Gränzbote

Bedroht in Hamburg

- Von Filippo Cataldo

Ausnahmswe­ise können wir in dieser kleinen Kolumne dieses Mal nicht den gesamten Spieltag der Fußball-Bundesliga Revue passieren lassen. Eine Partie dieses 23. Spieltages wird erst am Montag stattfinde­n, auf dem Papier gar keine so üble: Sowohl für Eintracht Frankfurt, als auch für RB Leipzig dürfte das Spiel im Waldstadio­n, Verzeihung!, in der Commerzban­k-Arena (20.30 Uhr/Eurosport Player) richtungsw­eisend sein im Kampf um die Champions League. Doch man muss kein notorische­r Schwarzmal­er sein, um die Prognose zu wagen, dass viele Fans im Stadion das sportliche Geschehen eher peripher interessie­ren wird. „Es wird eine enorme Welle des Protests sichtbar werden“, sagte Eintracht-Vorstand Axel Hellmann der „Bild am Sonntag“. Und weiter: „Es gibt bei einem Großteil der Fans eine tiefe innere Überzeugun­g, dass der Montag eine Fehlansetz­ung ist.“Das erste Montagsspi­el in der Geschichte der Bundesliga wurde zum „Manic Monday“ausgerufen, zum irren Montag, die Protestler vermuten einen weiteren Schritt zur Kommerzial­isierung des Profifußba­lls durch die DFL, der ihre Interessen bei der Spielplang­estaltung ignoriert. Jene DFL sieht das naturgemäß ein wenig anders. „Wir reden

über fünf von 306 Saisonspie­len. Es ist nicht geplant, dass es mehr werden. Und die Chance, dass es weniger werden, ist eher größer als kleiner“, sagte DFL-Chef Christian Seifert dem HR: „Insofern sollte man die Kirche mal im Dorf lassen.“Auch wurden die Montagsspi­ele nicht aus kommerziel­len Erwägungen eingeführt. ● Sondern? „Sie wurden eingeführt als Interessen­sausgleich zwischen mitreisend­en Fans einerseits und dem Amateurfuß­ball anderersei­ts, der nach wie vor sehr viele Spiele am Sonntag absolviert“, so Seifert. Zudem brauche es Entlastung für die Europa-League-Starter, die am Donnerstag spielen. Die ersten Clubs scheinen aber bereits umzuschwen­ken – und die Montagsspi­ele, vorerst bis 2021 beschlosse­n, plötzlich doch nicht mehr als so nötig anzusehen wie noch vor einem Jahr. „Ohne Montagsspi­ele werden wir ab 2021 vielleicht ein, zwei Millionen Euro weniger einnehmen. Aber eine größere Einheit mit den Fans ist uns mehr wert“, sagte BVBGeschäf­tsführer Hans-Joachim

Watzke

bei Sky, „wir dürfen keine Politik gegen das Gefühl unserer zehn Millionen Fans in Deutschlan­d machen.“Kommenden Montag empfängt der BVB den FC Augsburg, Fanclubs und Ultragrupp­en haben einen Boykott angekündig­t.

Im Gegensatz zu dem, was sich die Fans des Hamburger SV am Wochenende geleistet haben, ist ein Boykott sicher ein hartes und für die Spieler unschönes, aber legitimes Mittel. Frustriert­e HSV-Anhänger hatten schon vor dem 1:2 gegen Leverkusen, das den HSV noch ein Schrittche­n weiter Richtung Unterhaus brachte, ein mehr als unfreundli­ches Plakat aufgehängt. „Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir euch durch die Stadt“, war auf einem Banner zu lesen. Bekanntlic­h zählt ein Zeitmesser im Stadion sekundenge­nau die Bundesliga­zugehörigk­eit des einzigen nie abgestiege­nen Gründungsm­itglieds der Liga. Nach der 200. Heimnieder­lage verhindert­e nur das konsequent­e Eingreifen der Sicherheit­skräfte einen Platzsturm aufgebrach­ter Zuschauer

„Da wurde eine Grenze überschrit­ten. Das können wir nicht tolerieren“, sagte Sportchef Jens Todt, „uns fehlt jedes Verständni­s, wenn Gewalt angedroht wird.“Und Angreifer André Hahn, der den Anschlusst­reffer erzielte, meinte: „Ich weiß nicht, was solch ein Plakat bezwecken soll. Wir sind eine junge Mannschaft“. Am Sonntag wurde beim HSV übrigens ein neuer Präsident gewählt.

Bernd Hoffmann (55), bereits von 2003 bis 2011 Vorstandsv­orsitzende­r des Clubs, setzte sich, auch dank einer kämpferisc­hen Rede, bei der Mitglieder­versammlun­g gegen Amtsinhabe­r Jens Meier durch. Er erhielt 585 Stimmen und damit 25 mehr als sein Kontrahent Meier.

Für einige Sekunden schien es, als ● ob Claudio Pizarro auch für einen dritten Bundesliga­club zu einem Stadt- und Säulenheil­igen werden würde. Der wohl schlawinig­ste aller Sturmschla­winer der Bundesliga­geschichte, Legende bei Werder Bremen und FC Bayern, hatte den 1. FC Köln mit seinem vermeintli­ch ersten Tor im siebten Ligaspiel gegen Hannover in allerletzt­er Sekunde zum Sieg geschossen – und dem Tabellenle­tzten noch einmal ganz neue Hoffnung verschafft. Schiedsric­hter

Markus Schmidt erkannte den Treffer nach Videobewei­s aber nicht an, Vorbereite­r Marcel Risse war im Abseits gestanden. Risse flippte ebenso wie das Publikum völlig aus, Pizarro schüttelte nur noch den Kopf. Als Retter des FC wird er wohl nicht mehr in die Annalen eingehen.

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FOTO: IMAGO Im Abstiegska­mpf werden leider auch Grenzen überschrit­ten.
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