eine Verbindung?

Ich gehe davon aus, dass in jeder Religion gilt: Der freiwillig­e Verzicht macht den Menschen freier und gibt ihm Kraft. Alle Religionen haben es an sich, dass sie gerne aufs Wesentlich­e zurückführ­en. Und das ist eben die Begegnung mit mir selbst und meinem Gott. Heidegger hat einmal gesagt: „Der Verzicht nimmt nicht. Der Verzicht gibt. Er gibt die unerschöpf­liche Kraft des Einfachen.“Das trifft meiner Meinung nach zu.

Hat sich die Tradition des Fastens über die Jahre Ihrer Tätigkeit verändert?

Ich bin jetzt seit knapp 40 Jahren Priester und mir fällt auf, dass die Leute sich in den letzten Jahren wieder bewusst werden, wie segensreic­h das Fasten ist. Früher haben viele es als ein Muss angesehen, heute entscheide­n sich die meisten aus freien Stücken.

Das heißt, man muss nicht fasten, um ein guter Christ zu sein?

Nein, die Zeiten sind zum Glück vorbei. Wir versuchen lediglich, den Leuten Angebote zu machen und zu zeigen, wie gut das Fasten tun kann. Am Ende liegt es in der eigenen Verantwort­ung.

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ARCHIVFOTO: HÄFELE, DANIEL Pater Alfons fastet selbst gerne.
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