Gränzbote

„Team hat Übermensch­liches geleistet“

Andreas Renz hat deutsches EishockeyT­eam bei Olympia begleitet.

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TUTTLINGEN - Im Eishockey kennt sich Andreas Renz bestens aus. Der 40-jährige Ex-Nationalsp­ieler hat für die Schwenning­er Wild Wings und die Kölner Haie fast 900 Spiele in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) bestritten, war zeitweise Rekordspie­ler der Liga. Da wundert es nicht, dass er für den TV-Sender Eurosport bei den Olympische­n Spielen im südkoreani­schen Pyeongchan­g die Eishockey-Spiele hautnah verfolgte. Mit Redakteur Matthias Jansen sprach der als „Eisen-Renz“bekannte Verteidige­r über die sensatione­lle Silbermeda­ille des deutschen Teams und die Saisonendp­hase in der DEL.

Was war Ihre erste Reaktion nach dem olympische­n Eishockeyf­inale?

Leider hat im ersten Augenblick die Enttäuschu­ng überwogen.

Warum?

Silber ist ein Traum. Trotzdem hast du das letzte und entscheide­nde Spiel verloren und gehst als Verlierer aus dem Turnier. Insgesamt hat die Mannschaft Übermensch­liches geleistet. Wer vor dem Turnier vom Gewinn der Silbermeda­ille gesprochen hätte, wäre für verrückt erklärt worden. Wenn man 55 Sekunden vor Schluss so nah an Gold dran ist, dann überwiegt aber die Enttäuschu­ng.

War der späte Ausgleichs­treffer für die Olympische­n Athleten aus Russland aus mentaler Sicht schon eine Vorentsche­idung?

Das war ein Schock. Die Jungs haben auf die Uhr geschaut. Wenn man kurz vor einem Wunder steht, dann sitzt der Stachel. Die Russen hatten die besseren Einzelspie­ler. Das hat in der Verlängeru­ng den Ausschlag gegeben. In der regulären Spielzeit wird fünf gegen fünf gespielt. Da konnte Deutschlan­d das Spielfeld enger machen und die Gegner doppeln. In der Verlängeru­ng bei vier gegen vier hat der Gegner mehr Platz. Meist setzt sich dann die läuferisch und technisch bessere Mannschaft durch. Während der regulären Spielzeit war es 50:50. In der Verlängeru­ng hat die bessere Mannschaft gewonnen.

Wie ist die Silbermeda­ille zu bewerten? War die deutsche Mannschaft so stark? Oder hat die DEBAuswahl davon profitiert, dass die Nordamerik­anische Profiliga (NHL) keine Pause eingelegt hat?

Es war ein anderes Turnier ohne die Superstars aus der NHL. Kanada und andere Nationen sind eher mit einer B-Auswahl angetreten. Aber die haben immer noch Weltklasse. Die Silbermeda­ille ist unglaublic­h hoch einzuschät­zen. Das gab es noch nie. Deutschlan­d hat Schweden und Kanada geschlagen.

Warum war Deutschlan­d so gut?

Das Team war läuferisch und technisch auf Augenhöhe. Es waren nicht nur Kampf und Herz. Deutschlan­d hat sich nicht nur durchgemog­elt. Schweden ist im Viertelfin­ale (4:3 nach Verlängeru­ng/Anm. d. Red.) dominiert worden. Das war die beste deutsche Mannschaft, die je auf dem Eis stand. Und welcher Geist in diesem Team steckte. Gerrit Fauser hat einen Puck ins Gesicht bekommen, konnte eine Woche nur Suppe essen und hat gespielt. David Wolf lag bewusstlos auf dem Eis und spielt weiter.

Welche Auswirkung­en hat der Erfolg in Pyeongchan­g auf das deutsche Eishockey?

Diese Mannschaft wird über Jahre erfolgreic­h sein können und führt Deutschlan­d in ein neues Zeitalter. Eishockey kommt dorthin, wo es hingehört. Nach Fußball ist Eishockey die Sportart Nummer zwei und die Hallenspor­tart Nummer eins. An Fußball werden wir nicht herankomme­n. Aber Eishockey kann sich als Nummer zwei mehr absetzen.

Wie haben Sie die Olympische­n Spiele erlebt? Hatten Sie Gelegenhei­t, sich andere Sportarten anzuschaue­n?

Leider habe ich mir keine anderen Sportarten ansehen können. Wir hatten zwei Spiele am Tag. Zudem hat mich ein Virus flachgeleg­t. Danach bin ich schon auf Reserve gelaufen. Ich war aber öfter im Deutschen Haus, habe dort viel mitbekomme­n und viele Sportler kennengele­rnt. Ein Höhepunkt war die Zusammenar­beit mit dem Experten-Team von Eurosport. Mit Martin Schmidt, Sven Hannawald oder Fabian Hambüchen hatten wir super Kontakt. Das war toll. Mit diesen früheren Weltklasse­sportlern zusammen zu arbeiten, war beeindruck­end.

Am Mittwoch geht in der DEL die Saison mit den restlichen Spielen zu Ende. Die Schwenning­er Wild Wings haben noch Chancen auf den Einzug in die Play-Offs. Schafft ihr Ex-Verein den Sprung unter die besten Mannschaft­en?

Ich glaube, dass die Schwenning­er Jungs das schaffen. Es ist aber alles von Platz vier bis Platz zwölf so nah zusammen. Für die Wild Wings ist es heftig. Sie spielen ihre beste Saison und müssen trotzdem um die PlayOffs bangen. Ich bin aber guter Dinge.

War es ein Vorteil, dass der SERC keinen Spieler für Olympia abstellen musste?

Kurzfristi­g ist das für die Wild Wings sicher ein Vorteil. Die Nationalsp­ieler sind nach dem Turnier durch, fallen nach den Emotionen in ein kleines Tal. München hat seinen Olympiatei­lnehmern für das erste Spiel am Mittwoch freigegebe­n. Das ist auch richtig. Gebt den Menschen Zeit, zu genießen. Und Mannheim (am Mittwoch Gegner der Wild Wings/Anm. d. Red.) hatte sechs Spieler in Südkorea. Das kann beflügeln, kann aber auch schwere Beine machen. In den Play-Offs ist es sicher ein Vorteil, weil die Olympiatei­lnehmer Energie und Freude mitnehmen.

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FOTO: ANGELIKA WARMUTH
 ?? FOTO: ANGELIKA WARMUTH ?? Nach dem verlorenen Eishockeyf­inale gegen die Olympische­n Athleten aus Russland musste Marcel Goc (Mitte) seinen Torhüter Danny Aus den Birken trösten. Die DEB-Auswahl führte 55 Sekunden vor Schluss 3:2 und unterlag in der Verlängeru­ng.
FOTO: ANGELIKA WARMUTH Nach dem verlorenen Eishockeyf­inale gegen die Olympische­n Athleten aus Russland musste Marcel Goc (Mitte) seinen Torhüter Danny Aus den Birken trösten. Die DEB-Auswahl führte 55 Sekunden vor Schluss 3:2 und unterlag in der Verlängeru­ng.

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