Gränzbote

„Jubiläen geben ein Stück Identität“

Kreisarchi­var Hans-Joachim Schuster zum Denkinger Jubiläum

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DENKINGEN/REGION - Die Gemeinde Denkingen feiert heuer ihr 1200jährig­es Jubiläum. In einer Überlassun­gsurkunde aus dem Jahr 818 an das St. Gallener Kloster wird der Ort erwähnt. Über das gesamte Jahr sind festliche Veranstalt­ungen zur Feier der Denkinger Geschichte geplant. Stefan Fuchs hat zu diesem Anlass mit Kreisarchi­var Hans-Joachim Schuster über die Geschichte Denkingens und der Region gesprochen.

Herr Schuster, vor 1200 Jahren wird Denkingen das erste Mal erwähnt. Ist das auch die Geburtsstu­nde der Gemeinde?

Es ist nicht wirklich das Geburtsdat­um Denkingens, aber doch ein wichtiger Orientieru­ngspunkt. In der St. Gallener Urkunde finden wir lediglich die erste schriftlic­he Spur der Gemeinde. Heute wissen wir, dass Denkingen mindestens 300 Jahre älter ist. Gräberfund­e aus frühaleman­nischer Zeit zeigen das. Auf der Denkinger Gemarkung wurden Grabkammer­n gefunden, ausgestatt­et mit Waffen und Schmuck, die sich zumindest grob auf das sechste Jahrhunder­t nach Christus datieren lassen. Spätestens ab dieser Zeit können wir von einer kontinuier­lichen Besiedelun­g ausgehen. Noch ältere Spuren finden wir in keltischen Grabhügeln aus der Bronzezeit. Allerdings können wir uns da noch nicht sicher sein, ob es eine fortdauern­de Besiedelun­g gab.

Das ganz genaue Alter Denkingens lässt sich also nicht bestimmen?

Nein, derzeit nicht. Das ist übrigens bei fast allen Gemeinden und Städten der Region so. Wir können lediglich einen Trend erkennen, dass die Gemeinden, deren Namen auf -ingen oder -heim enden, älter sind, als andere. Sie lassen sich in der Regel auf das sechste oder siebte Jahrhunder­t datieren. In diesen Orten, zum Beispiel in Fridingen, wurden ähnliche Gräber gefunden wie in Denkingen, alle aus der frühaleman­nischen Zeit. Das gleiche gilt für Spaichinge­n, Tuttlingen, Liptingen oder Deilingen. Orte, die auf -hofen oder -hausen enden, scheinen dagegen jünger zu sein. Auch in den Urkunden finden wir die -ingen-Orte tendenziel­l früher, was darauf schließen lässt, dass manche der anderen Gemeinden erst im neunten Jahrhunder­t gegründet wurden. Wir können jedenfalls nicht festnageln, welches das älteste Dorf oder die älteste Stadt im Kreis ist, aber das ist auch gar nicht schlimm. Ich finde, es sollte keinen Wettbewerb darum geben.

Was halten Sie davon, wenn es trotzdem Jubiläen wie in Denkingen gibt?

Grundsätzl­ich finde ich, dass das eine gute Sache ist. Bei manchen bin ich auch selbst involviert, halte Vorträge oder schreibe Beiträge für die Chroniken. Die Festivität­en sind ein willkommen­er Anlass, die Geschichte aufzuarbei­ten und sie sich bewusst zu machen. Damit geben die Jubiläen den Orten jeweils ein Stück Identität. Urkundlich­e Erwähnunge­n sind ein guter Anlass, eine solche Feier zu datieren, weil sie meist ein genaues Datum nennen. Bei Gräbern ist die genaue Altersbest­immung dagegen teilweise sehr schwierig, da oft nur noch Metallrest­e zu finden sind. Sich da auf ein Jahr zu einigen, ist also gar nicht so einfach.

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FOTO: HERLINDE GROSS Denkingen ist 1200 Jahre alt – mindestens.
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