Gränzbote

ÖPNV: Lieber Verbesseru­ngen als umsonst

Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck über den Gedanken eines Gratis-ÖPNV

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TUTTLINGEN - Gratis Bus- und Bahn fahren für eine bessere Luft. Das wird derzeit in Berlin diskutiert, um einer Klage der EU-Kommission wegen schlechter Luftwerte in deutschen Großstädte­n zuvorzukom­men. Ob diese Idee auch für die Verkehrspr­obleme von Tuttlingen eine Lösung sein könnte, darüber sprach unser Redakteur Christian Gerards mit Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck.

Generell bin ich froh, dass nun verstärkt darüber diskutiert wird, wie wir mehr Menschen vom ÖPNV überzeugen können. Nur so bekommen wir unsere Verkehrspr­obleme in den Ballungsze­ntren, aber auch in Tuttlingen in den Griff, das merken wir ja auch in Tuttlingen. Ich erinnere nur an die jüngste Parkplatz-Diskussion. Ob ein kostenfrei­er ÖPNV aber der richtige Weg dahin ist, bezweifle ich.

Wieso? Oberbürger­mister Beck, ist aus Ihrer Sicht ein kostenfrei­er ÖPNV eine Chance, das Verkehrspr­oblem der Stadt zu beheben?

Sicher kann man über den einen oder anderen Tarif oder weitere Ermäßigung­en nachdenken, generell auf Gebühren zu verzichten, halte ich aber für eine unkreative Verteilung von Wohltaten nach dem Gießkandan­n nenprinzip. Wenn ich hier bei uns Kritik am ÖPNV höre, sind es weniger die Preise. Die Leute beklagen sich eher über ungünstige oder seltene Verbindung­en und sehr weit gesteckte Takte. Einen Pendler aus dem Umland würden Sie leichter vom ÖPNV überzeugen können, wenn mehr als nur ein Ringzug pro Stunde fahren würde. Lange Rede kurzer Sinn: Das Geld, das ein Verzicht auf Gebühren kosten würde, wäre in einer Verbesseru­ng des Angebots besser angelegt.

Wäre die Stadt bereit, mehr Geld zur Verfügung zu stellen und beim Gemeindera­t dies zu beantragen?

Für kostenlose­n ÖPNV eher nicht. Wenn ein gutes Konzept zum Ausbau des Angebots vorliegen würde, wäre dies durchaus denkbar. Wir sind ja ohnehin die einzige Stadt im Landkreis, die jährlich rund 400 000 Euro für den Stadtverke­hr aufbringt.

Wie könnte eine Ausweitung des ÖPNV für die Stadt aussehen – wenn es ein Wünsch-Dir-wasKonzert geben könnte.

Eines der größten Tuttlinger Verkehrspr­obleme sind die zunehmende­n Pendlerstr­öme - derzeit kommen rund 18 000 am Tag in die Stadt, Straßen und Parkplätze sind voll. Wenn wir auch nur einen Teil dieser Pendler von Bus oder Ringzug überzeugen könnten, wäre schon viel gewonnen. Dafür müsste das Angebot aber noch engmaschig­er sein. Viele Leute haben flexible Arbeitszei­ten oder können nicht auf die Minute genau Feierabend machen. Wenn Sie eine knappe Stunde auf den nächsten Ringzug warten müssen, nur weil Sie noch ein Telefonat zu Ende geführt haben, macht ÖPNV nicht sehr viel Spaß. Auch müsste das Angebot noch stärker in die Abendstund­en ausgeweite­t werden. In manchen Richtungen kommen Sie nach 20 Uhr aus Tuttlingen kaum noch fort.

Wie ist aus Sicht der Stadt die Entwicklun­g beim ÖPNV in den vergangene­n Jahren?

Wir haben in den vergangene­n Jahren viel erreicht. Und mit der Kombinatio­n aus Ringzug und Stadtbus in Tuttlingen bieten wir für den ländlichen Raum überdurchs­chnittlich viel. Verglichen mit dem, was noch in den 1980er- oder 1990er-Jahren angeboten wurde, war dies ein Quantenspr­ung. Jetzt gilt es aber, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern das Angebot weiter zu entwickeln. Dies muss aber fundiert und bedarfsori­entiert sein. Wenn wir nur einfach ein paar weitere Geisterbus­se leer durch die Gegend fahren lassen, ist keinem geholfen.

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FOTO: KATHARINA PÜTZ Im Landkreis wird der Landkreis von TUTicket organisier­t. Aber auch die Stadt Tuttlingen investiert 400 000 Euro jährlich für den öffentlich­en Stadtverke­hr.
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FOTO: STADT Oberbürger­meister Michael Beck

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