Bedroht in Hamburg
Ausnahmsweise können wir in dieser kleinen Kolumne dieses Mal nicht den gesamten Spieltag der Fußball-Bundesliga Revue passieren lassen. Eine Partie dieses 23. Spieltages wird erst am Montag stattfinden, auf dem Papier gar keine so üble: Sowohl für Eintracht Frankfurt, als auch für RB Leipzig dürfte das Spiel im Waldstadion, Verzeihung!, in der Commerzbank-Arena (20.30 Uhr/Eurosport Player) richtungsweisend sein im Kampf um die Champions League. Doch man muss kein notorischer Schwarzmaler sein, um die Prognose zu wagen, dass viele Fans im Stadion das sportliche Geschehen eher peripher interessieren wird. „Es wird eine enorme Welle des Protests sichtbar werden“, sagte Eintracht-Vorstand Axel Hellmann der „Bild am Sonntag“. Und weiter: „Es gibt bei einem Großteil der Fans eine tiefe innere Überzeugung, dass der Montag eine Fehlansetzung ist.“Das erste Montagsspiel in der Geschichte der Bundesliga wurde zum „Manic Monday“ausgerufen, zum irren Montag, die Protestler vermuten einen weiteren Schritt zur Kommerzialisierung des Profifußballs durch die DFL, der ihre Interessen bei der Spielplangestaltung ignoriert. Jene DFL sieht das naturgemäß ein wenig anders. „Wir reden
über fünf von 306 Saisonspielen. Es ist nicht geplant, dass es mehr werden. Und die Chance, dass es weniger werden, ist eher größer als kleiner“, sagte DFL-Chef Christian Seifert dem HR: „Insofern sollte man die Kirche mal im Dorf lassen.“Auch wurden die Montagsspiele nicht aus kommerziellen Erwägungen eingeführt. ● Sondern? „Sie wurden eingeführt als Interessensausgleich zwischen mitreisenden Fans einerseits und dem Amateurfußball andererseits, der nach wie vor sehr viele Spiele am Sonntag absolviert“, so Seifert. Zudem brauche es Entlastung für die Europa-League-Starter, die am Donnerstag spielen. Die ersten Clubs scheinen aber bereits umzuschwenken – und die Montagsspiele, vorerst bis 2021 beschlossen, plötzlich doch nicht mehr als so nötig anzusehen wie noch vor einem Jahr. „Ohne Montagsspiele werden wir ab 2021 vielleicht ein, zwei Millionen Euro weniger einnehmen. Aber eine größere Einheit mit den Fans ist uns mehr wert“, sagte BVBGeschäftsführer Hans-Joachim
Watzke
bei Sky, „wir dürfen keine Politik gegen das Gefühl unserer zehn Millionen Fans in Deutschland machen.“Kommenden Montag empfängt der BVB den FC Augsburg, Fanclubs und Ultragruppen haben einen Boykott angekündigt.
Im Gegensatz zu dem, was sich die Fans des Hamburger SV am Wochenende geleistet haben, ist ein Boykott sicher ein hartes und für die Spieler unschönes, aber legitimes Mittel. Frustrierte HSV-Anhänger hatten schon vor dem 1:2 gegen Leverkusen, das den HSV noch ein Schrittchen weiter Richtung Unterhaus brachte, ein mehr als unfreundliches Plakat aufgehängt. „Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir euch durch die Stadt“, war auf einem Banner zu lesen. Bekanntlich zählt ein Zeitmesser im Stadion sekundengenau die Bundesligazugehörigkeit des einzigen nie abgestiegenen Gründungsmitglieds der Liga. Nach der 200. Heimniederlage verhinderte nur das konsequente Eingreifen der Sicherheitskräfte einen Platzsturm aufgebrachter Zuschauer
„Da wurde eine Grenze überschritten. Das können wir nicht tolerieren“, sagte Sportchef Jens Todt, „uns fehlt jedes Verständnis, wenn Gewalt angedroht wird.“Und Angreifer André Hahn, der den Anschlusstreffer erzielte, meinte: „Ich weiß nicht, was solch ein Plakat bezwecken soll. Wir sind eine junge Mannschaft“. Am Sonntag wurde beim HSV übrigens ein neuer Präsident gewählt.
Bernd Hoffmann (55), bereits von 2003 bis 2011 Vorstandsvorsitzender des Clubs, setzte sich, auch dank einer kämpferischen Rede, bei der Mitgliederversammlung gegen Amtsinhaber Jens Meier durch. Er erhielt 585 Stimmen und damit 25 mehr als sein Kontrahent Meier.
Für einige Sekunden schien es, als ● ob Claudio Pizarro auch für einen dritten Bundesligaclub zu einem Stadt- und Säulenheiligen werden würde. Der wohl schlawinigste aller Sturmschlawiner der Bundesligageschichte, Legende bei Werder Bremen und FC Bayern, hatte den 1. FC Köln mit seinem vermeintlich ersten Tor im siebten Ligaspiel gegen Hannover in allerletzter Sekunde zum Sieg geschossen – und dem Tabellenletzten noch einmal ganz neue Hoffnung verschafft. Schiedsrichter
Markus Schmidt erkannte den Treffer nach Videobeweis aber nicht an, Vorbereiter Marcel Risse war im Abseits gestanden. Risse flippte ebenso wie das Publikum völlig aus, Pizarro schüttelte nur noch den Kopf. Als Retter des FC wird er wohl nicht mehr in die Annalen eingehen.