Kein Schnee und eigene Fehler
Die Umsätze der Boomjahre bleiben für die Skiindustrie unerreichbar – trotz des guten Winters
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WANGEN - Blick zurück in Wehmut: Die goldenen Zeiten der Skiindustrie sind vorbei – sie liegen rund ein Vierteljahrhundert zurück. Anfang der 1990er-Jahre verkaufte die Branche pro Jahr weltweit bis zu neun Millionen Paar Alpinski. Nach Jahren des Niedergangs haben sich die Verkaufszahlen wieder stabilisert – auf einem Niveau, das deutlich unter den Spitzenwerten liegt. Die großen Hersteller verkaufen heute im Jahr rund drei Millionen Paar Ski – sie haben zwei Drittel ihres Absatzes verloren. Die wärmeren Winter machen den Unternehmen zu schaffen, die Tatsache, dass Menschen den alpinen Skisport aus ökologischen Gründen zu meiden beginnen – und ein strategischer Fehler, als Fischer, Völkl und Co. in der Zeit vor der Jahrtausendwende verstärkt begannen, auf das Geschäft mit Leihski zu setzen.
Supermacht der Skiindustrie ist Österreich. Laut Statistik Austria haben Firmen dort nach den jüngsten vorliegenden Zahlen aus 2016 genau 1 253 462 Paar Ski produziert. Der Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSO) gibt an, dies seien „fast die Hälfte aller weltweit verkauften Ski“. 80Prozent davon gehen in den Export, 1,1 Milliarden Euro setzen österreichische Unternehmen mit Ski um. „Die Entwicklung der Skiverkäufe hat sich wieder stabilisiert“, sagt VSSO-Präsident Gernot Kellermayr der „Schwäbischen Zeitung“. Von einstigen Hochzeiten sei man jedoch weit entfernt. Ein Grund: „Trend zum Verleih-Ski“.
Lieber leihen als kaufen
In den 1970er- und 80er-Jahren war das Mieten der Ausrüstung kein großes Thema. Wenn überhaupt, bekam man minderwertige Bretter. Der Verleiher ging davon aus, dass sie sowieso zu Bruch gefahren würden. Mit der heutigen Lage ist dies nicht mehr zu vergleichen. Die Verleihfirmen bieten zumeist erstklassiges Material an, gegen Aufpreis gibt es die allerneuesten Modelle. Kellermayr sagt, rund die Hälfte der verkauften Skier gingen in Verleih. „Das sehen wir als Zeichen, dass die Skifahrer gerne mit dem neuesten Material unterwegs sind und auch gerne testen“, meint der VSSO-Chef. Mit anderen Worten: Warum teure Skier kaufen, wenn sie auch zu leihen sind. Dies dürfte zumindest die Gefühlslage zahlreicher Gelegenheitsskifahrer aus dem Flachland treffen.
„Kunden suchen aufgrund der oftmals unvorhergesehenen Witterung zunehmend nach flexibleren Lösungen wie etwa dem Skiverleih“, heißt es bei Intersport Deutschland, dem nationalen Ableger des größten mittelständischen Einkaufsverbunds im weltweiten Sportfachhandel. Intersport hat bereits eine Verleihplattform im Internet ins Leben gerufen. Motto: Zuhause buchen und im Urlaub mit dem Leihski direkt auf die Piste. So etwas ist ein weiterer Schlag für den Verkauf.
Zusätzlich beobachten die Skihersteller argwöhnisch die Klimaentwicklung. Fischer Sports, ansässig im oberösterreichischen Ried und einer der weltweit größten Hersteller, verweist auf die eher spärlich mit Schnee gesegneten Jahre zwischen 2013 und 2017. Dies tue zusätzlich weh, heißt es bei dem Traditionsunternehmen.
Andererseits merkt es die Skiindustrie, wenn es großzügig schneit. Sie kann zwar auch dann bei weitem nicht an die goldenen Zeiten anknüpfen. Aber die Zahlen sehen besser aus. „Durch die frühen, ergiebigen Schneefälle in diesem Winter sind die Abverkäufe natürlich sehr erfreulich“, meint Timm Lohmann vom Deutschland-Vertrieb der oberösterreichischen Firma Fischer. Der Weltmarktführer rechnet im aktuellen Geschäftsjahr mit einem Umsatzanstieg von 137 auf 150 Millionen Euro. In diese Zahlen fließen neben dem Verkauf von Alpin-Ski jedoch auch noch der Handel mit Snowboards, Langlauf- und Tourenski hinein. Wobei diese drei Produkte bei Fischer aber eher zum Nebengeschäft zählen.
Head, angesiedelt in Kennelbach nahe der Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz, vermeldet für diese Saison ebenso: „Der Skiverkauf entwickelt sich sehr gut.“Völkl stößt ins selbe Horn. Die Firma produziert im niederbayerischen Straubing. „Wir sind global aufgestellt und konnten in den vergangenen Jahren Rückgänge in schneeärmeren Regionen mit steigenden Verkäufen in schneereicheren Ländern wie beispielsweise den USA, Kanada oder Japan ausgleichen“, berichtet Völkl-Chef Christoph Blonder.
Das Unternehmen ist der letzte bedeutende Skiproduzent auf deutschem Boden. Einst war er ein Familienbetrieb wie alle namhaften Hersteller. Aber bereits 1992 folgt die erste Übernahme. Inzwischen ist Völkl Teil des US-Mischkonzerns Newell Brands. Seinerzeit wurden auch die österreichischen Marken Kästle, Atomic und Blizzard von internationalen Konzernen übernommen. Es war die Krisenzeit der Skiindustrie. Der Klimawandel war zwar weniger spürbar, aber das Verleihgeschäft legte stark zu und gleichzeitig änderte sich das Freizeitverhalten. Selbst in Österreich gehört Skifahren längst nicht mehr zum nationalen Lebensgefühl. „Nur noch jeder dritte Österreicher geht regelmäßig zum Skifahren“, hat der Wiener Freizeit- und Tourismusforscher Peter Zellmann festgestellt.
Ausweichen in neue Sparten
Völlig vom Markt verschwunden ist aber nur die einst mächtige Tiroler Firma Kneissl. Andere Unternehmen wie Head haben ihre Produktpalette über das Wintergeschäft hinaus erweitert – in diesem Fall unter anderem durch eine Tennis-Sparte. Große Sprünge im Bereich von Alpinski, Snowboards oder Langlaufski erwartet gegenwärtig niemand. Es gibt aber immerhin Hoffnungen, dass sich der Export steigern lässt. Russland gilt als Zukunftsmarkt, allerdings fehlt es an Kaufkraft. China versorgt sich eher aus Japan.
Wirtschaftlich aussichtsreicher schätzt die Skiindustrie den Bereich Skitouren ein. Er boomt unentwegt, ist nicht verleihgeschädigt – und die Sportler gelten als gutverdienend. Tourenski, sonstige Ausrüstung und entsprechende Begleitung zusammengenommen haben alleine den Österreichern in der vergangenen Saison einen Umsatz von rund 190 Millionen Euro gebracht.