„Papst Benedikt hat Maßstäbe gesetzt“
ULM - Mit Respekt blickt Kardinal Walter Kasper (84, Foto: Vera Stiller), früherer Bischof von Rottenburg-Stuttgart und von 1999 bis 2010 Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, auf den emeritierten Papst Benedikt XVI.. Das sagte Kasper im Gespräch mit Ludger Möllers.
Herr Kardinal, nun lebt Papst Benedikt XVI. seit fünf Jahren im Ruhestand. Wie bewerten Sie den Rücktritt heute?
Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI., auf sein Amt zu verzichten, war großmütig und demütig zugleich. Er wird schon deshalb als großer Papst in die Geschichte eingehen, ist er doch der erste Papst der Neuzeit, der freiwillig sein Amt niederlegte.
Was bleibt neben dem Rücktritt von Benedikt XVI. im Gedächtnis?
Benedikt XVI. ist ein bedeutender Theologe mit weltweit sehr hohem Ansehen, von dem viele Katechesen, Predigten und vor allem seine Bücher wertvoll sind und es bleiben werden. Seine Spiritualität ist beeindruckend.
Sie beobachten aus nächster Nähe und in persönlicher Freundschaft, wie der emeritierte Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus im Vatikan leben. Wie erleben Sie, dass es zwei Päpste gibt?
Die Stellung der beiden Päpste zueinander ist brüderlich. Sie verstehen sich gut, Papst Franziskus besucht Benedikt regelmäßig, sie telefonieren. Wenn jeder Vorgänger sich mit seinem Nachfolger so gut verstehen würde wie diese beiden Päpste, wäre es gut.
„Es gibt keinen Platz für einen emeritierten Papst.“Johannes Paul II. war in der Sache sehr klar. Gilt das nicht für Benedikt XVI.?
Benedikt hat eine sehr persönliche Entscheidung für sich getroffen. Johannes Paul II. hat dies für sich anders gesehen und anders entschieden: Er hat seine Krankheit nicht versteckt und ist bis zu seinem Tod im Amt geblieben. Beide Entscheidungen verdienen Respekt.
Setzt Benedikt XVI. Maßstäbe?
Sicher, Papst Benedikt hat Maßstäbe gesetzt. In unserer hektischen Zeit kann es leichter als früher vorkommen, dass sich ein Papst im Alter oder bei Krankheit nicht mehr den Problemen gewachsen fühlt. Er darf sich nun freier fühlen, den Weg Papst Benedikts zu beschreiten.