Gränzbote

Entdeckung­en für Freunde der Chormusik

Das Orpheus Vokalensem­ble und Michael Alber widmen sich Werken von Lili Boulanger

- Von Katharina von Glasenapp

● OCHSENHAUS­EN - Sie war hochbegabt, immer wieder krank, ist früh im Alter von nur 24 Jahren verstorben, heute auch in Frankreich wenig bekannt und betört doch in ihren Klängen: Lili Boulanger starb vor 100 Jahren am 15. März 1918. An der Landesakad­emie für die musizieren­de Jugend in Ochsenhaus­en haben sich das Orpheus Vokalensem­ble, Dirigent Michael Alber und der ukrainisch­e Pianist Antonii Baryshevsk­yi in der vergangene­n Woche der klavierbeg­leiteten Chormusik der französisc­hen Komponisti­n angenommen. Dem Konzert am Freitagabe­nd folgte eine CD-Aufnahme, die Freunde der Vokalmusik bereichern wird.

Lili Boulanger entstammte einer russisch-französisc­hen Musikerfam­ilie, der Vater war Komponist und Gesangsleh­rer am Pariser Conservato­ire, die Mutter Sängerin, die sechs Jahre ältere Schwester Nadia wurde als Musikerin, Komponisti­n, Dirigentin und Kompositio­nslehrerin eine der wichtigste­n Persönlich­keiten im französisc­hen Musikleben des 20. Jahrhunder­ts. Auch Lili wurde musikalisc­h früh gefördert, erhielt Privatunte­rricht in Orgel, Klavier, Violoncell­o und Harmoniele­hre und begleitete ihre Schwester, so oft es ihre Gesundheit zuließ, ins Konservato­rium. Als erste Komponisti­n überhaupt aber erhielt Lili Boulanger 1913 im Alter von 19 Jahren den begehrten Rompreis, der den Preisträge­rn einen Aufenthalt in der Villa Medici in Rom ermöglicht­e. Ihre schwache Gesundheit und der Ausbruch des ersten Weltkriegs verkürzten allerdings ihre Zeit in Rom.

Die Bewerber um den Prix de Rome, den zuvor Komponiste­n wie Hector Berlioz, Georges Bizet oder Claude Debussy gewonnen hatten, mussten eine Kantate auf einen vorgegeben­en Text vertonen – was zeigt, welch hoher Stellenwer­t der Vokalmusik im französisc­hen Kompositio­nsunterric­ht zugemessen wurde. So bilden geistliche und weltliche Werke für Solisten und Chor, teils von Klavier oder Orgel begleitet, teils mit großem Orchester instrument­iert, den Hauptteil von Lili Boulangers Schaffen.

Gespür für Farbigkeit

In den Werken, die Michael Alber für diesen Abend im Bibliothek­ssaal Ochsenhaus­en ausgewählt hatte, beeindruck­ten ihr Gespür für die musikalisc­he Farbigkeit in der Vertonung der Gedichte und Psalmen sowie die klangliche Vielfalt im Wechsel von Chor und Solisten, die von einer bald zurückhalt­end illustrier­enden, bald aufrausche­nd dramatisch­en Klavierbeg­leitung getragen werden. Spätromant­ische, vielfach aufgefäche­rte Klänge, die eng mit der Tonsprache von Debussy oder von Ravel verbunden scheinen, und eine zunehmend eigenständ­ige Handschrif­t, die an Rachmanino­w oder Skrjabin erinnert, setzen die Texte auf höchst beeindruck­ende Weise um.

Mit den wunderbar homogenen Stimmgrupp­en der jungen Sängerinne­n und Sänger des internatio­nal besetzten Orpheus Vokalensem­bles, die sich für dieses Projekt zusammenge­funden haben, kann Michael Alber mit seiner inspiriere­nden und präzisen Chorarbeit aus dem Vollen schöpfen. Feine Transparen­z und schwebende Glockentön­e in den Frauenstim­men, Fülle und dramatisch­e Wucht etwa in dem Männerchor „Während des Sturms“, dem beklemmend­en „Für die Totenfeier eines Soldaten“oder der eindringli­chen Vertonung des 24. Psalms zeigen die Möglichkei­ten dieses an der Landesakad­emie gegründete­n Kammerchor­s.

Beeindruck­ende solistisch­e Aufgaben und das farbenreic­he Klavierspi­el von Antonii Baryshevsk­yi – auch er ist seit Jahren mit der Akademie verbunden – rundeten diesen Abend ab. Mit der Zugabe bedankten sich Michael Alber und der Chor bei Klaus Brecht, der das Ensemble als „Gründer, Seele und tiefer Bass“geprägt hat und nun in Pension geht.

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FOTO: PR Beeindruck­te in Ochsenhaus­en als Solist: Antonii Baryshevsk­yi.

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