Leserbriefe
Zu unserem Artikel „Die Kulturszene in Aufruhr“von Freitag, 16. Februar, erhielten wir zwei Leserbriefe. „Allzu viel verliert Trossingen nicht“
„Wenn jetzt der Aufschrei groß ist, dass der Bürgermeister in Trossingen die ,Hochkultur’ über die Klinge springen lassen will, finde ich das doch scheinheilig. Was bitteschön für eine Hochkultur? Die findet in Trossingen doch gar nicht statt. Das Konzerthaus war vor vielen Jahren ein Anziehungspunkt für die ganze Region. Aber diese Zeiten sind vorbei. Villingen-Schwenningen hat aufgerüstet und besitzt gleich mehrere Spielstätten, die zu Füllen kaum mehr möglich ist, genauso Tuttlingen. Gegen die Stadthalle Tuttlingen und die Angerhalle in Möhringen kommt Trossingen nicht an mit seinen 16 000 Einwohnern. Wie oft im Jahr ist das Konzerthaus denn voll? Kann man an einer Hand abzählen. Das schaffen nur die Bläserbuben oder bundesweit bekannte Fernsehleute, von denen sich aber auch nur selten welche nach Trossingen verirren. Das Konzerthaus hat Kapazitäten, die die Stadt nicht braucht. Leistet sich Trossingen doch noch einen Konzertsaal in der Hochschule und einen in der Bundesakademie. Selbst das Kesselhaus, einer der hässlichsten Aufführungsorte in der Gegend, wird meist nur halbwegs voll, wenn die Veranstaltungen gratis angeboten oder die Hälfte der Karten im Freundeskreis verschenkt werden.
Also allzu viel verliert Trossingen nicht wenn, das Kulturprogramm geschliffen wird. Das Konzerthaus ist ja da für den Fall dass es einmal gebraucht wird. Dass allerdings unser Bürgermeister der Mann ist, der genau weiß wie viel Kultur die Stadt braucht, ist dann doch zweifelhaft angesichts vieler Entscheidungen der letzten Jahre. Und sich jetzt auf Institutionen, Vereine und private Initiativen zu verlassen ist nicht glaubhaft. Die Verwaltung der Stadt hat kein Herz für die Initiativen, weil Kultur nun mal viel guten Willen braucht - und das kostet.“Rupert Schumacher, Privatinitiative Schräge-Bühne
„Lassen Sie sich Zeit“
Als im Jahr 2013 die Musikhochschule Trossingen geschlossen werden sollte, hat Bürgermeister Dr. Clemens Maier wortgewaltig und entschlossen um den Fortbestand der Musikhochschule gekämpft. (...) Nun ziehen neue Gewitterwolken am Trossinger Kulturhimmel herauf. (...)
Der Vorschlag von Dr. Maier besteht darin, künftig auf den Zukauf von externen Kultur-Veranstaltungen zu verzichten und die Trossinger Kulturarbeit auf die Schultern von Vereinen und Institutionen zu verlagern. Das dadurch eingesparte Geld soll durch den Verwaltungsund Kulturausschuss an die Trossinger Vereine verteilt werden und deren Kulturarbeit fördern.
Die Stadtverwaltung bringt in einem 18-seitigen Papier triftige Gründe vor für dieses Konzept. Es gibt aber ebenso triftige Gründe, die dagegen sprechen, denn das Papier weist inhaltliche Defizite auf. (...)Warum soll diese wichtige Entscheidung so plötzlich und in einer solchen Eile getroffen werden? Warum hat der Gemeinderat nicht ausreichend Zeit, um sich mit den Pro- und Contra-Fakten auseinander zu setzen? Wie soll das Konzept der Verlagerung auf Vereinsebene dauerhaft funktionieren in einer Zeit, in der fast alle Vereine über Nachwuchsmangel klagen? Hat die Stadtverwaltung dieses Konzept im Vorfeld mit Vereinen und Institutionen abgeklärt? Ist Herrn Dr. Maier bewusst, dass dann ein großer Teil des Trossinger Musiklebens von Leuten bestritten werden soll, die einer hauptberuflichen Tätigkeit nachgehen und nicht nebenbei noch unbegrenzt belastbar sind durch Proben und Konzerte. Wie will Dr. Maier argumentieren, wenn den Stuttgarter Politikern wieder einmal einfällt, über die Schließung der Trossinger Musikhochschule nachzudenken? Wenn Kultur in Trossingen dann nach dem neuen Konzept funktioniert, hat Dr. Maier kaum noch Argumente in der Hand. Ist Herrn Dr. Maier bewusst, dass mit dem neuen Konzept von der bisherigen kulturellen Vielfalt eine Menge verloren gehen wird und viele Facetten des Kulturlebens nicht mehr bedient werden können.
Die Reihe der Fragen könnte fortgesetzt werden, aber eine letzte Frage stellt sich doch noch: Warum wird ein Punkt von einer solchen Tragweite an das Ende einer langen Tagesordnung gesetzt, wenn alle Gemeinderäte bereits müde sind und nachhause wollen? Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Vermutlich sind jedoch alle Trossinger Gemeinderäte so verantwortungsbewusst, dass sie dieses wichtige Thema nicht einfach kurz vor Sitzungschluss mit einem folgenschweren Beschluss durchwinken werden. Daher möchte ich an alle Gemeinderäte appellieren: Lassen Sie sich Zeit, um alle Pro- und Contra-Argumente abzuwägen.
Ursula Kratt, Trossingen